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Deutsch lernen

Der Kniefall von Warschau

von Hellfeld, Matthias10. Dezember 2010

Bundeskanzler Willy Brandt auf Knien - ein Bild für die Aussöhnung zwischen Deutschland und Polen nach dem Zweiten Weltkrieg. Diese einfache Geste im Dezember 1970 bewirkte mehr, als mit Worten möglich gewesen wäre.

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Das Bild entstand am 7. Dezember 1970 vor dem Mahnmal für die jüdischen Opfer des Warschauer Ghettos. Der damalige Bundeskanzler Willy Brandt war in Warschau, um den deutsch-polnischen Aussöhnungsvertrag zu unterzeichnen. Auf dem Programm stand auch ein Besuch am Mahnmal für die Opfer des Aufstands im Warschauer Ghetto 1943.

Es nahmen Politiker, Journalisten und Zuschauer teil. Während Willy Brandt langsam nach vorne zum Mahnmal ging, deutete nichts darauf hin, dass in wenigen Augenblicken ein ungewöhnlicher Moment beginnen sollte. Willy Brandt hatte kurz vor dem Mahnmal gestanden und war dann zwei Schritte nach hinten gegangen.

Dann sank er auf die Knie herab. So blieb er 30 Sekunden mit versteinerter Miene. Alle Anwesenden spürten, dass sie einen besonderen Moment erlebten. Nur das Klicken der Fotokameras war zu hören. Sie hielten die Bilder fest, die auch Jahrzehnte später in keinem Bericht über die deutsche Ostpolitik der Nachkriegszeit fehlen würden.

Später sagte Brandt, dass seine Geste nicht geplant war und dass er angesichts der Millionen ermordeten Menschen das getan hatte, was Menschen tun, wenn die Sprache versagt. In Polen ist der Kniefall als Geste der Demut und des Respekts verstanden worden. Ein Jahr später erhielt Brandt für die Ostpolitik seiner Regierung den Friedensnobelpreis.

Glossar

 

Kniefall, der - die Bewegung, bei der man auf die Knie geht

 

Aussöhnung, die - die Tatsache, dass man wieder Frieden schließt

 

Geste, die - die Bewegung, die etwas Bestimmtes bedeutet

 

etwas bewirken - hier: Kraft haben

 

Mahnmal, das - ein Objekt, das an ein schlimmes Ereignis erinnern soll, damit es sich nicht wiederholt

 

Ghetto, das - hier: Ort, an dem Juden leben und arbeiten mussten oder getötet wurden

 

damalig - früher

 

etwas unterzeichnen - etwas unterschreiben

 

Aufstand, der - die Tatsache, dass man sich gemeinsam gegen etwas wehrt

 

auf etwas hindeuten - etwas erwarten lassen

 

herabsinken - heruntergehen

 

versteinert - hier: ernst und unbeweglich

 

Miene, die - der Gesichtsausdruck

 

etwas festhalten - hier: etwas für spätere Zeiten dokumentieren

 

angesichts - im Hinblick auf; beim Gedanken an

 

versagen - hier: nicht ausreichen

 

Demut, die - die Haltung, bei der man sich klein macht und seine Fehler anerkennt

 

Respekt, der - die Achtung

 

Friedensnobelpreis, der - internationaler Preis für Menschen, die etwas Wichtiges für mehr Frieden in der Welt geleistet haben

Fragen zum Text

1.  Willy Brandt besuchte das Mahnmal für die Opfer des Aufstands im Warschauer Ghetto(,)…

a)  während seiner Reise 1970 nach Warschau.

b)  als er in Polen Urlaub machte.

c)  1943 nach dem jüdischen Aufstand.

2.  Was ereignete sich am Mahnmal?

a)  Brandt erhielt den Friedensnobelpreis.

b)  Brandt machte eine besondere Geste, mit der er Demut und Respekt ausdrückte.

c)  Brandt sank auf die Knie herab, weil er sich nicht gut fühlte.

3.  Was war während des Kniefalls zu hören?

a)  das Klicken vieler Fotoapparate

b)  die Worte Willy Brands

c)  die Gespräche der Zuschauer

 

4.  Welche Aussage ist falsch? "Nach dem Ereignis sagte Brandt, dass …"

a)  er die Geste des Kniefalls nicht geplant hatte.

b)  ihm die richtigen Worte gefehlt hatten, um seine Gefühle auszudrücken.

c)  er gerne den Friedensnobelpreis hätte.

5.  Welches Wort kann man nicht einsetzen? "Mit seinem Kniefall zeigte Brandt … für die Opfer."

a)  Demut

b)  Geste

c)  Respekt

Arbeitsauftrag

Gesten können viel über die Gefühle und Absichten von Menschen aussagen. Welche Gesten kennen Sie aus dem täglichen Leben? Arbeiten Sie in Kleingruppen von zwei bis vier Personen. Jeder zeigt der Reihe nach eine Geste, während die anderen Gruppenmitglieder versuchen, die damit verbundenen Gefühle oder Absichten in Worte zu fassen.

Autor/in: Matthias von Hellfeld, Anne Gassen
Redaktion: Raphaela Häuser