Strom aus der Wüste
23. Mai 2011Desertec soll die besten Solar-Standorte der Welt, also die Wüsten, mit modernen Technologien aus den Industrieländern zusammenbringen. "Auf diese Weise könnten sich sowohl die Technologieländer in Europa als auch die Wüstenanrainerstaaten Nordafrikas mit sauberer Energie versorgen", sagt Gerhard Knies, Mitbegründer der Desertec-Foundation und Vater der Wüstenstrom-Initiative. Theoretisch ließe sich in der Sahara hundertmal soviel Elektrizität erzeugen wie die Menschheit braucht, sagt er.
In der Sahara scheint die Sonne viel stärker als in Europa. Deshalb können Solarkraftwerke dort deutlich effizienter arbeiten als in nördlichen Ländern. Diese Kraftwerke bestehen allerdings nicht aus Solarzellen, wie sie auf Hausdächern installiert werden. Es sind solarthermische Kraftwerke, bei denen große Spiegel das Sonnenlicht, vereinfacht gesagt, auf Wasserkessel konzentrieren. Das Wasser verdampft, treibt eine Turbine an und generiert Strom.
Energie rund um die Uhr nutzbar
Diese Technologie hat einen deutlichen Vorteil gegenüber der Solarzelle auf dem Hausdach. "Man kann die am Tag gesammelte Solarenergie über Nacht speichern, und zwar in Form von Hitze", erklärte Knies auf der Konferenz "Solar Energy for Science", die kürzlich in Hamburg stattfand. Dadurch ließe sich Solarstrom nach Bedarf liefern.
Nicht nur Europa solle vom Wüstenstrom profitieren, sondern auch Nordafrika. Denn wenn Europa in Desertec investiere, entstünden in Marokko, Ägypten und Tunesien neue Arbeitsplätze für die Bevölkerung vor Ort. "Um das zu schaffen, sollten sich europäische und afrikanische Staaten zu einem Joint Venture zusammentun", empfiehlt der Solar-Pionier, "damit ließe sich das Klima schützen und gleichzeitig die Sahara-Region wirtschaftlich entwickeln."
Aber in Nordafrika befürchten viele, Europa sei in Wirklichkeit gar nicht an einer gleichberechtigten Partnerschaft interessiert, sondern wolle einzig den Strom, und zwar möglichst billig. Abdelaziz Bennouna, ehemaliger Generalsekretär des marokkanischen Zentrums für Forschung und Technik, fasst die Bedenken zusammen: "Die Geschichte lehrt: Was Europa braucht, holt es sich - egal, ob die Leute das wollen oder nicht." Allerdings hoffe er, dass Europa "eine gleichberechtigte Partnerschaft" akzeptiere. Dann könne "tatsächlich eine Synergie entstehen, von der man nur träumen kann."
Ist eine Partnerschaft auf Augenhöhe möglich?
Für die Desertec-Befürworter kommt es darauf an, diese Zweifel zu zerstreuen und Vertrauen zu schaffen. Doch es gibt auch Europäer, die zur Vorsicht raten. Man solle mit Desertec lieber warten, bis sich die unruhige politische Situation in Nordafrika stabilisiert habe, sagen sie. Knies glaubt jedoch, die Zeit sei reif für Desertec.
"Durch die politischen Veränderungen in den nordafrikanischen Ländern kann die Sache einen großen Schub kriegen", betont er. Während die alten Regierungen im Maghreb vor allem am Machterhalt interessiert gewesen seien, hätten die neuen Regierungen jetzt eine Chance, dafür zu sorgen, dass "die Bevölkerung endlich vernünftige Lebensbedingungen bekommt". Und dazu müssten sie neue Jobs schaffen.
Wer soll das bezahlen?
Gerade deshalb sei jetzt der Zeitpunkt, in Desertec zu investieren, meint auch Bennouna. Solch ein Projekt würde die Demokratisierung in Nordafrika unterstützen. "Ich habe große Hoffnung, dass Europa die Demokratie bei uns unterstützt und nicht mehr die Diktatoren", sagt er, "das wäre die beste Grundlage für eine fruchtbare Zusammenarbeit."
Die Frage nach dem Geld bleibt indes offen. Denn die Solarkraftwerke werden beträchtliche Investitionen brauchen. "Wir reden hier über Milliarden und nicht über Millionen", sagt Robert Pitz-Paal vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Deshalb sei eine gemeinsame Anschubfinanzierung sowohl aus Europa als auch aus Nordafrika notwendig.
Allerdings bleibe die Frage politisch heikel, wie die Aufteilung der Mittel aussehen und wie genau das Geld zusammenkommen solle. "Darüber wird nicht besonders offen und ehrlich gesprochen", kritisiert Pitz-Paal, und das sei "die entscheidende Hürde."
Wer für die Wüstenkraftwerke zahlt, steht also noch in den Sternen. Immerhin scheint ein Anfang gemacht: Die EU hat angekündigt, 30 Millionen Euro in erste Pilotanlagen zu investieren, die derzeit in Ägypten und Marokko entstehen.
Autor: Frank Grotelüschen
Redaktion: Fabian Schmidt