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Reaktionen auf EU-Gipfel

29. Juni 2012

Die Finanzmärkte reagierten positiv auf die Gipfel-Beschlüsse in Brüssel. Kritik kommt vor allem aus der Partei von Bundeskanzlerin Angela Merkel.

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Europaflagge und Bundesadler (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Angeschlagene Banken können sich bald direkt vom Euro-Rettungsfonds ESM Geld leihen. Die Kredite werden nicht auf die Staatsverschuldung angerechnet. Auch der direkte Ankauf von Staatsanleihen durch den Fonds soll möglich sein. Darauf haben sich die Staats- und Regierungschefs der Eurogruppe in der Nacht zu Freitag in Brüssel geeinigt.

Die Börsen reagierten mit deutlichen Kursgewinnen. In Tokio gewann der Nikkei-Index 1,5 Prozent. In Frankfurt stieg der Dax am Vormittag in den ersten Handelsminuten um mehr als zwei Prozent. Die Indizes der anderen europäischen Börsen von London über Paris bis nach Rom und Madrid legten um zwei bis vier Prozent zu. Bankaktien waren die größten Gewinner.

"Die Banken können sich in der Krise nun leichter rekapitalisieren als das bisher der Fall war. Bislang waren ja hauptsächlich die Nationalstaaten dafür verantwortlich. Diese Last ist den Staaten nun von den Schultern genommen, und damit wird zum Beispiel der Staatshaushalt von Spanien wesentlich entspannter", sagte Oliver Roth, Kapitalmarktstratege beim Londoner Finanzdienstleister Close Brothers.

Entspannung bei Staatsanleihen

Tatsächlich gab es am Freitag eine Entspannung bei spanischen und italienischen Anleihen. Der Zinssatz für spanische Papiere mit zehnjähriger Laufzeit sank am Vormittag um 0,5 Punkte auf 6,31 Prozent. Italienische Anleihen mit gleicher Laufzeit brachten 5,7 Prozent, 0,4 Prozent weniger als am Vortag. Deutsche Bundesanleihen, die als besonders sicher gelten und deshalb nur geringe Zinsen einbringen, gerieten dagegen unter Druck. Der Zinssatz stieg um 0,2 Punkte auf rund 1,7 Prozent. Das ist der höchste Wert seit April dieses Jahres.

Allerdings bleibt die Frage, wie lange die Entspannung an den Märkten anhält. Analysten der Citigroup sind skeptisch. "Die Kursentwicklung geht über das hinaus, was gerechtfertigt ist", schreiben sie in ihrem Marktkommentar. Viele Details seien noch völlig unklar - etwa mit welchen Rechten eine europäische Bankenaufsicht ausgestattet wird.

Details noch unklar

Diese Aufsichtsbehörde muss zustimmen, bevor sich Banken direkt vom ESM Geld leihen können. "Das ist sicher eine vernünftige Idee, braucht allerdings etwas Zeit", so Horst Löchel, Professor an der Frankfurt School of Finance zur Deutschen Welle. Schließlich muss eine europäische Bankenaufsicht erst noch gegründet werden. "Man muss jetzt sehen, was in der Zwischenzeit passiert", so Löchel.

Wenig Hoffnung haben die Analysten der Citigroup. In der Vergangenheit hätten die Märkte oft positiv auf Gipfelbeschlüsse reagiert. Sobald aber Details bekannt wurden, sei der Optimismus an den Märkten verpufft. "Wir würden uns nicht wundern, wenn sich dieses Muster wiederholt", so die Analysten der Citigroup.

Auch Ayako Sera, Chefvolkswirt der japanischen Sumitomo Mitsui Trust Bank, vermisst noch Details zu den Beschlüssen. "Es ist noch unklar, worauf man sich genau geeinigt hat."

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte am Freitag in Brüssel, ihre Regierung sei ihrer Linie "treu geblieben"; es gebe auch in Zukunft keine Leistung ohne Gegenleistung und "keine Haftung ohne Kontrolle".

"Deutschland haftet für alles"

Starke Kritik kam dagegen aus Merkels eigener Partei, der CDU. Dass Bankenkredite des ESM nicht auf die Staatsverschuldung angerechnet würden, sei eine Verschärfung der Krise, sagte der Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch dem ARD-Hörfunk.

Willsch widersprach auch der Einschätzung, direkte Bankkredite des ESM könnten den Teufelskreis zwischen Bankenkrise und Staatsschuldenkrise durchbrechen. "Wir nehmen die Risiken auf uns", so Willsch. Die Haftung über den gemeinsamen Rettungsschirm ESM werde immer größer, "bis die ganzen schlechten Risiken bei uns liegen. Deutschland haftet schließlich für alles. Auch Frank Schäffler, Finanzexperte des Koalitionspartner FDP, nannte die Hilfen einen "Dammbruch" zu Lasten deutscher Steuerzahler. Die Oppositionsparteien SPD und Grüne begrüßten dagegen die wesentlichen Gipfelbeschlüsse.

Von einer Verschuldung der Euro-Länder über gemeinsame Anleihen war beim Gipfel keine Rede, nachdem Kanzlerin Merkel im Vorfeld gesagt habe, es werde keine Eurobonds geben, solange sie lebe. Die Volkswirte der Commerzbank, Jörg Krämer und Christoph Weil, sind davon nicht überzeugt. "Wir bleiben bei unserer Prognose, dass Deutschland solchen Anleihen am Ende zustimmen dürfte, wenn die Existenz der Währungsunion auf dem Spiel steht."

bea/ zdh (dw, dpa, rtr, afp dapd)