1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Der Tag der Geldverbrennung in Irland

Zhang Danhong29. März 2012

Am 31. März musste Irland drei Milliarden Euro "verbrennen". Viele Iren sahen das als Strafe, einige Ökonomen dagegen als Schritt zu mehr Glaubwürdigkeit. Denn Irland hat noch einen Schuldenberg abzutragen.

https://p.dw.com/p/14TP3
Eine irische 50-Cent-Muenze steht am Montag (10.05.10) in Berlin fuer eine Fotoillustration auf einem Tisch. Foto: Margarethe Wichert/dapd // Eingestellt von wa
Irland / Euro / MünzeBild: dapd

Der 31. März war für die Iren ein bitteres Datum. An diesem Tag transferierte das irische Finanzministerium mehr als drei Milliarden Euro an die eigene Notenbank - quasi vom Staat zum Staat. Dann wurde der Batzen Geld aus dem Verkehr gezogen.

Ein Blick in die Vergangenheit ist notwendig, um dieses Phänomen zu verstehen. Als Anfang dieses Jahrhunderts Banken in den USA und Europa ihren Kunden billige Kredite hinterherschmissen, beschlossen die Isländer, ihr Land zu einem gigantischen Hedgefonds zu machen; die Griechen wählten den Konsum; die Amerikaner kauften Häuser, die sie sich nicht leisten konnten. Auch die Iren entdeckten ihre Leidenschaft für Immobilien - erst als Eigenheim, dann als Investition. Die Banken lockerten die Kriterien für Kredite und heizten den Markt weiter an - bis die Investmentbank Lehman Brothers pleite ging und die Blase platzte.

Tiger unterm Schirm

Der aufgeblähte Bankensektor drohte zu kollabieren. Da sprang die Central Irish Bank in die Bresche und druckte 35 Milliarden frische Euro. Als auch das nicht half, erklärte der damalige Premierminister Brian Cowen Ende September 2008, für alle Schulden der irischen Banken geradezustehen. Dann wurde eine irische Bank nach der anderen verstaatlicht. Das irische Haushaltsdefizit erreichte 2010 den Rekordwert von 32 Prozent des Bruttoinlandsprodukts - die größte Neuverschuldung innerhalb eines Jahres im Euroraum. Im Herbst desselben Jahres musste der einstige keltische Tiger als erstes Euroland unter den Rettungsschirm schlüpfen.

Nun muss Irland einen Schuldenberg von knapp 160 Milliarden Euro abtragen, davon auch die 35 Milliarden Kredite, die die irische Notenbank damals den Banken gewährt hatte. Mit Zinsen werden es 47 Milliarden werden. Es wurde vereinbart, dass jedes Jahr am 31.März 3,1 Milliarden getilgt werden - bis 2030. Was den Iren Bauchschmerzen bereitet, ist für den Wirtschaftswissenschaftler Andreas Freytag ein ganz normaler Vorgang. Denn: "Verträge sind einzuhalten."

Es geht um Glaubwürdigkeit

Dass dieses Geld der realen Wirtschaft entzogen wird, ist für den Wirtschafsprofessor aus Jena sogar positiv: "Die EZB verkürzt dadurch ihre Bilanz. Insoweit ist das Inflationspotential in Europa leicht gesunken." Schließlich gehe es auch um die Glaubwürdigkeit der irischen Regierung: "Wenn die irische Regierung ihre Reputation behalten möchte, dann zahlt sie das Geld zurück." Das erleichtere den Iren in der Zukunft den Zugang zum Kapitalmarkt und ziehe Investoren an, sagt Freytag zu DW.

Denn die Regierung in Dublin ist ehrgeizig. Sie will vorzeitig den Rettungsfonds verlassen. Bereits Ende dieses Jahres möchte sie den Sprung ins kalte Wasser wagen und versuchen, sich über die Kapitalmärkte zu refinanzieren. Die irische Regierung wolle vor allem ihre Wirtschaftspolitik eigenständig gestalten können, meint Clemens Fuest, Wirtschaftsprofessor an der Universität Oxford und Berater des deutschen Finanzministers. Denn wenn man unter dem Rettungsschirm sei, müsse man sich vom Ausland vorschreiben lassen, wie die Wirtschafts- und Finanzpolitik gemacht werde. "Den Iren ist das vor allem deshalb unangenehm, weil das Ausland Druck macht, die Unternehmenssteuern zu erhöhen", sagt Fuest gegenüber DW.

Heftige Zumutungen

Niedrige Unternehmenssteuern gehören aber zum Geschäftsmodell Irlands. Damit hat das Land bereits Konzerne aus aller Welt angelockt - und es will auch weiterhin ein attraktiver Investitionsstandort bleiben. Um das Vertrauen der Investoren zurückzugewinnen, haben die Iren bereits eine Menge getan, sagt Fuest: "Sie haben drastische Kürzungen im Staatshaushalt durchgeführt. Die Gehälter im öffentlichen Dienst sind reduziert worden, Sozialleistungen sind abgebaut worden, Steuern sind erhöht worden."

Das alles haben die Iren bisher ohne viel Murren ertragen. Dass der Unmut in der Bevölkerung wächst, gerade an symbolträchtigen Tagen wie dem 31. März, dafür hat Clemens Fuest Verständnis: "Man muss schon sagen, dass das, was der Bevölkerung da zugemutet wird, sehr heftig ist. Man weiß nicht, wie lange das so anhält."

Prof. Clemens Fuest (Foto: dpa)
Prof. Clemens FuestBild: picture-alliance/dpa
Prof. Andreas Freytag, Lehrstuhl für Wirtschaftswissenschaft an der Friedrich-Schiller-Universität Jena (Foto: privat)
Prof. Andreas FreytagBild: Andreas Freytag