Ende der Eiszeit?
28. Mai 2007Historisch gesehen sind direkte Gespräche zwischen den Erzfeinden kein Novum. Aber zweifelsohne ist das direkte Gespräch zwischen dem "großen Satan" USA und der "Achse des Bösen" Iran etwas Neues, ein Ereignis mit nachhaltigen Konsequenzen. Seit der Islamischen Revolution herrscht ein Kalter Krieg zwischen den beiden verfeindeten Ländern. Seitdem herrscht die Ära der rhetorischen Angriffe, Drohungen und wilden Anschuldigungen. Und jetzt soll alles vorbei sein? Ist das der Beginn einer neuen Ära, der Ära der Entspannung?
Die Antwort ist eindeutig: Nein. Es ist nicht leicht, im Gesicht des Satans die göttlichen Spuren wieder zu erkennen. Es ist auch nicht leicht, die Bösen mit einem Schlag heilig zu sprechen. 28 Jahre lang war im Iran die direkte Verhandlung mit dem "großen Satan" ein Tabu. Selbstverständlich kann nach der Verhandlung keiner kommen und sagen, die Vertreter des Gottesstaates haben mit dem "großen Satan" konstruktiv verhandelt. Die Amerikaner können auch nicht behaupten, dass sie in der Zusammenarbeit mit der "Achse des Bösen" Fortschritte erzielt haben.
Weg mit den alten Beziehungen
Das direkte Gespräch mit "Satan" bringt den göttlichen Charakter des Reiches der Ayatollahs in Gefahr. Und die Begegnung mit dem Bösen bringt die strategisch wichtige Grenze zwischen dem Guten und Bösen durcheinander. Also weg mit den alten Bezeichnungen. Das ist die erste Konsequenz dieses geplanten Gesprächs.
Nun ist Enttabuisierung angesagt. Jetzt ist Überzeugungsarbeit in den jeweiligen Ländern gefragt. Aber in der Politik gibt es keine Undo-Taste. Das Geschehen kann man nicht so einfach ungeschehen machen. Die konservative Regierung um den Präsidenten Ahmadinedschad hat es wirklich schwer. Der Begriff "großer Satan" ist nicht nur ein Bestandteil der Propaganda-Maschinerie der Ayatollahs, sondern auch Teil einer Ideologie, die die Außenpolitik der iranischen Regierung in den letzten 28 Jahren ausgeprägt hat.
"Tanz mit den Wölfen"
Nun gibt es Proteste und Demonstrationen. Man redet sogar vom Verrat an Prinzipien und Werten der Islamischen Revolution. Die Ultra-Konservativen wie Hussein Shariatmadari, Chefredakteur der konservativen Zeitung "Keyhan" haben das direkte Gespräch als "Tanz mit den Wölfen" bezeichnet. Ein gefährlicher Tanz, der dem Prestige und Ansehen Irans in der islamischen Welt letztendlich schaden werde.
In den USA sind auch nicht alle von der Notwendigkeit eines direkten Gespräches überzeugt. Die Neokonservativen wie Richard Perl bezweifeln, dass Teheran und Washington bezüglich der Stabilität Iraks gemeinsame Interessen haben. Die amerikanische Regierung hat dem Iran wiederholt vorgeworfen, die schiitischen Aufständischen im Irak militärisch und finanziell unterstützt zu haben.
Viele mögliche Themen
Bei den Gesprächen soll es ausschließlich um den Irak gehen - um die Stabilisierung der irakischen Regierung und um die Linderung des Leidens der Iraker. Vielleicht, wenn die Vertreter der irakischen Regierung den Raum verlassen haben, könnte man auch über andere wichtige Konflikte und Streitpunkte reden: Zum Beispiel über das iranische Atomprogramm, über die alten und neuen UN-Sanktionen, die iranischen Gelder, die seit der islamischen Revolution von den Amerikanern eingefroren sind, aber auch über Rivalitäten im Nahen Osten, versteckte Kämpfe um regionale Einflüsse und die finanzielle und militärische Unterstützung der Islamisten in der Region, alles unter dem Stichwort: Islamisierung der Politik statt Säkularisierung.
Jenseits von Gut und Böse ist das Gespräch zwischen dem "großen Satan" USA und der "Achse des Bösen" Iran etwas Besonderes. Denn das Gespräch selbst ist wesentlich wichtiger als das Gesprächsthema. Das ist der erste Schritt zur Enttabuisierung der direkten Verhandlungen zwischen den Erzfeinden.
Um den Enttabuisierungsprozess dann zu beschleunigen ist eines wichtig: Wiederholung. Denn Wiederholung - in diesem Fall der bilateralen Gespräche - ist das einzige wirksame Mittel für die Aufhebung jener Tabus, die nicht mehr zeitgemäß sind.