Konflikt trotz Vermittlung
6. August 2012
Die Nachbarschaftsbeziehungen zwischen der Demokratischen Republik Kongo (DRK) und Ruanda sind auf einem Tiefpunkt angelangt. Und doch kann eine politische und militärische Lösung des Ostkongo-Konflikts nicht ohne diese beiden Staaten zustande kommen. In diesem Wissen werden am Dienstag (07.08.2012) die Staatschefs der Länder der Großen Seen in Ugandas Hauptstadt Kampala zusammentreffen, um über eine gemeinsame Eingreiftruppe zu diskutieren, die eine neu entflammte Rebellion im Ostkongo in den Griff bekommen soll.
Schon Mitte Juli hatte die Internationale Konferenz für die Region der Großen Seen (ICGLR), der neben Ruanda und der DRK neun weitere afrikanische Länder angehören, in Addis Abeba entschieden, eine gemeinsame neutrale Truppe aufzustellen – notfalls mit Hilfe der Afrikanischen Union oder der Vereinten Nationen. In Kampala sollen diese Pläne nun konkretisiert werden.
Doch Ilona Auer-Frege vom Ökumenischen Netz Zentralafrika zweifelt an einem Erfolg dieses Treffens: "Die Schwierigkeit ist, dass die Mitglieder zu unterschiedliche Interessen haben und deswegen auch nur schwer an einen Tisch zu bringen sind".
Ruandas und Kongos Uneinigkeit
Ein gemeinsames militärisches Vorgehen wäre eine Antwort auf den Vormarsch der M23-Rebellen um Sultani Makenga und Bosco Ntaganda, die große Teile der Provinz Nord-Kivu unter ihrer Kontrolle haben und drohen, die strategisch entscheidende Provinzhauptstadt Goma einzunehmen. Doch es besteht Uneinigkeit. So beschuldigt die kongolesische Regierung Ruanda, die Rebellion zu unterstützen – eine Anschuldigung, die von einem im Juni veröffentlichten UN-Expertenbericht untermauert wird. Ruanda hingegen weist jede Schuld von sich und sieht sich als Opfer eines Komplotts. Die Beweisführung des UN-Berichts sei unzureichend und darauf angelegt, eine vorgefertigte Meinung zu belegen, heißt es in einer umfassenden Gegendarstellung.
Immerhin konnte Ruanda in den bisherigen Verhandlungen der ICGLR durchsetzen, dass ein möglicher Einsatz nicht nur gegen M23, sondern gegen "alle negativen Kräfte“ im Ostkongo gerichtet sein soll – also auch gegen Ruandas Erzfeinde, die im Kongo verbleibenden Milizen der FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas), einer ruandischen Rebellengruppe der Volksgruppe der Hutu, die für den Völkermord von 1994 verantwortlich ist. Mehrfach schon hatte Ruanda die Gefahr, die von den FDLR ausgehe, als Rechtfertigung für seine Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Kongo angeführt.
Kongos Informationsminister Lambert Mende sieht das Ergebnis der Verhandlungen dennoch als Fortschritt: "Unsere Nachbarn verfolgten immer das Ziel, die FDLR zu bekämpfen und die M23 nicht anzutasten", sagte er im Gespräch mit der Deutschen Welle. Dass Ruandas Präsident Paul Kagame nun bereit sei, gegen beide vorzugehen, sei ein Erfolg der Verhandlungen in Addis Abeba.
Ruanda nutzt Kabilas Schwäche
Die Tatsache, dass Kongos Präsident Joseph Kabila im Osten wenig Rückhalt hat, ist Ruanda in den Verhandlungen von Nutzen. Kabilas zaghafte Versuche, den per internationalem Haftbefehl gesuchten Bosco Ntaganda auszuliefern, hatten im Frühjahr verheerende Folgen gehabt: Ntaganda, der nach einem Friedensabkommen von 2009 in die kongolesischen Streitkräfte integriert worden war, desertierte und markierte damit den Beginn der Rebellenbewegung M23, die in kurzer Zeit ganze Landstriche einnehmen konnte. Die kongolesische Armee leistete keinerlei Widerstand.
Doch nach dem UN-Expertenbericht sieht sich Ruanda zunehmend unter Druck gesetzt. Noch am vergangenen Samstag gab Deutschland bekannt, die Entwicklungshilfen für Ruanda bis 2015 auszusetzen - nur wenige Tage, nachdem ähnliche Schritte auch von den USA, Großbritannien und den Niederlanden bekannt wurden. Sanktionen, die nicht ohne Folge bleiben werden, so Auer-Frege: "Auf der Verhandlungsebene muss Ruanda jetzt zumindest nach außen hin demonstrieren, dass sie bereit sind, sich zu engagieren."
Ein Zweckbündnis mit schwachen Chancen
Der fast zwei Jahrzehnte andauernde Konflikt im Kongo war von jeher bestimmt von den verschiedenen nationalen Interessen der Länder der Großen Seen. Nur mit Hilfe einiger Nachbarländer – unter ihnen Ruanda, Uganda und Angola – konnte Laurent-Désiré Kabila, der Vater des jetzigen Amtsinhabers, 1997 das über 30 Jahre währende Regime seines Vorgängers Mobutu beenden und sich selbst zum Staatschef machen. All diese Länder konnten so mit Regimekritikern auf kongolesischem Boden abrechnen und nutzten die Chance, sich Zugang zu den Rohstoffen im Kongo zu sichern.
Kein Jahr später war das Zweckbündnis zerfallen – und mit ihm der Kongo. Zwar konnten Friedensverhandlungen die Einheit des Kongo nominell wiederherstellen, doch noch immer profitieren viele von der Unsicherheit und den schwachen Strukturen im Kongo. Wie Ruanda habe auch Uganda ökonomische Interessen im Kongo, ist sich Auer-Frege sicher: "Die wollen da schon auch noch ein bisschen mitspielen. Das hat man ja auch bei den letzten Interventionen gesehen. Das erste, was die Ugander besetzt haben, waren die Diamantminen." Andere Staaten, so vermutet sie, würden versuchen, sich aus dem Konflikt möglichst herauszuhalten: "Die haben ein Interesse an Stabilität."
Darüber hinaus bleiben die gemeinsamen Interessen der ICGLR, die sich 2000 als regionaler Staatenbund auf Druck der Vereinten Nationen gegründet hatte, sehr gering. Die meisten Beobachter machen sich schon aufgrund der schlechten Finanzlage wenig Hoffnung, dass diese Idee am Ende mehr sein wird als eine Bekundung guten Willens. Auch eine 2005 beschlossene Truppe der Afrikanischen Union für den Kongo war nie in die Tat umgesetzt worden.