Der Amazonasfonds - Vorbild für globalen Klimaschutz?
29. November 2023Geld, Geld und nochmals Geld: Bei der UN-Klimakonferenz in Dubai vom 30. November bis 12. Dezember (COP 28) geht es darum, wie und von wem die Anpassung an den Klimawandel und die Verlangsamung der Erderwärmung finanziert werden sollen.
Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva spricht im Vorfeld der Konferenz offen aus, was viele Entwicklungs- und Schwellenländer fordern: "Die Industrieländer müssen zahlen!"
Das neue Selbstbewusstsein kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die Welt auf Brasilien schaut. Denn nach vier Jahren politischer Geisterfahrt unter Ex-Präsident Jair Bolsonaro (2019-2022) will das Land erklärtermaßen seinen verlorenen Platz als Vorreiter beim Klimaschutz zurückerobern.
Nicht nur für den Amazonas
Auf der COP28 will Brasilien nun mit einem eigenen Instrument beeindrucken: dem Amazonasfonds. Bereits vor 15 Jahren, am 1. August 2008, wurde der von Norwegen (90 Prozent) und Deutschland (10 Prozent) finanzierte Fonds gegründet und seit dem Amtsantritt Lulas wiederbelebt.
Das Besondere am Amazonasfonds ist, dass auch Klimaschutzprojekte außerhalb Brasiliens gefördert werden. Dazu gehört zum Beispiel die finanzielle und technische Unterstützung für eine gemeinsame Satellitenüberwachung des Regenwaldes in den acht Amazonas-Anrainerstaaten (Brasilien, Bolivien, Kolumbien, Ecuador, Peru, Venezuela, Guyana und Surinam).
Außerhalb Lateinamerikas werden auch Schutzmaßnahmen für Regenwälder am Mekong, in Kongo-Brazzaville und der Demokratischen Republik Kongo sowie auf Borneo finanziert. "Eine Süd-Süd-Kooperation ist möglich und war von Anfang an vorgesehen", sagt Nabil Moura Kadri von der brasilianischen Entwicklungsbank BNDES, die den Fonds verwaltet.
Erst Leistung, dann Geld
Die Gelder aus dem Fonds sind Zuschüsse, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Derzeit verfügt der Fonds nach eigenen Angaben über ein Kapital in Höhe von 1,2 Milliarden US-Dollar. Mit den neuen Zusagen von Deutschland, Großbritannien, Dänemark, der Schweiz, den USA und der Europäischen Union könnten sich diese Mittel verdoppeln.
Auch der Fördermechanismus unterscheidet sich von anderen bedeutenden Finanzierungsinstrumenten wie der Global Environment Facility(GEF) oder dem Grünen Klimafonds (GCF). Denn bevor Mittel aus dem Amazonasfonds fließen, müssen erst die mit den Gebern vereinbarten Ziele erreicht sein.
Mit anderen Worten: Brasilien muss nachweisen, dass die Entwaldungsraten sinken, um Mittel abrufen zu können. Die Methode funktioniert: Zwischen 2008 und 2020 sank die Entwaldung im Amazonasraum laut dem brasilianischen Institut für Weltraumforschung (INPE) von rund 13.000 auf 4500 Quadratkilometer im Jahr.
Unter brasilianischer Aufsicht
2021 erreichte die Zerstörung des Regenwaldes wieder die 13.000 Quadratkilometer-Marke. Seit dem Amtsantritt von Lula im Januar zeichnet sich wieder ein positiver Trend ab. Laut INPE sank die Zerstörung zwischen August 2022 und Juli 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 11.500 Quadratkilometern auf 9000 Quadratkilometer.
Eine weitere Besonderheit ist auch die nationale Autonomie des Fonds. Wie die Mittel eingesetzt werden, bestimmt Brasilien selbst. Anders als bei den internationalen Finanzierungsmechanismen, bei denen Weltbank und UN-Organisationen an der Umsetzung beteiligt sind, vereinfacht dies die Genehmigung von Projektanträgen.
"Der Fonds wird komplett von Brasilien verwaltet, von der Projektauswahl bis zur Mittelvergabe", sagte Fondschef Kadri der DW. "Die Geber sind nicht Teil des Organisationskomitees des Fonds, das über die Auswahl von Projekten entscheidet."
Zivilgesellschaft entscheidet mit
Auch Nichtregierungsorganisationen sehen den Fonds als flexibles und effizientes Instrument. Im Organisationskomitee ist die Zivilgesellschaft neben Vertretern der brasilianischen Bundesstaaten und der Bundesministerien vertreten.
"Der Amazonasfonds ist für Brasilien das wichtigste Instrument, um internationale Zuwendungen zu akquirieren", betont Marcio Astrini, Direktor des Klimaobservatoriums (Observatório do Clima). In dem Dachverband haben sich rund 90 brasilianische Nichtregierungsorganisationen zusammengeschlossen.
Billionen für fossile Energien
Doch trotz der erfolgreichen Einwerbung internationaler Gelder für Klimaschutzprojekte am Amazonas und in anderen Regenwaldregionen werden fossile Energieträger weiter wesentlich stärker gefördert als erneuerbare Energien. Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) beliefen sich die Subventionen dafür im vergangenen Jahr auf einen Rekordwert von sieben Billionen US-Dollar.
Dagegen wirken die geplanten jährlich 100 Milliarden Dollar für den Grünen Klimafonds geradezu bescheiden. Nach GCF-Angaben ist der Fonds allerdings noch weit davon entfernt, seine eigenen Ziele zu erfüllen. Das Portfolio umfasste Ende Oktober insgesamt 13,5 Milliarden US-Dollar an Finanzierung für 243 Projekte weltweit.
"Selbst wenn die geplante Finanzierung in diesem Jahr erstmals 100 Milliarden US-Dollar erreichen sollte, ist dies noch zu wenig", machte Brasiliens Umweltministerin Marina Silva im DW-Interview deutlich. "Die Investitionen, um die Erderwärmung zu begrenzen, sind unzureichend, und die Industrieländer haben ihre Versprechen nicht eingehalten."
Brasilien will auf der bevorstehenden Klimakonferenz zeigen, dass es auch anders geht. "Wir wollen in Dubai erfolgreiche Wiederaufforstungsprojekte und eine ökologische und produktive Nutzung von Regenwäldern vorführen", kündigte Amazonasfonds-Chef Kadri an. "Wir betreuen mittlerweile 102 Projekte."