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Der Herr der Miniwälder

Enrique Gili31. Mai 2016

Während Städte unentwegt wachsen, schrumpfen die Wälder des Planeten weiter. Eine Lösung: Man bringt die Wälder in die Städte. Unmöglich? Nicht wenn sich Ingenieur Shuhendu Sharma drum kümmert.

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Afforestt Gründer Shubhendu Sharma
Afforestt-Gründer Shubhendu Sharma bei der ArbeitBild: Afforestt

Shubhendu Sharma war 22 Jahre alt und stand am Anfang einer vielversprechenden Karriere als Ingenieur bei Toyota. Doch die Begegnung mit ein paar Baumsetzlingen und einem angesehenen Botaniker brachten ihn dazu, seine Werkzeuge - und seine Berufung - zu wechseln.

Akira Miyawaki war gekommen, um in der Nähe des Autowerks im indischen Bangalore einen Wald zu pflanzen, und Sharma erklärte sich bereit, dabei zu helfen. Sharma erkannte: Stadtmenschen brauchen Bäume. Mehr noch eröffnete diese Erfahrung ihm aber einen neuen Lebensweg.

"Es inspirierte mich dazu, die Försterei zu meinem Beruf zu machen, und dann richtig loszulegen", sagt Sharma.

Er begann mit einem kleinen Stück Land in seinem Hinterhof - und innerhalb von zwei Jahren hatte er dort einen dichten Bestand Schatten spendender Bäume stehen.

Seitdem hat er kleine Flächen im Betondschungel von Bangalore in Miniwälder mit heimischen Bäumen und Pflanzen verwandelt. Und Afforestt gegründet, ein kleines Unternehmen, das im Auftrag von anderen, kleine Wälder 'baut'. Die Firma ist mittlerweile fünf Jahre alt, beschäftigt sechs Mitarbeiter und arbeitet mit Gruppen von Freiwilligen, die bereit sind, in der drückenden Hitze Bäume zu pflanzen. Aber helfende Hände kann es nicht genug geben.

"Die Herausforderung ist, die richtigen Leute zu finden, weil es wirklich harte Arbeit ist", sagt Sharma.

Arbeit gibt es im Überfluss. Pro Minute verschwindet auf unserem Planeten eine Waldfläche, so groß wie 36 Fußballfelder, betont Sharma.

Mehrere Menschen pflanzen Bäume
Viele Hände erleichtern die Arbeit. Aber es gibt viel zu tunBild: Public Domain:

Und in den Städten, die auch in den kommenden Jahrzehnten weiter wachsen werden, wird der Druck, freies Land zu bebauen, nicht nachlassen. Und das, obwohl Bäume viel ökologischen Nutzen stiften: Sie spenden Schatten, der die Stadtflächen abkühlt, sie absorbieren Regenwasser, beugen Überflutungen vor und frischen das Grundwasser auf.

Wie grün sollen unsere Städte sein?

Divya Gopal, eine Landschaftsökologin in Berlin, äußert sich darüber zurückhaltender: "Die Stadt ist die Stadt. Wir können nicht erwarten, dass sie so grün oder so umweltfreundlich ist, wie wir sie gerne hätten", sagt sie. Sind die Bäume erst einmal im Boden, blieben sie sich selbst überlassen. "Nach der ersten Euphorie ist das Interesse an Bäumen dann schnell weg."

Und die Setzlinge sind den Umwelteinflüssen - Verschmutzung oder Trockenheit - schutzlos ausgeliefert. Wenn da nicht Sharma und sein Team wären.
Während ein Wald typischerweise bis zu hundert Jahre braucht, um zu voller Höhe zu wachsen, behauptet der Gründer von Afforestt, dass Bäume mit seinem Ansatz auf kleinen Flächen schon nach zwei bis drei Jahren bis zu zehn Meter hoch wachsen können. Und das ist nicht alles, wie er 2014 bei einem TED-Vortrag in Vancouver erläuterte. Seine Methode hilft auch bodennahe Verschmutzung zu verringern und CO2 aus der Luft mit einer Rate einzulagern, die 30 Mal höher ist als bei konventionellen Wäldern.

Aber die Bäume werden nicht nur schneller groß. Sharma wendet auch das Wissen an, dass er einst in den Fabrikhallen erworben hat, um den Prozess des Pflanzens der Bäume zu standardisieren. Jetzt braucht es nur noch acht Tage, bis ein ganzer Miniwald gepflanzt ist.

Ein Vorher-Nachher-Vergleich, der das schnelle Wachstum in nur fünf Monaten illustriert
Was in fünf Monaten alles passieren kannBild: Afforestt

"Wir versetzen unsere Kunden in die Lage, mit unserer Methode selber Wälder anzulegen", sagt Sharma, der entsprechende Beratung anbietet - sowohl vor Ort, als auch online. Die Afforestt-Wälder sind im Schnitt nur 100 Quadratmeter groß - tennisplatzgroße grüne Inseln, die Schatten spenden und ein Zuhause für heimische Arten bieten. Die kleine Firma hat schon 75 Mikrowälder in 25 Städten auf der ganzen Welt gebaut.

Ein Baum auf dem Bürgersteig
Tatsache ist, dass Bäume in der Stadt einen wichtigen Zweck erfüllenBild: Public Domain

Natürliche Lösung für ein menschengemachtes Problem

Sharmas Stadtbewaldungsprozess, der überdies in allen seinen einzelnen Komponenten vollständig natürlich ist, ist im Grunde recht einfach. Es beginnt mit einem Graben, ca. 20 bis 30 cm tief, wo Mutterboden mit vorhandenem organischen Material gemischt wird - Dung, Bagasse oder Kokosnussschalen - um Kompost für die Setzlinge zu machen.

Dieser energiegeladene Dreck bietet genau die Nährstoffe, die das Wachstum der Bäume beschleunigen, und schafft das Mikrohabitat, in dem sie ideal Wasser und Nährstoffe aufnehmen können. Das wiederum macht die kleinen Bäume resistenter gegenüber Krankheiten oder Dürre.

Und weil Sharma so viele grüne Waldoasen wie möglich in unseren Städten sehen möchte, postet er jedes seiner Projekte online, zusammen mit detaillierten Anleitungen und den Erfahrungen seiner Kunden.

Bis jetzt ist sein Vorstoß in die Welt der Bäume ein großer Erfolg - wenn man die Bewaldung von Städten zum Maßstab nimmt. Es unterstreicht auch die schiere Energie, die die Natur selbst in der Lage ist aufzubringen: Auch wenn komplexe Technologien ihren Platz im Kampf gegen den Klimawandel haben - auch ökologische Grundprinzipien können mit Erfolg auf fundamentale Probleme angewendet werden.

"Das Pflanzen von Bäumen kann helfen, viele Probleme zu lösen. Wir müssen Bäume in den Städten pflanzen - und sie wachsen lassen", sagt Sharma.