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Mail aus... Belgien

25. Juni 2009

In der Rubrik "Mail aus..." berichten unsere Korrespondenten über Geschichten und ganz persönliche Beobachtungen aus ihrem Alltag. Diese Woche schreibt Christoph Hasselbach über belgische Eigenheiten.

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"Männeken Pis" in Brüssel: Sinnbild der belgischen Anarchie?Bild: picture-alliance / dpa

Immer wieder werde ich seit meinem Umzug nach Brüssel gefragt, wie die Belgier eigentlich so sind. Als spontane Antwort fällt mir dann ein, dass es eigentlich gar keine Belgier gibt, sondern nur noch Flamen, Wallonen, Deutschsprachige und andere Teilbelgier. Aber es gibt schon Eigenschaften, die, so glaube ich, gesamtbelgisch sind, und andere, die entschieden unbelgisch sind.

Aufgefallen ist mir das kürzlich bei einer sonntäglichen Autofahrt von Brüssel nach Den Haag, wo wir Freunde besuchten. Vielleicht ist der Vergleich zwischen den Niederlanden und Belgien auch deshalb aufschlussreich, weil die beiden kleinen Nachbarländer mal einen gemeinsamen Staat gebildet haben. Und obwohl man in den Niederlanden und im nördlichen Teil Belgiens sogar dieselbe Sprache spricht, haben es beide nicht zusammen ausgehalten. Warum eigentlich nicht?

Regeln sind dazu da, ignoriert zu werden

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Brüssel-Korrespondent Christoph HasselbachBild: DW

Aber zurück zur Autofahrt: Bis unmittelbar an die Grenze nördlich von Antwerpen ist die Autobahn schlecht, die Autofahrer fahren trotzdem wie die Wahnsinnigen. Auf der niederländischen Seite ist alles tipptopp ausgebaut, aus unerfindlichen Gründen darf man aber nur 70 Stundenkilometer fahren, und die Autofahrer halten sich sogar daran, offenbar weil die Polizei scharf kontrolliert. In Den Haag selbst wurden an einem Sonntag fürs Parken am Straßenrand pauschal zehn Euro verlangt, in Brüssel stellt sich jeder hin, wie es ihm gerade passt, und meist passiert trotzdem nichts.

Auf eine Formel gebracht: Für die Belgier sind Regeln dazu da, ignoriert zu werden. Das Leben funktioniert aber trotzdem. Die Leute in der Straßenbahn bieten einem bereitwillig den Platz an, wenn man ein kleines Kind dabeihat – weil sie helfen wollen, nicht weil sie von einem Schild dazu aufgefordert werden. Wir wurden mal bei einem Straßenfest zu einem Hauskonzert in die Wohnung eines nicht unmittelbaren Nachbarn eingeladen, ohne dass der Mann uns kannte. Man lebt und lässt leben, ist warmherzig und hilfsbereit, aber lehnt jede Bevormundung und eben klare Regeln ab.

Hierarchien sind dem Belgier fremd

Historiker sagen, das leicht Anarchische der Belgier komme durch die lange Unterdrückung durch Römer, Spanier, Österreicher, Franzosen, Niederländer, Deutsche - um nur einige zu nennen. Diese Geschichte habe ein Volk hervorgebracht, dem Hierarchien und Macht zuwider seien.

Vielleicht das schönste Beispiel für belgische Hierarchielosigkeit haben wir im Kindergarten erlebt. Im selben Gebäude ist auch die Schule untergebracht, und gegenüber dem Kindergartenraum unseres jüngeren Sohnes hat der Schulleiter sein Büro. Unserem Vierjährigen war in der Pause ein Malheurchen passiert: Es war was in die Hose gegangen. Aber beim Abholen hatte er eine trockene Hose an. Wer hatte ihm die Sachen gewechselt? Der Schulleiter hat es getan. Er hat gesehen, was los war, und ohne viele Umstände geholfen, einfach so. Er hat die Sache noch nicht mal erwähnt, eine Erzieherin hat es uns erzählt.

Autor: Christoph Hasselbach
Redaktion: Sandra Voglreiter