Der Weg zu Neuwahlen ist (fast) frei
22. Juli 2005Bundespräsident Horst Köhler hat den Deutschen Bundestag aufgelöst und damit den Weg für vorgezogene Neuwahlen freigemacht. Er entsprach damit dem Wunsch aller im Bundestag vertretenen Parteien und der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung. Ob Bundeskanzler Gerhard Schröder oder seine Herausforderin von den Christdemokraten Angela Merkel: Man ist sich quer durch die Republik einig, dass es so, wie es gegenwärtig läuft, nicht weitergehen kann. Der Kanzler verweist auf die mangelnde Unterstützung in den eigenen Reihen, die Oppositionsführerin erklärt sein gesamtes politisches Konzept für gescheitert.
Keine verlässliche Unterstützung
Der Bundespräsident hat ohne viele Umschweife klar gemacht, wo die Probleme liegen: Zu viele Schulden, zu viele Arbeitslose, ein Ungleichgewicht in der bundesstaatlichen Ordnung, die Schieflage der sozialen Sicherungssysteme und das alles bei einem weltweiten scharfen Wettbewerb. Deshalb brauche das Land eine Regierung, die sich auf eine verlässliche und handlungsfähige Mehrheit im Deutschen Bundestag stützen könne. Damit folgte er der Argumentation des Bundeskanzlers, der eben eine solche stetige und verlässliche Unterstützung in seiner eigenen rotgrünen Koalition und ganz besonders in seiner eigenen sozialdemokratischen Bundestagsfraktion vermisst.
In der Tradition von Heinemann und Carstens
Die Entscheidung des Bundespräsidenten liegt auf jener Linie, der auch seine Vorgänger Gustav Heinemann 1972 und Karl Carstens 1983 gefolgt sind, als sie ähnlich künstlich herbeigeführten Misstrauensvoten und den damit verbundenen Wunsch nach Neuwahlen zu beurteilen hatten. Auch in der Vergangenheit wurde betont, dass der allgemeine Wunsch nach Neuwahlen nicht ausreiche, den Bundestag aufzulösen. Vielmehr muss sichergestellt sein, dass nur durch Neuwahlen die Verhältnisse grundlegend stabilisiert und geordnet werden können, dass nur auf diesem Weg aus der aktuellen Krise der Regierung herausgefunden werden kann.
Abweichende Entscheidung unwahrscheinlich
Das letzte Wort allerdings wird auch dieses Mal das Bundesverfassungsgericht haben. Zwei Abgeordnete aus dem Regierungslager haben bereits Klagen gegen die Entscheidung des Bundespräsidenten angekündigt. Dabei wird das höchste deutsche Gericht nicht nur zu prüfen haben, ob die Rechte dieser Abgeordneten verletzt wurden, sondern auch danach fragen, ob die Entscheidung des Bundespräsidenten dem Buchstaben und dem Sinn des Grundgesetzes entspricht. Es wäre eine Sensation, wenn das Verfassungsgericht bei seiner Beurteilung wesentlich von dem abweichen würde, was es 1983 in gleicher Angelegenheit für Recht erkannt hatte. Damals wurde die Entscheidung des Bundespräsidenten bestätigt und die Klagen der Kritiker abgewiesen.