Der Moment danach - Spuren des Krieges
Kriegsfotografien zeigen häufig Kampfhandlungen an den Fronten. Eine Fotoausstellung im Museum Folkwang in Essen widmet sich dem Blick der Fotografen auf Spuren, die Kriege hinterlassen - in Landschaften und Gesichtern.
Schockstarre
Wie zu einer Skulptur erstarrt: ein US-Soldat, nur wenige Minuten nach einem Granatenangriff im Vietnamkrieg. 1968 gelang dem britischen Fotoreporter Don McCullin, der mitten zwischen den US-Truppen fotografierte, diese Momentaufnahme. Das Bild ging um die Welt. Berichte und Fotos wie dieses führten 1968 zu einem Wendepunkt über die Wahrnehmung der Brutalität solcher Kriege - und ihren Folgen.
Auferstanden aus Ruinen
Die Verwüstungen durch den Zweiten Weltkrieg sind in der Ausstellung in höchst unterschiedlichen Fotoarbeiten dokumentiert. Internationale Fotoreporter reisten durch das zerstörte Nachkriegsdeutschland, um abzulichten, was von Hitlers "3. Reich" übriggeblieben war. Im Ruhrgebiet trafen sich 1946 Mitglieder der Fotografischen Gesellschaft Essen zu einer fröhlichen "Fotosafari" in den Trümmern.
Kriegsspuren im Sand
Zernarbte und vom Krieg geschundene Landschaften: die Fotografin Sophie Ristelhueber (Jg.1949) reiste 1991 sieben Monate nach dem Ende des Ersten Golfkrieges, nach Kuwait, um Spuren der militärischen Kämpfe in der Wüstenlandschaft zu dokumentieren: "Ich schritt das Gelände ab: Zurückgelassene Schuhe tauchten neben Panzerspuren und Bombenkratern auf." Ihre Fotos zeigt sie als mehrteiliges Tableau.
Bomben für die Taliban
Nur wenige Augenblicke nach einem US-Bombenangriff auf Stellungen der Taliban drückte der Fotograf Luc Delahaye (Jg.62) auf den Auslöser. Nach Jahren als Kriegsreporter an vorderster Front hat er mehr und mehr Distanz zu dem brutalen Kriegsgeschehen gewonnen. Seit 2001 fotografiert er mit einer Großbildkamera und konzentriert sich - statt auf Chaos und Gewalt - auf solche stillen Momente.
Opfer des Bürgerkriegs
Über zwei Jahrzehnte erschütterte die Demokratische Republik Kongo ein blutiger Konflikt, der 5,4 Millionen Menschen das Leben kostete und 2,9 Millionen Heimatlose hinterließ. Ihnen widmete der Fotograf Jim Goldberg sein aufwändiges Langzeitprojekt "Open See". Dafür besuchte er 2008 überfüllte Flüchtlingslager, Fluchtpunkte und Orte, an denen kriegerische Verbrechen geschehen sind.
Kriegsschauplatz Verdun
Eine der eindrucksvollsten Arbeiten ("Shot at Dawn") ist von der jungen Fotografin Chloe Dewe Mathews (Jg. 82). 2013 begann sie eine fast schon archäologische Spurensuche an den Schauplätzen des Ersten Weltkriegs. Sie suchte nicht die Schlachtfelder auf, sondern Orte, an denen Kriegsdeserteure ihr Leben verloren haben: Hier wurden sie im Morgengrauen erschossen. Zu sehen ist nichts mehr.
Gedankenanstoss
Die Idee, eine Ausstellung zum Thema Krieg, Konflikt, Zeit nicht mit herkömmlicher Kriegsfotografie zu bestücken, sondern als einen poetischen Essay zu verstehen, kam von einem Buch: der Schriftsteller Kurt Vonnegut überlebte die Bombenangriffe auf Dresden im Februar 1945. Erst 24 Jahre später fand er die Kraft das Gesehene zu verarbeiten. "Schlachthof 5" nannte er seine´Erinnerungen.
Konzept der Tate Modern
Das ursprüngliche Konzept dieser ambitionierten Fotoausstellung stammt von Simon Baker, dem Chefkurator für Fotografie und Internationale Kunst an der Tate Modern in London, und der Kuratorin Shoair Mavlian. Statt eines Mappings der weltweiten Kriege haben sie sich für eine zeitliche Staffelung der Fotos entschieden: Momentaufnahmen, Tage, Wochen, Monate oder 25, 60, 100 Jahre später aufgenommen.