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Der Kampf um Schnee

Arno Stroncik
28. Dezember 2018

Davos sieht sich als "Loipenparadies der Alpen" - dank Höhenlage und Schneesicherheit. Doch der Klimawandel lässt auch hier die Temperaturen steigen. Die Schweizer Region setzt daher auf "Schnee von gestern."

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Langläufer und Spaziergänger ziehen bei schönem und mildem Winterwetter ihre Runden auf einer Kunstschneeloipe in Davos (Foto: picture-alliance/Keystone/A. Balzarini)
Bild: picture-alliance/Keystone/A. Balzarini

"Die Route ins Sertigtal ist meine Lieblingsloipe, einfach ein Klassiker", schwärmt Skilanglauf-Star Dario Cologna. "Dieses wunderschöne Seitental hat so viel Sonne, steigt immer leicht an und eignet sich perfekt für ein längeres Ausdauertraining." Cologna lebt und trainiert in Davos, hier legte er den Grundstein für seine erfolgreiche Karriere. Bei Olympischen Spielen etwa errang der Schweizer vier Goldmedaillen. Und bereits viermal konnte er auch die Gesamtwertung des Langlauf-Weltcups für sich entscheiden.

In Davos schätzt Cologna auch die traditionsreiche Weltcup-Loipe, auf der alljährlich Mitte Dezember die Langlaufelite um Punkte kämpft. "Hier im Flüelatal habe ich schon viele unerbittliche Rennen bestritten." Dabei profitiert der 32-Jährige vor allem auch vom Prinzip des sogenannten Snowfarmings, "was uns bereits im Herbst vor der eigenen Haustür optimale Trainingsbedingungen auf Schnee ermöglicht."

Der Schweizer Langläufer Dario Cologna trainiert auf der Flüela-Loipe in Davos (Foto: picture-alliance/Keystone/G. Ehrenzeller)
Perfekte Trainings-Bedingungen für Langläufer Dario Cologna auf der Flüela-Loipe in DavosBild: picture-alliance/Keystone/G. Ehrenzeller

Davos, mit 1560 Metern die höchst gelegene Stadt Europas, gilt zwar als schneesicher, dennoch macht sich auch hier im Kanton Graubünden die Klimaerwärmung bemerkbar. Die Temperaturen steigen, die Winter werden kürzer. "In den letzten Jahren war der Schnee, den Frau Holle geschickt hat, nicht immer so zahlreich", berichtet Christian Flury, Leiter des Nationalen Leistungszentrums Langlauf.

Schnee von gestern für die Loipen von heute

Seit 2008 kommt das Snowfarming zum Tragen, also die Lagerung und Konservierung von Schnee über die Sommermonate. "Das ist ein Riesenvorteil für uns wegen der Planungssicherheit. Bereits ab Ende Oktober können wir eine Vier-Kilometer-Kunstschnee-Loipe im Flüelatal auf anspruchsvollem Gelände präparieren."

Zahlreiche Nationalmannschaften nutzen diese Möglichkeit zur Saisonvorbereitung, darunter auch das deutsche Biathlon-Team der Damen. "Weite Reisen in den Norden sind nicht nötig, die Athleten können bei Tageslicht trainieren, nicht in einer Halle. Das ist ökologisch sinnvoll", betont Flury. Auch für den Breitensport sei die Loipe mit dem "Schnee von gestern" geöffnet.

Eine Schneeraupe ist neben dem eingeschneiten Snowfarming-Hügel im Flüelatal in Davos in Aktion (Foto: S. Stroncik)
Neben den Snowfarming-Hügeln im Flüelatal in Davos arbeiten die Schneeraupen unermüdlichBild: S. Stroncik

Noch im Winter werden rund 20.000 Kubikmeter überwiegend Kunstschnee im Flüelatal aufgehäuft und mit einer 40 Zentimeter dicken Schicht Sägespäne abgedeckt. Produziert wird der Schnee bei Minustemperaturen, so dass weniger Wasser und Energie benötigt wird als bei milden Bedingungen im Herbst. "Wir haben momentan im Sommer zwar einen Schmelzverlust von etwa 20 Prozent. Naturschnee zusammen zu kratzen wäre jedoch erheblich aufwendiger und würde viele Maschinenstunden erfordern", erklärt Norbert Gruber, Leiter der Technischen Betriebe. Auch könnten die Sägespäne immer wieder genutzt werden. Das Verfahren wurde vom Schweizer Institut für Schnee- und Lawinenforschung entwickelt.

Pyeongchang auf dem Laufband

Nicht nur das Snowfarming hat wohl zu Colognas Olympiasieg 2018 in Südkorea über 15 Kilometer beigetragen, sondern möglicherweise auch ein drei Meter breites Hightech-Laufband im Davoser Langlauf-Leistungszentrum. "Wir können hier wetterunabhängig auf Rollskiern bis zu 50 Kilometer Geschwindigkeit und 25 Prozent Steigung simulieren, vor allem aber auch Strecken wie die Olympialoipe von Pyeongchang", erläutert Flury. "Wir versprechen uns davon viel für die nächste Athleten-Generation. Mit ihnen können wir noch gezielter arbeiten für den hoffentlich nächsten Olympiasieg."

Ein Athlet trainiert mit Rollskiern auf dem Laufband im Langlauf-Leistungszentrum in Davos (Foto: S. Stroncik)
Perfektioniertes Training im Langlauf-Leistungszentrum in DavosBild: S. Stroncik

"Ein Sonnenschein für den Langlaufsport"

Neben der Langlaufelite nutzen auch Breitensportler die vielfältigen Möglichkeiten im Skigebiet Davos Klosters. Das kostenlose Loipennetz umfasst 100 Kilometer Klassik- sowie 75 Kilometer Skating-Loipen aller Schwierigkeitsgrade. Christian Flury spricht von einem "einzigartigen Mix" aus Loipen. "Davos ist eine kleine Stadt. Man kann von jedem Hotel zu Fuß auf die Loipen gehen, man hat aber auch die Seitentäler. Dort ist man weg vom Alltag und findet Ruhe in der Natur. Vielleicht kommt einem dabei sogar Dario Cologna entgegen."

Für Langlaufexperte Andy Hofmänner hat sich Davos zum Schweizer Langlauf-Mekka entwickelt. Der langjährige OK-Chef des lokalen Weltcup-Rennens macht dabei einen Trend aus: "Nachdem der Langlaufsport klassisch begonnen hat und vor etwa 30 Jahren die Skating-Technik aufgekommen ist, ist heute der klassische Stil wieder sehr im Trend." Anspruchsvoll seien beide Techniken, so Hofmänner. Jeder Körperteil werde beansprucht. "Viele Topathleten aus anderen Sportarten nutzen den Langlauf als Ausgleich."

Ins Schwärmen gerät Hofmänner, wenn er auf Olympiasieger Cologna angesprochen wird. "Dario ist sehr beliebt, bescheiden, offen und trotzdem unglaublich zielorientiert. Er ist ein Sonnenschein für den Langlaufsport hier in Davos und ich glaube in der ganzen Langlaufszene."