Der Fall Kavala: Europarat will Türkei sanktionieren
3. Februar 2022Das Ministerkomitee des Europarats beauftragte den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte mit einer erneuten Prüfung des Falls, wie die Straßburger Organisation mitteilte. Das ist ein nötiger Zwischenschritt vor eventuellen Strafmaßnahmen. Im Ministerkomitee sitzen Vertreter der 47 Mitgliedstaaten.
Erdogan fordert Respekt
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan kritisierte die Entscheidung scharf: "Was der Menschenrechtsgerichtshof, was der Europarat auch sagt, es interessiert uns nicht. Wir erwarten, dass unseren Gerichten Respekt entgegengebracht wird."
Der Europarat mit Sitz im französischen Straßburg setzt sich gemeinsam mit seinem Gerichtshof für die Wahrung der Menschenrechte in seinen 47 Mitgliedstaaten ein. In einem historisch fast einmaligen Schritt hatte er im Dezember 2021 gegen die Türkei ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Hintergrund ist die fortgesetzte Weigerung Ankaras, den seit vier Jahren inhaftierten Kavala freizulassen. Dem 64-Jährigen werden in einem Prozess in Istanbul ein Umsturzversuch im Zusammenhang mit den Gezi-Protesten und "politische und militärische Spionage" im Zusammenhang mit dem Putschversuch von 2016 vorgeworfen. Kavala weist die Vorwürfe strikt zurück.
Sanktionen gegen Türkei sind möglich
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte schon vor rund zwei Jahren die Freilassung des Menschenrechtsaktivisten angeordnet und die Haft als politisch motiviert eingestuft. Als Mitgliedsland des Europarats ist die Türkei verpflichtet, sich an Urteile des Gerichts zu halten. Sollte der EGMR nun zu dem Schluss kommen, dass die Türkei sein Kavala-Urteil nicht umgesetzt hat, müsste das Ministerkomitee über weitere Schritte oder Sanktionen entscheiden - welche das wären, ist jedoch nicht festgeschrieben.
Ein Ausschluss gilt dabei als schärfste Waffe, aber als eher unwahrscheinlich. In einer Mitteilung vom Mittwoch hatte das türkische Außenministerium dem Ministerkomitee bereits vorgeworfen, voreingenommen zu sein und sich in unabhängige Gerichtsprozesse in der Türkei einzumischen. Dass der Fall Kavala weiter auf der Tagesordnung stehe, sei "weit entfernt von gutem Willen", hieß es.
2017 bereits Verfahren gegen Aserbaidschan
Es ist erst das zweite Mal in der Geschichte des Europarats, dass ein Vertragsverletzungsverfahren gegen einen Mitgliedstaat eingeleitet wurde. 2017 hatte der Europarat ein solches Verfahren gegen Aserbaidschan wegen der Inhaftierung des Oppositionellen Ilgar Mammadow auf den Weg gebracht.
nob/fab (dpa, afp)