1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Irak und das Image der Unsicherheit

John Duerden
23. März 2022

Fußball ist die beliebteste Sportart im Irak. Die Fans freuten sich eigentlich auf das erste Heim-Länderspiel seit mehr als zehn Jahren, doch die Hoffnungen wurden kurzfristig enttäuscht.

https://p.dw.com/p/48vLS
AFC Asian Cup 2019 | Irak - Vietnam
Iraker - begeisterte Fußballfans, aber international als Gastgeber nicht zugelassen Bild: Liu jialiang/Imaginechina/imago

Der Irak hatte sich daran gewöhnt, dass er keine internationalen Fußballspiele im Rahmen von Wettbewerben ausrichten kann. Der iranisch-irakische Krieg in den 1980er-Jahren, der erste Golfkrieg, die von den USA angeführte Invasion im Jahr 2003 und die anschließende Instabilität führten dazu, dass der Weltfußballverband FIFA das Land anwies, seine Heimspiele in Drittländern wie Jordanien und Katar auszutragen.

Da sich die Sicherheitslage in den vergangenen Jahren jedoch verbessert hat, war die Freude groß, als der irakische Fußballverband im Februar bekannt gab: Der Weltverband habe grünes Licht für die Austragung des WM-Qualifikationsspiels gegen die Vereinigten Arabischen Emirate am 24. März in Bagdad gegeben. Das erste offizielle Spiel in der Hauptstadt seit 2001!

Irak | al-Madina International Stadion
Die Partie Irak gegen die Vereinigten Arabischen Emirate sollte eigentlich im Al-Madina-Stadion in Bagdad stattfindenBild: Ahmad Al Rubaye/AFP/Getty Images

Fünf Tage vor dem Anpfiff gab die FIFA jedoch bekannt, dass die Partie nach Riad in Saudi-Arabien verlegt werde. Der Sinneswandel erfolgte nach einem Raketenangriff auf die nordirakische Stadt Erbil am 14. März, der von den iranischen Revolutionsgarden gestartet wurde. Diese behaupteten, ein israelisches "strategisches Zentrum" anzugreifen.

Unterschiedliche Prioritäten

James Dorsey ist Experte für Fußballpolitik im Nahen Osten und Senior Fellow an der S. Rajaratnam School of International Studies an der Nanyang Technological University in Singapur. Und er ist der Ansicht, dass der Irak und die FIFA unterschiedliche Prioritäten haben. "Der Irak hat ein Interesse daran, aus sportlichen Gründen im eigenen Land zu spielen", so Dorsey. "Es geht aber auch darum, das internationale Image des Konflikts zu überwinden. Die Chance, für die WM-Qualifikation zu spielen, ist ein Indikator dafür."

Der Irak reagierte mit Bestürzung und teilweise auch mit Wut auf den Sinneswandel. Der Mittelfeldspieler Ahmed Yasin wird mit den Worten zitiert: "Im ganzen Land wird Fußball gespielt, ohne dass es irgendwelche Probleme gibt."

"Wie lange müssen wir noch warten?"

Irakische Fans protestierten während der Trainingseinheiten der Nationalmannschaft und starteten eine Social-Media-Kampagne mit dem Hashtag #FootballinBaghdad. Ein Offizieller des irakischen Fußballverbands teilte der DW mit, dass der Verband versucht habe, die FIFA davon zu überzeugen, den Wechsel des Austragungsortes rückgängig zu machen - jedoch ohne Erfolg.

VAE, Doha | Fans der Irakischen Fussballmanschaft im Spiel VAE - Irak
Die irakischen Spieler sind die Unterstützung aus dem eigenen Land gewohnt, etwa hier in Doha 2019.Bild: yangyuanyong/Xinhua/imago images

Dorsey kann die Positionen beider Seiten nachvollziehen. "Der Irak ist ein Land, in dem es unwahrscheinlich ist, dass etwas passiert - aber es ist ein Land, in dem Raketen abgefeuert werden. Das wäre kein Grund zur Sorge, wenn man zum Beispiel nach Paris fahren würde", sagte er der DW. "Die FIFA mag übervorsichtig sein, aber es ist schwer, das zu beanstanden."

Sportliche Gründe

Abgesehen von einem Qualifikationsspiel in der nordirakischen Stadt Erbil gegen Jordanien im Jahr 2011 und in der Hafenstadt Basra im Süden des Landes gegen Hongkong im Jahr 2019 sind die irakischen Versuche, sich wieder für eine Weltmeisterschaft seit der ersten Teilnahme im Jahr 1986 zu qualifizieren, daran gescheitert, dass sie eben nicht zu Hause spielen konnten.

Im Juli 2021 berief der Verband vor der letzten Qualifikationsrunde Dick Advocaat zum Nationaltrainer des Irak. Der ehemalige Bondscoach der Niederlande glaubt, dass die Heimspiele in Katar ein großer Nachteil sind, vor allem wenn man gegen die besten Mannschaften des Kontinents antritt.

"Jeder weiß, dass man zu Hause gute Leistungen bringen muss, um sich für eine Weltmeisterschaft zu qualifizieren. Aber für den Irak ist es schwierig, das zu erreichen", sagte Advocaat der DW. "Mannschaften wie Südkorea und Iran haben in Seoul und Teheran riesige Zuschauermengen hinter sich, und das macht einen großen Unterschied. Wenn der Irak das auch in Bagdad hätte, wäre er eine starke Mannschaft, denn er hat einige talentierte Spieler."

In der Qualifikation landete der Irak weit hinter dem Iran und Südkorea und holte aus den ersten acht Spielen nur fünf Punkte. Hätte die Mannschaft vor 30.000 begeisterten Fans in Bagdad spielen können, hätten aus einem oder zwei dieser fünf Unentschieden Siege werden können. Und damit hätte die Mannschaft eine viel größere Chance gehabt, den dritten Platz in der Gruppe zu erreichen und damit an den Playoffs zur Weltmeisterschaft teilzunehmen.

Ein neuer Start

Offizielle, Fans und Spieler im Irak betonen, dass alles in Ordnung sei. Ein Spieler, der anonym bleiben möchte, sagte der DW: "Wir alle wissen um die Situation in der Vergangenheit" - aber die FIFA halte immer noch daran fest.

FIFA Arab Cup 2021 in Katar | Katar - Irak
Iraks Heimspiele auswärts ausgetragen - wie hier in KatarBild: Laci Perenyi/imago images

Der Spieler vergleicht die jüngsten Angriffe in Erbil, bei denen Berichten zufolge ein Zivilist verletzt wurde, aber keine Todesopfer zu beklagen waren, mit den Raketenangriffen auf Abu Dhabi im Januar. Drei Menschen wurden dabei getötet. "Die Vereinigten Arabischen Emirate spielen immer noch zu Hause, und es gibt nicht einmal eine Debatte darüber."

Am 18. März besiegte der Irak Sambia in einem Freundschaftsspiel in Bagdad vor einem begeisterten Publikum mit 3:1. Sambias Trainer Aljosa Asanovic zollte den Gastgebern Anerkennung. "Wir haben perfekte Bedingungen vorgefunden, und in den Straßen der Hauptstadt herrschen Sicherheit und Frieden. Der Irak verdient es, in seinen eigenen Stadien zu spielen".

Freundschaftsspiele hat es im Irak schon früher gegeben. Wie die Entscheidung der FIFA gezeigt hat, ist die Austragung offizieller Wettbewerbsspiele aber eine andere Sache. Im Irak hofft man, dass der Beginn einer neuen Ära nicht mehr weit entfernt ist. Doch das liegt nicht in der Hand der Iraker, wie Dorsey betont: "Es wird so lange dauern, wie es dauert."

Dieser Text wurde von Marko Langer aus dem Englischen adaptiert.