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Deutsch lehren mit Hindernissen

21. September 2011

Hochmotivierte Studenten, aber kein Strom: Manchmal erschweren ganz praktische Probleme den Unterricht an der Uni. Wie Deutschlehrer in aller Welt ihren Alltag erleben, haben sie jetzt in einem Buch veröffentlicht.

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Ortslektorin Norma Wucherpfennig beim Unterrichten (Foto: Norma Wucherpfennig)
Brasilien: Deutschstunde bei Norma WucherpfennigBild: Norma Wucherpfennig

Wenn Renate Ahrens von ihrem Deutschunterricht an der Universität von Simbabwe spricht, dann merkt man gleich, wie anders das Leben in Harare aussieht. An der Uni gibt es nur wenige Rechner und einen schlechten Internetzugang und abends immer wieder Stromsperre. "Wenn unsere Studenten am nächsten Tag sagen, sie konnten die Aufgabe nicht rechtzeitig schaffen, dann muss ich das einfach akzeptieren."

Ortslektorin Renate Ahrens mit Studenten aus Simbabwe in Berlin (Foto: Renate Ahrens)
Berlin: Ortslektorin Renate Ahrens mit ihrer Klasse aus SimbabweBild: Renate Ahrens

Renate Ahrens ist eine von 770 sogenannten "Ortslektoren" weltweit. Anders als die Lektoren, die der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) für eine begrenzte Zeit selbst an die Universitäten vermittelt, leben Ortslektoren lange Zeit im Ausland. Auf den unterschiedlichsten Wegen sind sie in das jeweilige Land und an die Hochschulen gekommen. Erst seit zehn Jahren hat sich der DAAD mit diesen Lektoren vernetzt. Das sei ein echter Gewinn für die Förderung der deutschen Sprache im Ausland, meint DAAD-Generalsekretärin Dorothea Rüland. Im Zeitalter von Englisch als Weltsprache sei es wichtiger denn je, die Kompetenz dieser Lehrer zu nutzen und sie zu unterstützen. "Um das Deutschlandbild im Ausland zu fördern, brauchen wir Vermittler. Das sind in erster Linie die Sprachlehrer."

Finanzielle Unterstützung wichtig

Die Erfahrungen und Erlebnisse dieser Sprachlehrer hat der DAAD jetzt in einem kleinen Buch unter dem Titel "In der Ferne zuhause, die Heimat im Blick" herausgegeben. Für 53 Ortslektoren ein Anlass, die Veröffentlichung des Buches in Bonn zu feiern und sich miteinander auszutauschen. Einige von ihnen waren schon länger nicht mehr in Deutschland. Renate Ahrens hingegen kommt jedes Jahr. Sie fährt zusammen mit einer kleineren Gruppe aus ihrer Klasse nach Leipzig und Berlin. Die Reise - unterstützt vom DAAD - sei ein großer Anreiz für die jungen Leute, sagt sie. Ansonsten hätten sie in Simbabwe keine finanziellen Möglichkeiten, nach Deutschland zu kommen. Um "die breite Masse" in Simbabwe zu erreichen, wünscht sich Ahrens mehr Stipendien für ganz normale Studenten und nicht nur Zuschüsse für hochqualifizierte Spitzenkandidaten.

Der DAAD unterstützt die Ortslektoren nicht nur finanziell, sondern auch mit Fortbildungskursen und Materialspenden wie Lehrbüchern oder Zeitschriften. Das ist besonders wichtig in Ländern, wo Deutsch kaum präsent ist, wie zum Beispiel in Südkorea.

Ortslektor Marcus Stein mit koreanischen Studenten (Foto: Marcus Stein)
Südkorea: Marcus Stein mit Studenten in der BibliothekBild: Marcus Stein

Marcus Stein arbeitet seit 14 Jahren als Lehrer in Seoul und wünscht sich mehr Zugang zu deutschsprachigen Medien wie Fernsehen oder Radio. Seine Studenten hätten kein klares Bild von den Deutschen, sagt Stein. Viele wählten Deutsch als Fach auch nur, um an eine gute Uni zu kommen. In dem "exotischen" Fach gibt es oft noch freie Plätze an der gewünschten Hochschule. In Korea zählt für die berufliche Zukunft weniger das Fach, das man belegt hat, als vielmehr der Ruf der Universität, an der man studiert hat. Das mache es manchmal schwierig, die Schüler für die deutsche Sprache zu begeistern, meint Stein. Außerdem gäbe es viele Stereotypen wie Bier, Würstchen oder teure Automarken, mit denen die Deutschen in Verbindung gebracht würden. "Jemand, der Deutsch in Südkorea lernt, hat kaum eine Möglichkeit, die Sprache zu üben oder Deutsche zu treffen." Das Problem habe sich zwar in den letzten Jahren durch mehr deutsche Austauschstudenten verbessert, bleibe aber immer noch ein Thema, meint er.

Stereotypen lassen sich schwer ändern

Auch Norma Wucherpfennig kämpft im Unterricht gegen Klischees. Viele von ihren Studenten lernen Deutsch, weil sie sich beruflich bessere Chancen erhoffen und von Deutschland beeindruckt sind. Sie meinen, in Deutschland sei alles viel besser organisiert als in Brasilien, erzählt Norma Wucherpfennig. Die Studenten wüssten kaum etwas von den sozialen Problemen in Deutschland, wie etwa Arbeitslosigkeit oder Schwierigkeiten für Migranten. "Ich versuche ein realistischeres Bild zu kreieren. Natürlich ohne Deutschland dabei schlecht zu reden."

Teilnehmer des DAAD-Ortslektorentreffens (Foto: DW / André Leslie)
Bonn: Treffen der OrtslektorenBild: DW / André Leslie

Norma Wucherpfennig ist mit 31 Jahren eine der jüngsten Autorinnen, die ihre Erfahrungen in dem kleinen DAAD-Buch beschreiben. Sie arbeitet schon lange als Dozentin an der "Universidade Estadual de Campinas" im Bundesstaat São Paulo. In den großen brasilianischen Städten gibt es viele deutsche Firmen, deshalb sind ihre Studenten motiviert, die Sprache zu lernen. Bei Austauschaufenthalten an einer deutschen Uni tun sie sich allerdings oft schwer. Das läge vor allem an den anderen Unterrichtsmethoden an den deutschen Universitäten, sagt Norma Wucherpfennig. Dinge wie selbstständiges Lernen versucht sie deshalb an ihrer Universität zu üben. "Die Studierenden sagen mir dann, dass die Herangehensweise, die wir im Unterricht benutzten, hilfreich für das Lernen in Deutschland gewesen sei."

Ein Land mit seiner Kultur, seiner Sprache und auch mit seinen Unterrichtsmethoden zu vermitteln, das ist das Ziel aller Lektoren. Das Buch "In der Ferne zuhause, die Heimat im Blick" gibt einen ehrlichen Einblick in den Alltag von Deutschlehrern, die im Ausland stationiert sind. Außerdem zeigt es, vor welchen Herausforderungen Deutsch als Sprache im Zeitalter von Globalisierung und Englisch als Weltsprache steht. Dabei hofft der DAAD, dass die Studenten, die sich für Deutsch als Fremdsprache entscheiden, letztendlich Botschafter für die deutsche Kultur im eigenen Land werden.


Autor: André Leslie
Redaktion: Gaby Reucher