Der neue Bundestag wird gewählt
18. September 2005Wie der Bundeswahlleiter mitgeteilt hat, haben bei der
Bundestagswahl bis 14.00 Uhr 41,9 Prozent der
Wahlberechtigten von Ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht. Die abgegebenen Stimmen der Briefwähler sind dabei noch nicht berücksichtigt. Bei der Bundestagswahl 2002 lag die Wahlbeteiligung bis 14.00 Uhr bei 42,8 Prozent; die Gesamtwahlbeteiligung betrug 79,1 Prozent. 1998, bei der Wechselwahl von einer schwarz-gelben zur rot-grünen Bundesregierung, waren es mit 82,2 Prozent fast drei Prozentpunkte mehr.
Der Bundeswahlleiter bittet alle Wahlberechtigten, die Ihre Stimme bislang noch nicht abgegeben haben, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen.
Bundeskanzler Gerhard Schröder gab am Vormittag in Hannover seine Stimme ab, CSU-Chef Edmund Stoiber im oberbayerischen Wolfratshausen. In Berlin gingen Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel, Außenminister Joschka Fischer, Grünen-Chef Reinhard Bütikofer und Linkspartei-Spitzenkandidat Gregor Gysi zur Wahl. FDP-Chef Guido Westerwelle wählte in seiner Heimatstadt Bonn.
Hohe Beteiligung erwartet
Wahlbeobachter gehen davon aus, dass voraussichtlich mehr Wähler an der Wahl teilnehmen werden als 2002. Emnid-Chef Klaus-Peter Schöppner sagte den "Stuttgarter Nachrichten" (Samstagsausgabe): "Die Parteien haben ihren Wahlkampf in den letzten Tagen vor dem Stichtag polarisiert. Dadurch nimmt die Zustimmung der Bürger zu einer möglichen großen Koalition deutlich ab". Der Polarisierungseindruck führe dazu, dass die Wahlbeteiligung steige. Schöppner glaubt, dass von den unentschlossenen Wahlberechtigten etwa die Hälfte doch wählen wird.
Kopf-an-Kopf-Rennen
Zwischen den konkurrierenden Lagern mit CDU/CSU und FDP einerseits sowie SPD und Grünen andererseits steht nach jüngsten Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen an. Als entscheidend gilt der Block der bisher unentschlossenen Wähler. Rund zehn Millionen sollen es sein. SPD und Grüne wollen mit Bundeskanzler Gerhard Schröder möglichst ihre seit 1998 regierende Koalition fortsetzen. Unions-Parteien und FDP wollen hingegen mit einer Kanzlerin Angela Merkel die Regierung übernehmen. Womöglich erhalten beide Lager keine Mehrheit im künftigen Parlament, weil die Linkspartei als starke Kraft einziehen könnte. So lag die Union in den zuletzt veröffentlichten Befragungen zwischen 41 und 42 Prozent, ihr Wunschpartner FDP bei sechs bis sieben. Die SPD erreichte in den Umfragen zuletzt 33 bis 35, die Grünen sieben bis acht Prozent. Die Linkspartei lag bei sieben bis achteinhalb Prozent.
Mögliche Koalitionen
Angesichts einer bis zuletzt großen Zahl von unentschlossenen Wählern hielten Demoskopen eine seriöse Prognose über den Ausgang für unmöglich. Unklar ist, was bei einem Patt zwischen Schwarz-Gelb auf der einen Seite und Rot-Grün plus Linkspartei auf der anderen geschehen würde. Die Parteien haben zumindest im Wahlkampf alle Koalitionen bis auf die jeweils gewünschten Bündnisse ausgeschlossen. So haben Union und SPD beteuert, eine große Koalition zwischen den Volksparteien werde es nicht geben. Die SPD will nach Angaben der Parteispitze keinesfalls mit der Linkspartei eine Rot-Rot-Grüne Koalition schließen. Die Linke will dafür ebenfalls nicht zur Verfügung stehen. Einer "Ampel-Koalition" aus SPD, FDP und Grünen haben wiederum die Liberalen eine kategorische Absage erteilt. Spekuliert wurde zuletzt sogar über Minderheitsregierungen.
Unter den rund 61,9 Millionen Wahlberechtigten sind die 32,2 Millionen Frauen eine deutliche Mehrheit. 2,6 Millionen junge Menschen unter 21 Jahren dürfen zum ersten Mal ihre Stimme abgeben. Knapp 20 Millionen Wahlberechtigte sind über 60 Jahre.
Dresdens Rolle
Die Wahllokale schließen um 18 Uhr. Das vorläufige Endergebnis soll am Montag in den frühen Morgenstunden veröffentlicht werden. Es gilt allerdings nur für 298 der 299 Wahlkreise. In einem der beiden Dresdner Wahlkreise findet die Wahl zwei Wochen nach dem allgemeinen Termin statt, weil dort die Direktkandidatin der rechtsextremen NPD gestorben ist. In Dresden I dürfen 219.492 Menschen wählen. Das sind rund 0,35 Prozent aller Wahlberechtigten in Deutschland. Rechnerisch entfallen damit auf diesen Wahlkreis etwa zwei der normalerweise 598 Bundestagsmandate. Bei einem sehr knappen Ausgang der Bundestagswahl könnte die Nachwahl am 2. Oktober in Dresden den Ausschlag für die künftige Kanzlermehrheit im Parlament geben. Das endgültige amtliche Ergebnis wird für den 6. oder 7. Oktober erwartet. (mas/je)