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Politik

Demirci: "Die Haftbedingungen sind hart"

18. Dezember 2018

Der Deutschtürke Adil Demirci ist seit April in türkischer U-Haft. Der Vorwurf: Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Terrorpropaganda. Wie es ihm im Gefängnis geht, erklärt er im DW-Interview.

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Screenshot Twitter Mesale Tolu zu Verhaftung Adil Demirci
Bild: Twitter@mesale_tolu

Im April ist der 33 Jahre alte Kölner Deutschtürke Adil Demirci in die Türkei gereist, um Urlaub in Istanbul zu machen. Vor seiner Rückreise wurde er festgenommen. Der Vorwurf: Der Sozialarbeiter und Journalist der Nachrichtenagentur ETHA soll Mitglied in einer terroristischen Vereinigung sein und Terrorpropaganda verbreitet haben.

Am ersten Prozesstag (20.11.2018) lehnte das Gericht die Freilassung des in der Türkei angeklagten Journalisten ab. Am 14. Februar 2019 wird das Verfahren fortgesetzt. Demirci, der im Hochsicherheitsgefängnis im Istanbuler Vorort Silivri einsitzt, hat über seine Rechtsanwälte die Fragen der Deutschen Welle beantwortet.

Deutsche Welle: Sie sind seit April in Haft. Wie geht es Ihnen gesundheitlich?

Adil Demirci: Die Haftbedingungen sind hart. Der Bewegungsradius ist ziemlich begrenzt. Mir geht's nicht so gut. Allerdings habe ich keine Probleme, die meine Gesundheit beeinträchtigen. Aber bei langjährigen Insassen beobachte ich schon bleibende Schäden.  

Wie sieht Ihr Tag im Gefängnis aus?

Adil Demircis Tagebuch im Gefängnis
Adil Demircis Tagebuch im GefängnisBild: privat

Demirci: Der Gefängniskomplex in Silivri besteht aus zehn Strafvollzugsanstalten. Die meisten sind in Zellen geteilt. Ich war in einer Drei-Mann-Zelle mit zwei jungen Häftlingen. Nun sind wir seit einer Woche zu zweit. Wir haben überhaupt keinen Kontakt zu den anderen Häftlingen. Nur einmal die Woche haben wir die Möglichkeit, gemeinsam mit anderen drei Stunden Sport zu machen. Das ist immer unser schönster Tag. Denn es ist schon wichtig, andere Gesichter zu sehen, sich mit anderen zu unterhalten, auch wenn es sehr kurz ist.
Unser Tag im Gefängnis fängt um 7 Uhr an. Um 8:15 Uhr gehen wir raus - auf den offenen Hof, wo wir fünf, sechs Schritte machen können. Man sieht nur den Himmel. Zwischen 10 und 12 Uhr machen wir Sport. Nach dem Essen lese ich meistens, schreibe Tagebuch. Aber wir bekommen nicht so viele Bücher, wie wir wollen. Höchstens zehn sind erlaubt. 

Wie sieht Ihre Zelle aus?

Adil Demirci: Sie besteht aus zwei Etagen, so eine Art Maisonette. Oben sind die Betten und unten die Toilette und das Wohnzimmer. Wie ich bereits erwähnte, haben wir einen Hof aus Beton. 

Was vermissen Sie im Gefängnis am meisten? 

Natürlich fehlt mir meine Freiheit. Zwischen vier Wänden in so einem engen Raum zu bleiben, ist ziemlich schwer. Wenn man diese Erfahrung macht, schätzt man den Wert der Freiheit noch mehr. Was ich noch sehr vermisse, ist meine Mutter. Das trifft mich emotional sehr stark. Sie war krank, als wir gemeinsam nach Istanbul kamen. An Tagen wie diesen nicht bei ihr sein zu können, bedrückt mich sehr. Zudem vermisse ich meinen Vater, meinen Bruder, meine Freunde und Kollegen. Sehnsucht ist etwas schwermütiges, dennoch ist es ein schönes Gefühl, weil es mich daran erinnert, dass ich ein Mensch bin. Weil es mich an die Spiritualität erinnert.

Ihre Verhaftung rief in Deutschland eine große Resonanz hervor. Wie viel erfahren Sie von der Berichterstattung über sich selbst oder von der Solidaritätskampagne Ihrer Freunde?

Mit etwas Verspätung bekomme ich von den verschiedenen Veranstaltungen in Deutschland schon einiges mit. Meine Anwälte und meine Familie informieren mich. Und manchmal frage ich die Mitarbeiter des Generalkonsulats, die mich besuchen.

Die Staatsanwaltschaft wirft Ihnen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Verbreitung von Terrorpropaganda vor, da Sie an Beerdigungen von mutmaßlichen Mitgliedern der MLKP (Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei) und an Gedenkveranstaltungen teilgenommen haben. Was sagen Sie zu diesen Vorwürfen?

Adil Demirci's Tagebuch im Gefängnis
Adil Demirci's Tagebuch im GefängnisBild: privat

Demirci: In den Akten befindet sich kein einziger Beweis, der meine Inhaftierung rechtfertigen würde. Die Entscheidung, dass ich noch in U-Haft bleiben muss, basiert gänzlich auf Vorurteilen und Willkür. Bei den polizeilichen Ermittlungen wurde kein einziges Dokument oder Beweisstück gefunden, das gegen mich verwendet werden könnte. Das Einzige, worauf die Vorwürfe basieren, sind die Beerdigungen, an denen ich teilgenommen habe.

In dem Gerichtsverfahren sind viele Freunde frei gekommen. Meine Freilassung wurde aber abgelehnt. Die Beerdigungen waren im Jahr 2014 und 2015. Die Teilnahme an einer Beerdigung ist juristisch gesehen keine Straftat. Das ist ein menschliches Recht im Rahmen der Gewissensfreiheit. Nach 2014 war ich häufiger in der Türkei. Wenn ich ein Verbrechen begangen hätte, wäre ich nicht her gekommen. Ich war schon sehr überrascht, als gegen mich Ermittlungen eingeleitet wurden. Dies geschah auch nur auf Grund von Indizien, von denen ich nichts wusste. 

Glauben Sie an einen fairen Prozess? Vertrauen Sie der türkischen Justiz?

Diese Fragen zu beantworten, birgt für mich ein gewisses Risiko. Ich bin kein Jurist, aber eins möchte ich betonen: Werden die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in der Türkei umgesetzt? Das Demirtas-Urteil ist nicht umgesetzt (Der EGMR urteilte, die Untersuchungshaft des kurdischen Oppositionspolitikers sei ein "unrechtmäßiger Eingriff in die freie Meinungsäußerung des Volkes" und forderte seine sofortige Freilassung. Anm. d. Red.). Nun müsste die Frage heißen: "Ist in der Türkei ein fairer Prozess möglich?" Ich heiße Adil (Türkisch für "gerecht/fair", Anm. d. Red.), aber ich kann schwer sagen, dass mein Prozess fair verläuft. Bei einer gerechten Entscheidung dürfte ich heute gar nicht im Gefängnis sein.

Kümmern sich das Generalkonsulat in Istanbul und das Auswärtige Amt ausreichend um Sie?

Diesbezüglich möchte ich mich herzlich bei den deutschen Behörden, insbesondere beim deutschen Generalkonsulat in Istanbul bedanken. Ich habe auch von den diplomatischen Bemühungen des Auswärtigen Amts gehört. Natürlich freue ich mich als deutscher Staatsbürger darüber. Aber ich bin der Überzeugung, dass das Auswärtige Amt für mich und andere deutsche Staatsbürger, die in einer ähnlichen Situation sind, größeres Verständnis und mehr Engagement auf diplomatischer Ebene an den Tag legen sollte.

Was für eine Botschaft haben Sie für Deutschland?

Ich möchte mich bei allen bedanken, die sich bislang um mich gekümmert und sich für meine Freiheit eingesetzt haben. Ich wünsche allen in Deutschland ein schönes Weihnachtsfest.

Das Interview führte Hülya Topcu

© Deutsche Welle