1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Demonstrationen gegen Mubarak gehen weiter

8. Februar 2011

Ungeachtet des Dialogs zwischen Regierung und Opposition in Ägypten gehen die Proteste gegen Präsident Mubarak weiter. Er kündigte Gehaltserhöhungen an. Die Opposition rief dennoch zu einer neuen Großkundgebung auf.

https://p.dw.com/p/10Ccp
Drei Ägypter mit weit aufgerissenen Mündern (Foto: dpa)
Sie wollen nicht schweigen: Demonstranten forderten erneut den Rücktritt MubaraksBild: picture alliance / dpa

Nach zwei Protestwochen machten die Demonstranten auch am Montagabend (07.02.2011) keine Anstalten, den Tahrir-Platz in Kairo zu räumen. Tausende verharrten dort und verlangten Mubaraks sofortigen Rücktritt. Sie schienen unbeeindruckt von den ersten Gesprächen, die Vizepräsident Omar Suleiman am Sonntag mit der Muslim-Bruderschaft und weiteren Oppositionsgruppen geführt hatte. Die Mubarak-Gegner riefen für diesen Dienstag zu weiteren Massenprotesten gegen den seit drei Jahrzehnten autokratisch regierenden Präsidenten auf.

Der 82-jährige Staatschef ordnete am Montag die Bildung einer Kommission an, die die "schreckliche und unakzeptable" Gewalt gegen Demonstranten am vergangenen Mittwoch auf dem Tahrir-Platz untersuchen soll. Die Kommission solle "transparent, unabhängig und unparteiisch" sein, meldet die amtliche Nachrichtenagentur Mena. Sie solle aus Persönlichkeiten bestehen, die für ihre Glaubwürdigkeit bekannt seien. Mubarak teile das Leid der Familien der Opfer und übermittele ihnen seine Anteilnahme, hieß es in der Meldung. Nach amtlichen Angaben waren bei den Zusammenstößen zwischen Mubarak-Anhängern und -Gegnern elf Menschen getötet und etwa 1.000 verletzt worden.

Regierung verspricht mehr Geld

Mubarak sitzt mit mehreren Mitgliedern der Regierung an einem großen ovalen Tisch (Foto: dpa)
Mubarak (M.) traf sich am Montag mit mehreren Mitgliedern der RegierungBild: picture alliance / dpa

Mubarak macht aber weiterhin keine Anstalten, sein Amt vor der Präsidentenwahl im September zu räumen. Offensichtlich um die Lage im Land weiter zu beruhigen, beschloss die von ihm eingesetzte neue Regierung am Montag, die Gehälter der sechs Millionen Staatsdiener um 15 Prozent anzuheben. Staatliche Medien meldeten, die Regierung von Ministerpräsident Ahmed Schafik habe nach einer Kabinettssitzung einen entsprechenden Gesetzentwurf an das Parlament weitergeleitet. Demnach sollen für die Gehaltserhöhungen rund 6,5 Milliarden ägyptische Pfund (gut 700 Millionen Euro) bereitgestellt werden. Mubarak hatte bereits 2008 bei Arbeitsprotesten die Gehälter im öffentlichen Dienst um 30 Prozent angehoben. Damit gelang es ihm damals, die Lage zu beruhigen. Der öffentliche Dienst gilt als eine der Säulen der Macht Mubaraks.

Zur Entschädigung von Geschäfts- und Privatleuten, deren Eigentum bei den Protesten in den vergangenen Wochen beschädigt worden sei, will die Regierung umgerechnet knapp 620 Millionen Euro bereitstellen. Das Kabinett beschloss außerdem, Fälle von Wahlbetrug und Korruption zu verfolgen. Die Justizbehörden sagten zu, gegen drei ehemalige Minister und einen ranghohen Vertreter der Regierungspartei NDP wegen Korruption zu ermitteln.

Zudem verkürzte die Regierung die in der Hauptstadt Kairo und anderen großen Städten des Landes geltende nächtliche Ausgangssperre. Nach Angaben des Staatsfernsehens wurde sie für die Nacht zu Dienstag auf die Zeit von 20.00 Uhr bis 6.00 Uhr (19.00 Uhr bis 5.00 Uhr MEZ) beschränkt. Ferner wurde die Freilassung eines populären Google-Managers veranlasst, der bei der Organisation der Proteste mitgeholfen hatte. Der Mann war vor zwei Wochen während einer Demonstration gegen die Regierung festgenommenen worden. Das US-Unternehmen bestätigte die Freilassung seines Mitarbeiters.

Verhandlungen mit Opposition

Die Muslim-Brüder in Ägypten drohten ungeachtet dieser Manöver Mubaraks damit, sich aus den erst am Wochenende begonnenen Gesprächen mit der Regierung zurückzuziehen. Je nach Ergebnis werde die Oppositionsgruppe ihr weiteres Vorgehen besprechen, sagte Essam al-Erian von der Bruderschaft der Nachrichtenagentur Reuters. "Einige unserer Forderungen wurden erfüllt, aber auf unsere wichtigste Forderung, den Abgang Mubaraks, wurde nicht eingegangen."

Panzer fährt durch Straße in Kairo (Foto: dapd)
Fast dreihundert Menschen starben laut Human Rights Watch bei den Unruhen in ÄgyptenBild: dapd

Opfer-Bilanz

Die Unruhen in Ägypten haben nach Angaben von Human Rights Watch in den vergangenen zwei Wochen fast 300 Menschen das Leben gekostet. Die Zahl beruhe auf Besuchen in sieben Krankenhäusern in Kairo, Alexandria und Suez, erklärte die in den USA ansässige Menschenrechtsgruppe am Montag. Das ägyptische Gesundheitsministerium hat bislang keine umfassenden Opferzahlen genannt. Im Rahmen der am 25. Januar begonnenen Revolte gegen Mubaraks Regime kam es mehrfach zu Straßenschlachten zwischen Demonstranten und der Polizei sowie Anhängern des Präsidenten. Die Mehrheit der Todesfälle geht nach Angaben von Human Rights Watch auf den Einsatz scharfer Munition zurück.

Zurückhaltung bei ausländischen Regierungen

Während die ägyptische Opposition weiter auf einen sofortigen Rücktritt Mubaraks dringt, sprechen Regierungen westlicher Staaten sich für einen geordneten Übergang aus. Auch die Bundesregierung verfolgt derzeit diesen Kurs. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sprach sich am Montag erneut gegen jede Einmischung des Auslands in die Regierungsbildung in Ägypten aus. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte allerdings, es sei wichtig, dass weder Mubarak selbst noch sein Sohn bei den für September geplanten Präsidentschaftswahlen antreten würden.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle redet vor Deutschland-Fahne (Archivfoto: ap)
Westerwelle: Keine Einmischung des Auslands in die Regierungsbildung in ÄgyptenBild: AP

Berichte, wonach Mubarak womöglich zu einem längeren medizinischen Aufenthalt nach Deutschland kommen könnte, wies Seibert zurück. Es gebe in dieser Angelegenheit "weder offizielle noch inoffizielle Anfragen". Die "New York Times" hatte berichtet, die US-Regierung sowie hohe ägyptische Politiker und Militärvertreter überlegten, Mubarak einen "verlängerten" Aufenthalt zur ärztlichen Behandlung in Deutschland vorzuschlagen.

Auch US-Außenministerin Hillary Clinton verteidigte den Standpunkt, Mubarak nicht sofort zum Rücktritt zu drängen. "Wir wollen einen Prozess eingeleitet sehen, der zu einem geordneten Übergang führt mit Zwischenzielen und konkreten Schritten, an deren Ende freie und faire Wahlen stehen", betonte Clinton. Es sei wichtig, ein Stück weit über den Horizont hinauszublicken und an die Präsidentenwahl im Herbst zu denken. "Wir wollen schließlich nicht, dass plötzlich September ist, die Wahl misslingt und die Leute sich dann fragen, wofür haben wir das alles gemacht."

Autor: Martin Schrader (afp, dapd, dpa, rtr)
Redaktion: Gerhard M Friese/Reinhard Kleber