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PolitikSyrien

Der "Islamische Staat": eine Gefahr für Syriens Zukunft?

9. Dezember 2024

Die Terrororganisation "Islamischer Staat" ist in Syrien zwar weitgehend geschlagen, aber noch nicht ganz. Zumindest in einigen Landesteilen geht noch eine gewisse Gefahr von der Gruppe aus.

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Eine Reihe von US-Panzern in Qamishli, 2020
US-Panzer im Einsatz gegen den IS im syrischen Nordosten im Jahr 2020Bild: Jensen Guillory/Planetpix/ZUMA Wire/picture alliance

Sie ist in Syrien weitgehend besiegt, und doch stellt die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) noch eine Gefahr für eine friedliche Zukunft des Landes dar. Das ist zumindest die Auffassung der Biden-Administration, die darum massive Angriffe auf die Dschihadisten befohlen hat. Für wie ernst sie die Bedrohung hält, deutet bereits das Arsenal der eingesetzten Flugzeuge an. Schwere B-52-Bomber beteiligten sich an den Angriffen in der Mitte des Landes, ebenso Kampfflugzeuge des Typs F-15 und A-10 Thunderbolt.

Die Angriffe gegen IS-Anführer, -Kämpfer und -Camps im Zentrum des Landes seien Teil einer laufenden Mission, den IS zu schwächen und zu besiegen, teilte das U.S. Central Command, das Regionalkommando der US-Streitkräfte, auf der Kurznachrichtenplattform X mit. Man habe "Dutzende" Angriffe geflogen.

"Es sollte keinen Zweifel geben - wir werden nicht zulassen, dass der IS sich neu formiert und die aktuelle Situation in Syrien ausnutzt", zitiert der Eintrag auf X General Michael Erik Kurilla. "Alle Organisationen in Syrien sollten wissen, dass wir sie zur Rechenschaft ziehen werden, wenn sie mit dem IS zusammenarbeiten oder ihn in irgendeiner Weise unterstützen."

"Wir werden dazu beitragen, die Stabilität in Ostsyrien zu gewährleisten, indem wir jegliches Personal - unser Personal - vor jeglichen Bedrohungen schützen und unsere Mission gegen den IS aufrechterhalten, einschließlich der Sicherheit von Haftanstalten, in denen IS-Kämpfer gefangen gehalten werden", erklärte US-Präsident Joe Biden am Sonntag.

"Islamischer Staat in Syrien nie völlig verschwunden"

Der "Islamische Staat" war in Syrien nie völlig verschwunden, sagt der Nahost-Experte und Politik-Berater Carsten Wieland im DW-Gespräch. Zwar sei er weitgehend besiegt worden. "Aber es gibt im Zentrum und im Osten Syriens noch verschiedene Zellen - auch Schläfer-Zellen. Und die stellen durchaus noch eine Gefahr dar. Und die ist immer dann besonders groß, wenn es, wie derzeit, ein Machtvakuum gibt. Aus seiner Sicht hätten die USA richtig gehandelt, so Wieland. "Es kommt jetzt darauf an, die Kräfte, die nun die Macht in Syrien übernommen haben, auf möglichst friedliche Art zu stabilisieren und ihnen mit dem IS nicht noch eine zusätzliche Front aufzubürden."

Milizen des "Islamischen Staats" im syrischen Hama, 2018
Milizen des "Islamischen Staats" im syrischen Hama, 2018Bild: ZUMAPRESS.com/picture alliance

Aus dem Irak nach Syrien 

Gegründet im Irak im Kontext der US-Intervention von 2003, hatte sich der "Islamische Staat" von 2012 an in den Wirren des Aufstands auch in Syrien ausgebreitet. Dort nannte sich die Organisation Jabhat al-Nusra oder Al-Nusra-Front ("Unterstützungsfront"). Kommandiert wurde sie von Abu Mohammed al-Dschulani - eben jenem Mann, der nun den Milizen der Haiat Tahrir al-Scham (HTS) vorsteht, deren Vorstoß nun zum Fall von Diktator Baschar al-Assad führte. Ideologisch entfernte sich Al-Dschulani in den folgenden Jahren immer mehr von dem irakischen IS. In den folgenden Jahren wurde die Rivalität zwischen den beiden Gruppen immer heftiger ausgetragen.

Angriffe auf Zivilisten

Die durch die Revolutionsjahre geschwächte syrische Armee konnte dem IS nicht viel entgegensetzen. Bei Kämpfen und Hinterhalten verloren viele Soldaten ihr Leben. Doch von 2015 an sah sich der "Islamische Staat" ebenso wie die Al-Nusra-Front immer stärkerem militärischen Druck seitens der USA ausgesetzt. Diese wurde zunehmende geschwächt. Im Jahr 2019 musste sie ihre Herrschaft weitestgehend aufgeben. Dennoch konnten sich einige so genannte "Kalifen", oberste militärische und geistliche Kommandanten des IS, halten. Doch gelang es den USA immer wieder, sie auszuschalten. Viele Mitglieder des IS wurden im Nordosten Syriens interniert. In den Lagern finden sich viele ihrer Mitglieder bis heute.

Dessen ungeachtet haben sich einige Zellen und Camps des IS bis heute erhalten, insbesondere in der Badia-Wüste im syrisch-irakischen Grenzgebiet. Immer wieder hätten die IS-Milizen kleinere Attacken ausgeführt, sagt Carsten Wieland. Die richteten sich insbesondere gegen die ländliche Zivilbevölkerung und besonders gegen Menschen, die nach dem dort wachsenden Trüffel suchten. "Dabei sind zum Teil mehrere Dutzende Menschen getötet worden." Andere Mitglieder fungieren als sogenannte Schläfer und warten auf mögliche Einsatzbefehle. Da der IS weitgehend dezentral organisiert ist, ist es kaum möglich, ihn endgültig zu zerschlagen. 

Basis der US-Streitkräfte im Nordosten Syriens. Im Bild zwei Soldaten bei Bradley-Kampffahrzeugen.
Basis der US-Streitkräfte im Nordosten SyriensBild: Darko Bandic/AP/picture alliance

Dschulani: glaubhafte Abgrenzung vom IS denkbar

Zwar gilt der IS als derzeit unfähig, sich weitflächig auszubreiten oder gar sein altes Herrschaftsgebiet wieder neu zu errichten. Aber nach dem Sturz Assads und der damit verbundenen politischen Veränderung in Syrien könnte er versuchen, seinen Einfluss zu vergrößern. Eben darum wird die für ihre Brutalität bekannte Gruppe derzeit so entschieden bekämpft.

Blick in das Lager al-Hol im Nordosten Syriens. Dort sind auch Angehörige von IS-Milizen untergebracht.
Das Lager al-Hol im Nordosten Syriens. Dort sind auch Angehörige von IS-Milizen untergebracht.Bild: Baderkhan Ahmad/AP/picture alliance

Dass Mohammed al-Dschulani sich von der IS-Ideologie tatsächlich losgesagt hat, sei durchaus denkbar, sagt Carsten Wieland. "Die Gruppe hat ja mit verschiedenen anderen lokalen Akteuren Absprachen und Vereinbarungen getroffen. Das lässt mich etwas auf eine konstruktive Entwicklung hoffen. Bemerkenswert ist ja auch, dass es keine großen Massaker und Rachefeldzüge gegeben hat. Unter der IS-Ideologie wäre es in den vergangenen Tagen vermutlich zu einer ganz anderen Entwicklung gekommen."

Islamistische Rebellen gegen Assad-Regime

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika