"Achterbahn" im Kino
1. Juli 2009Einen kompletten Vergnügungspark in Kisten verpacken und per Containerschiff nach Südamerika zu verfrachten - das ist schon ein dreistes Bubenstück. Norbert Witte hat genau das getan. Vor sieben Jahren ging das durch die bundesdeutsche Presse. Witte war damals pleite. Die von ihm betriebene Groß-Kirmes im Spreepark, zu DDR-Zeiten unter dem Namen Plänterwald berühmt, sollte ausgerechnet im südamerikanischen Peru zu neuem Leben erweckt werden.
Absturz in Südamerika
Doch in Lateinamerika kommt Witte nicht wieder auf die Beine. Im Gegenteil. Er läßt sich auf windige Drogengeschäfte ein. Zufällig hält er sich während des Gerichtsverfahrens wegen gesundheitlicher Probleme in Deutschland auf. Eine Herzoperation rettet ihn somit vor den peruanischen Gefängnissen. Doch nicht seinen Sohn. Der wird wegen Drogenhandels zu einer zwanzigjährigen Haftstrafe verurteilt. Und auch Wittes Familie zerbricht an dieser Tragödie.
Zerrüttete Familiengeschichte
Seine Frau kann ihm nicht verzeihen, dass er mit seiner leichtsinnigen Art den Sohn ins Gefängnis gebracht hat. Nur die Tochter hält inzwischen wieder zum Vater. "Achterbahn" dokumentiert eine unglaubliche Geschichte mit vielen bizarren Details aus dem wahren Leben. Erzählt wird sie von Regisseur Peter Dörfler. Er hat sich mit der Kamera - und gemeinsam mit Norbert Witte - auf die unglaublichen Lebensstationen dieses Hasardeurs gemacht. In Berlin vor allem, auf den Trümmern des ehemaligen Vergnügungsparks, erzählt Witte seine Erlebnisse.
Stehaufmännchen Witte
Witte ist ein Stehaufmännchen, wie es im Buche steht. Das vermittelt er auch vor Dörflers Kamera. Charmant und naiv, draufgängerisch und sorglos - ein Mann, der sich mit starkem Willen, aber ebenso großem Leichtsinn immer wieder in neue Geschäfte stürzt. Manche gehen schief, schrecklich schief. "Achterbahn" ist das Dokument eines aufregenden Lebens, auch eines verpfuschten Lebens. Doch Witte überspielt alles mit seiner guten Laune, mit Trotz, versteckt sich hinter einer Maske.
Behutsame Annäherung
Der Film ist auch ein Beleg für den so gern zitierten Spruch "Die besten Geschichten schreibt immer noch das Leben". Dörflers Dokumentation nimmt sich zurück, läßt die Menschen, die all das erlebt haben, sprechen. Der Regisseur enthält sich eines Kommentars. Das macht den Film sympathisch. Der Zuschauer kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Wenn die Story der Familie Witte in einem Spielfilm erzählt worden wäre, hätte man sich wohl über das tollkühne Drehbuch gewundert und die Geschichte als "Fantasy" abgetan.
Autor: Jochen Kürten
Redaktion: Sabine Damaschke