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Das sagen unsere Aktivisten zum Staatsmodell "Demokratie"

Suzanne Cords26. Juni 2013

Manche sprechen von einer tiefen Krise der Demokratie nach westlichem Vorbild. Müssen wir andere Formen demokratischer Mitbestimmung finden? Und welche Perspektive hat Demokratie im 21. Jahrhundert?

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Journalistin Tetiana Chornovol aus der Ukraine:

Das Verständnis von Demokratie hängt von der jeweiligen Geschichte, vom Entwicklungsstand und auch von religiösen Ansichten ab. Eine Demokratie in der arabischen Welt, Russland oder China wird anders sein als in den Vereinigten Staaten oder in Europa. Über die spezifische Ausprägung dieser oder jenen Demokratie lässt sich zwar streiten, aber die demokratischen Grundwerte wie Rechtsstaatlichkeit, Pluralismus, Gewaltenteilung, Rechte für Minderheiten und Meinungs- und Pressefreiheit dürfen nicht angetastet werden.

Tetiana Chornovol, Ukraine
Bild: DW

Jegliche Form der Mitbestimmung sollte aus diesem Blickwinkel gesehen werden. Und sollten neue Formen der Demokratie diesen Anforderungen standhalten, sind sie zu begrüßen! Die Perspektiven der Demokratie im 21. Jahrhundert hängen nicht zuletzt von jedem von uns ab, der oder die sich zur Demokratie als einer Machtform bekennt, welche unserem Streben nach Selbstverwirklichung am besten entspricht. Alles kommt darauf an, dass wir nicht die unsichtbare Linie überschreiten, die uns vom Autoritarismus und der Diktatur trennt, wie wir es zum Beispiel in Russland erleben. Wir müssen ausharren und auch in schlechten Zeiten der Freiheit die Treue halten, so wie es in den USA in der Zeit der Großen Depression der Fall war.

Oppositionspolitiker Amr Badr aus Ägypten:

Jedes Land hat seine eigene Kultur und seine Eigenheiten, und man muss ganz klar sagen: Nicht immer ist eine Demokratie nach westlichem Vorbild geeignet. Deswegen sollte jedes Land sein eigenes Modell entwerfen. Allerdings ist nichts daran auszusetzen, dass es von anderen Demokratien lernen kann, um daraus den bestmöglichen Entwurf für sich zu entwickeln.

Amr Badr, Ägypten
Bild: DW

Umweltaktivist Quentin James aus den USA:

Das Image der westlichen Demokratien muss sich im Rest der Welt auf jeden Fall ändern, wenn man ihm folgen soll. Das ist eine Sache von Stil gegen Substanz. Der bekannteste Politiker auf dem größten Kontinent der Welt ist Barack Obama; seine Präsidentschaft kann der Welt so viel bringen. Wenn die Menschen demokratische Nationen und ihre Führer ansehen und feststellen: "Die sind wie wir, sie sprechen unsere Sprache, und sie üben wie wir ihren Glauben aus" - dann trauen sie ihnen möglicherweise. Die Herausforderung des 21. Jahrhunderts ist die Einbeziehung aller Bürger: Wenn Gesellschaften wirklich frei und demokratisch sein wollen, dann sollten mehr Frauen, mehr Farbige und mehr Homosexuelle an die Macht kommen und die Welt führen.

Quentin James, USA
Bild: DW

Rechtsanwältin Lila Bellou aus Griechenland:

Der Kampf für die Festigung der Demokratie wird nie aufhören; jeden Tag und auf jeder Ebene muss man sich erneut für sie einsetzen. Das Gelübde, sich an demokratische Ideale zu halten, muss nicht mit Worten, sondern mit Taten immer wieder erneuert werden. Die Demokratie im Westen schwächelt, weil ein großer Teil des öffentlichen Gemeinwesens wie Bildung, Gesundheitsvorsorge und Umweltschutz vom privaten Sektor übernommen wurde. Die Menschen im Westen sind die Erben langer und fruchtbarer Kämpfe für die Demokratie; es ist ihre Pflicht der schleichenden Übernahme durch globale Finanzmärkte zu widerstehen, wovor Noreena Hertz in ihrem Buch "Wir lassen uns nicht kaufen! Keine Kapitulation vor der Macht der Wirtschaft" schon 2001 zu recht gewarnt hat.

Lila Bellou, Griechenland
Bild: DW

Japanischdozentin Isabelle Makgoeva aus Russland:

Maximale Dezentralisierung und Selbstverwaltung – am Arbeitsplatz, an den Hoch- und Berufsschulen, überall: Die Dezentralisierung ist die einzige richtige Antwort, auch angesichts der sich nahenden ökologischen Katastrophe und Energiekrise. Es muss immer mehr Einrichtungen mit autonomer Versorgung und lokaler Produktion geben.

Isabelle Magkoeva, Russland
Bild: DW

Grafikdesigner Marc Masmiquel aus Spanien:

Die Demokratie ist ein Prozess, kein merkantiler Verein. Trotzdem haben die wirtschaftlich weniger entwickelten Gesellschaften manchmal das trügerische Gefühl, dass eine bessere Welt dann entsteht, wenn bei ihnen mehr Handel und mehr ausländische Investitionen getätigt werden. In den letzten 60 Jahren ist aber deutlich geworden, dass Staaten, die diesem Modell folgten, einen schlechteren Zugang zum Gesundheitswesen, zur Bildung und zu Wirtschaftsdiensten haben.
Das Wirtschaftswachstum ist ein Götze; es hat die repräsentative Demokratie benutzt, um uns zu hypnotisieren. Es gibt viele umsetzbare Ideen, um das zu schützen, was wirklich wertvoll ist für die Gesellschaft - wie ihr Wissen, ihre Kultur, ihre Träume und ihre Wünsche. Auch die Natur hat Rechte, und wir leben in einem empfindlichen Gleichgewicht, das schon ziemlich beschädigt ist.
Erst wenn wir akzeptieren, dass der Erfolg unserer Institutionen an ihrem Beitrag zum Gemeinwohl gemessen wird, werden wir erkennen, dass es besser ist zusammenzuarbeiten als zu wetteifern.

Marc Masmiquel, Spanien
Bild: DW