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"Giant" Taiwan

Klaus Bardenhagen16. November 2012

Räder von "Giant" rollen überall auf deutschen Straßen. Doch nur wenige wissen, dass die Firma aus Taiwan kommt. Den Weg vom Billig-Produzenten zum Markenhersteller gehen dort nun viele Firmen.

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Die Firma Giant entwickelt neue Rahmenformen und Bauweisen DW (c) Klaus Bardenhagen, taiwanreporter.de
Taiwan Firma GiantBild: DW/Klaus Bardenhagen

Wenn Deutsche sich auf den Sattel schwingen, in die Pedale treten und dafür auch noch viel Geld ausgeben, freut sich Antony Lo. "Deutschland ist unser wichtigster Markt in Europa", sagt der Geschäftsführer des Fahrrad-Herstellers Giant in der Firmenzentrale im zentraltaiwanesischen Taichung. "Sporträder, Mountain Bikes, Straßenräder – der deutsche Markt ist besonders vielfältig."

Besonders freut Lo sich darüber, dass die Deutschen Geschmack an e-Bikes gefunden haben, die den Radler per Elektromotor unterstützen. "Früher haben Deutsche vielleicht 500 Euro für ein Trecking-Rad ausgegeben. Heute sind es 2000 Euro und mehr für ein e-Bike." Daran verdient seine Firma gut. Dass die Premium-Marke "Giant" aus Taiwan kommt, ist wohl den wenigsten Käufern bewusst.

High Tech statt Billigware

Das Label "Made in Taiwan" stand im Westen einst für billige Massenware. Mit Plastikspielzeug, Regenschirmen und Textilien startete die Industrie in den siebziger Jahren das Wirtschaftswunder des Inselstaates. Heute produziert Taiwan vor allem High Tech-Produkte. Unternehmen wie Asus, Acer und HTC haben sich als Marken etabliert. Und auch Giant hat sich in den vergangenen 40 Jahren neu erfunden.

1972 gegründet, war das Unternehmen zunächst ein klassischer Auftragsproduzent. In den Achtzigern etablierte Giant den eigenen Markennamen und investierte in die damals noch sehr teure Kohlenstoff-Faser-Technik, die besonders leichte Rahmen ermöglicht. Heute produziert Giant nach eigenen Angaben mehr als fünf Millionen Fahrräder jährlich und liegt mit mehr als 1,5 Mrd. US-Dollar Umsatz weltweit an der Branchenspitze.

Montagestrecke in der Giant-Fabrik in Taichung/Taiwan (DW/ Klaus Bardenhagen)
Montage in der Giant-Fabrik in der Millionenstadt Taichung in ZentraltaiwanBild: DW/Klaus Bardenhagen

Seit der Eröffnung eines Werkes in der südchinesichen Stadt Kunshan 1992 produziert Giant auch in der Volksrepublik China. Aber anders als viele taiwanesische Unternehmen hat Giant nicht seine komplette Fertigung aufs Festland verlagert. In Taiwans Millionenstadt Taichung stellen 2000 Arbeiter Kohlenstoff-Faser-Teile her und montieren besonders hochwertige Räder. Speziell für den europäischen Markt produziert Giant in seinem niederländischen Werk mit etwa 500 Mitarbeitern.

Das Wettrennen um den günstigsten Preis mache man nicht mit, sagt Antony Lo. "Wir produzieren nichts Billiges, sondern Premiumqualität zu erschwinglichen Preisen. Unsere Kunden erwarten Qualität, keine Billigware." Etwa die Hälfte des Umsatzes kommt aus Europa und den USA - Regionen, in denen kaufkräftige Kunden das Fahrrad als Sportgerät entdecken. "Früher galten Fahrräder als billiges Spielzeug", sagt Lo. "Heute erkennen immer mehr Menschen, dass sie damit etwas für ihre Gesundheit tun können."

Sport und Freizeitaktivität

Dieser Trend hat in den vergangenen fünf Jahren auch asiatische Märkte wie Südkorea und Taiwan erreicht. Bei Taiwans Pendlern hat sich das Rad zwar noch nicht durchgesetzt. Doch viele Großstädter, die per Motorroller oder Auto zur Arbeit fahren, schwingen sich am Wochenende in voller Profi-Montur auf den Sattel und erkunden die Berge rund um Taipeh oder Taichung.

Orange Leihräder an der Straße in Taipeh (DW/ Klaus Bardenhagen)
Das Leihrad-System in Taipeh wird mittlerweile gut angenommenBild: DW/Klaus Bardenhagen

Auf seinem Heimatmarkt tut Giant einiges, um die Lust am Radeln zu fördern. An Taiwans besonders reizvoller Ostküste betreibt das Unternehmen einen eigenen Verleih und im Süden ein Fahrradhotel. Wer die Insel komplett umrunden will, kann neuntägige Touren inklusive Ausrüstung und Rundumbetreuung buchen. Und damit Fahrräder auch in der Stadt an Akzeptanz gewinnen, betreibt Giant in Taipeh im Auftrag der Stadtverwaltung ein Netzwerk mit bislang 41 vollautomatischen Leihstationen. Seit die erste halbe Stunde gratis ist, kommt das System so gut an, dass es bald viermal so viele sein sollen.

"Von Grund auf neu konstruiert"

Um im weltweiten Wettbewerb die Richtung vorzugeben, betreibe sein Unternehmen auch Grundlagenforschung, erzählt Antony Lo. "Wir erstellen viele Studien gemeinsam mit Ärzten und Hochschulen. Fahrräder gibt es schon so lange, dass vieles als selbstverständlich gilt. Wir konstruieren nun alles von Grund auf neu, damit Radfahren noch gesünder wird und man auch nach 50 Jahren keine Rücken- oder Knieprobleme hat."

Antony Lo, Geschäftsführer von Giant im Portrait (Foto: DW/Klaus Bardenhagen)
Antony Lo, Geschäftsführer von Giant, will nicht billig produzierenBild: DW/Klaus Bardenhagen

Im März eröffnet Giant in Düsseldorf seine erste deutsche Fahrradhandlung unter dem eigenen Namen. Dort wird es auch eine eigene Produktreihe mit Rädern speziell für Frauen geben. "Früher waren Damenräder einfach nur ein bisschen kleiner", erklärt Lo. "Dabei ist der Körperbau von Frauen ganz anders. Vor ein paar Jahren haben wir weibliche Ingenieure und Designer darauf angesetzt, und nun verkaufen wir Hochleistungsräder von Frauen für Frauen." Lo hofft, dass seine Räder "Made in Taiwan" so künftig noch häufiger auf deutschen Radwegen unterwegs sein werden.