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Der Mann, der den Traktor nach Kuba bringt

Andreas Knobloch, Havanna4. Januar 2016

Die Firma von Saúl Berenthal will als erstes US-Unternehmen ein Traktorenwerk auf Kuba errichten. Im DW-Gespräch erzählt Berenthal aber auch über die wechselvolle Geschichte der Jüdischen Gemeinde Kubas.

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Kuba Traktor Oggun
Bild: Saul Berenthal

Anfang November erteilte die kubanische Regierung dem Traktorenhersteller Cleber aus Alabama - als erster US-Firma überhaupt - die Genehmigung, in der Sonderwirtschaftszone Mariel ein Werk zu errichten. Saúl Berenthal, einer der Besitzer, wurde als Spross einer jüdischen Familie in Havanna geboren. Seine Eltern waren vor dem Holocaust aus Europa nach Kuba geflohen, er selbst nach der Revolution in die USA emigriert. Berenthal setzt sich zudem aktiv für die kleine Jüdische Gemeinde auf Kuba ein.

DW: Herr Berenthal, Ihr Unternehmen Cleber LLC hat als erste US-Firma überhaupt von der kubanischen Regierung die Genehmigung erhalten, in der neu errichteten Sonderwirtschaftszone Mariel (ZED) ein Traktorenwerk zu errichten. Wie lief das Verfahren?

Saúl Berenthal: Nach den neuen Vorschriften des US-Finanzministeriums dürfen US-Unternehmen Handelsbeziehungen mit Kuba in drei Branchen haben, darunter Landwirtschaft. Das kubanische Gesetz zu Auslandsinvestitionen wiederum erlaubt es ausländischen Unternehmen, sich in der Sonderwirtschaftszone Mariel (ZEDM) anzusiedeln. Hierfür gibt es einen klar definierten Prozess. Unser Projekt wurde von der ZEDM geprüft und und in weniger als 60 Tagen genehmigt. In den USA dagegen gestaltet sich das Verfahren wegen der US-Blockadegesetzgebung komplizierter.

Saúl Berenthal Unternehmer in Kuba
Saúl BerenthalBild: privat

Die Regularien erlauben den Export von landwirtschaftlichen Produkten und Maschinen, wenn diese dem Privatsektor in Kuba zugute kommen; die Beteiligung kubanischer Regierungsstellen dagegen muss vermieden oder auf ein Minimum reduziert werden. Wir haben unseren Lizenzantrag beim US-Finanzministerium Ende Juni 2015 eingereicht und warten auf die Zustimmung. Insgesamt sechs US-Regierungsbehörden müssen grünes Licht geben. Ich denke, unser Traktorenprojekt könnte Beispiel sein für andere US-Unternehmer, die Teil der Annäherung zwischen den USA und Kuba sein wollen. Wir hoffen auf eine positive Antwort.

Ihr Unternehmen entwickelt einen Traktor speziell für Kuba. Wie kam es zu dieser Idee?

Die Idee, ergibt sich aus mehreren Punkten: Zum einen der Struktur des Agrarsektors in Kuba. Obwohl 78 Prozent der Fläche dem Staat gehört, wird 70 Prozent des Anbaus von privaten Kleinbauern und verschiedenen Arten von Genossenschaften geleistet. Das kubanische Landwirtschaftsmodell basiert auf kleinen Betrieben mit einer durchschnittlichen Fläche von 10-15 Hektar. Dies ähnelt dem vor den 1960er Jahren in der US-Landwirtschaft verbreiteten Modell der "Family Farms". Diese Familienbetriebe haben einen Traktor verwendet, der an ihre Bedürfnisse angepasst war. Wir haben dieses Modell genommen und nach dem "Stand der Technik" für den Einsatz in der kubanischen Landwirtschaft angepasst und verbessert.

Wie unterscheidet sich Ihr Traktor von anderen?

Unser Traktor ist leicht herzustellen und zu bedienen. Es ist preiswert, wiegt wenig und ist sehr wendig. Das Modell ist als sogenannter "offenen Bausatz" konzipiert, so dass in Kuba hergestellte Bauteile verwendet werden können und die Teile austauschbar sind.

Warum heißt der Traktor Oggun?

Damit wollen wir den Kubanern zeigen, dass obwohl wir ein US-amerikanisches Unternehmen sind, wir uns gut mit der kubanischen Kultur auskennen. Oggun ist der Orisha des Metalls. Wir wollen unseren Traktor mit der Bedeutung Ogguns in Kuba verbinden.

Kuba Eingang zur Jüdischen Gemeinde in Havanna
Eingang zur Jüdischen Gemeinde in HavannaBild: DW/A. Knobloch

Erzählen etwas zu Ihrer persönlichen Geschichte. Ihre Großeltern waren europäische Juden…

Meine Mutter und ihr Bruder sind aus Polen nach Kuba geflohen. Sie waren die einzigen aus der Familie, die sich vor dem Holocaust retten konnten. Meine Großeltern mütterlicherseits und vier weitere Brüder meiner Mutter wurden in Konzentrationslagern ermordet. Meine Großeltern väterlicherseits wiederum sind mit ihren sieben Kindern vor dem Holocaust aus Rumänien geflohen. Sie sind heute auf dem Jüdischen Friedhof im Stadtteil Guanabacoa am Rande Havannas bestattet. Meine Eltern haben sich auf Kuba kennengelernt; ich wurde 1944 auf der Insel geboren und bin dort aufgewachsen.

Sie emigrierten mit Ihrer Familie 1960 in die USA. Wie war diese Erfahrung?

Das Geschäft meines Vaters wurde nach der Revolution geschlossen und er entschied sich, in die USA auszuwandern. Diese Erfahrung war um einiges härter für meine Eltern als für mich. Sie mussten zum zweiten Mal in ihrem Leben alles zurücklassen und ganz von vorn beginnen in einem Land, das sie zwar kannten, sich aber in Sprache und Kultur unterschied. Auch war es in ihrem Alter schwieriger, sich an die neue Umgebung zu gewöhnen.

Ich selbst meisterte die Umstellung viel besser, begann zu arbeiten und zu studieren. Es half mir, dass die Familie meiner damaligen Freundin ebenfalls in die USA auswanderte. Meine Frau Ceci und ich sind zusammen in Kuba aufgewachsen, ihre Familie wohnte einen Block von unserem Haus entfernt, wir sind in dieselbe Synagoge gegangen und haben eine zeitlang sogar dieselbe Schule besucht. Als wir in die USA gegangen sind haben wir uns gegenseitig unterstützt; die Beziehung hat bis heute gehalten.

Kuba Eingang zur Jüdischen Gemeinde in Havanna
Bet Shalom-Synagoge und Gemeindehaus in HavannaBild: DW/A. Knobloch

Wie sind Sie zum Traktorenhersteller geworden?

Nach Beendigung meines Physik- und Mathematik-Studiums an der Long Island-Universität in New York arbeitete ich 18 Jahre lang für IBM. In dieser Zeit lernte ich Horace Clemmons kennen, der bis heute mein Geschäftspartner ist. Gemeinsam gründeten wir drei verschiedene Software-Firmen, die wir später mit Gewinn an Citicorp, Gilbarco (beide USA) sowie Fujitsu (Japan) verkauften. Nach so vielen Jahren in der Hochtechnologie-Branche sind wir in Rente gegangen und entschieden, ein Unternehmen zu gründen, das kleinen Landwirten in den USA hilft. Aus dieser Idee entstand Cleber LLC.

Als die Präsidenten der USA und Kubas, Barack Obama und Raúl Castro im Dezember 2014 die Annäherung zwischen beiden Ländern verkündeten, war die Landwirtschaft einer jener wenigen Bereiche, in denen Handel zwischen beiden Ländern erlaubt war. Wir dachten, wir könnten Teil dieser Annäherung sein.

Was halten Sie von der Annäherung zwischen den USA und Kuba?

Ich denke, es war an der Zeit. Für die US-Blockade gibt es weder eine politische, noch ökonomische, noch moralische Rechtfertigung. Es ist ein unumkehrbarer Prozess, denn beide Völker sehnen sich nach einer Annäherung und möchten die familiären und freundschaftlichen Bande, die es auf persönlicher Ebene immer gegeben hat, vertiefen.

Sie selbst waren bereits 2007 nach Kuba zurückgekehrt. Wie war diese Reise für Sie?

Nach fast 50 Jahren entschied ich mich, meinen Söhnen meine Wurzeln zu zeigen. Es war eine sehr emotionale Reise. Ich gebe zu, es war eine der besten Familienzusammenkünfte, die ich hatte. Für mich war es erstaunlich zu entdecken, wie wenig sich insgesamt verändert hatte, auch wenn es natürlich traurig war, den Verfall zu sehen. Es war aufschlussreich zu sehen, dass die Bevölkerung, auch wenn es an vielen Mitteln fehlte, ihre Kultur und ihre Wesensart bewahrte. Die Kubaner sind weiterhin freundlich, fröhlich und gewillt, das Beste aus den Möglichkeiten zu machen.

Sie haben sich aktiv dafür eingesetzt, die Jüdische Gemeinde auf der Insel wieder aufzubauen…

Wie wir in Kuba sagen: "Es ist kompliziert". Wir wissen, dass Religion ein sensibles Thema auf Kuba ist. Ich versuche immer noch zu verstehen, wie wir eine jüdische Struktur schaffen können, die die jüdische Weltgemeinde dazu bewegen kann, eine lebendige jüdische Gemeinde wiederherzustellen, wenn es weder koschere Lebensmittel noch einen Rabbiner gibt. Der Zustand der Jüdischen Gemeinde hat mich traurig gemacht, aber auch den Antrieb gegeben zu helfen. Dabei suche ich vor allem nach Wegen, um die "Jewbans", jene Kubaner, die wie meine Familie in die USA ausgewandert sind, mit den "Jubanos" in Kuba zusammenzubringen. Ich denke, mit der neuen Annäherung zwischen Kuba und den USA lässt sich das bewerkstelligen.

Das Interview führte Andreas Knobloch, Havanna.