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Kultur in Siebenbürgen

Aya Bach11. Juni 2007

Gut 800 Jahre ist es jetzt her, dass die diesjährige Kulturhauptstadt Europas, das rumänische Sibiu (= Hermannstadt) gegründet wurde. Eine Siedlung von Deutschen, die geholt wurden, um das Land zu verteidigen.

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Restaurierte Häuser in der Altstadt von Sibiu
Restaurierte Häuser in der Altstadt von SibiuBild: picture-alliance/dpa

Sie bekamen damals versehentlich den Namen "Sachsen", und so nennen sich heute noch die Deutschen, die seit Generationen in der Region leben: Siebenbürger Sachsen. Sie entwickelten mit der Zeit ein reiches kulturelles Leben. Und eine deutschsprachige Literatur mitten in einer Gegend, die heute zu Rumänien gehört.

Rumänisches Sibiu Hermannstadt wird Kulturhauptstadt Europas 2007
Sibiu - Kulturhauptstadt Europas 2007Bild: picture-alliance/ dpa

Aber viele Autoren - und ihre Leser - flohen vor dem rumänischen Regime, und nach dem politischen Umbruch folgten in einer großen Ausreise-Welle fast alle anderen: Die verbleibenden Büchermenschen unter den Siebenbürger Sachsen sind nur noch wenige. Damit könnte ihre Literatur, sogar ihre gesamte Kultur in Hermannstadt, kurz vor dem Ende sein. Aber vielleicht wird auch alles ganz anders.

Eigene Wurzeln

Das Büchercafé Erasmus. Ein großzügiger Raum, durch weite, bogenförmige Fenster fällt Tageslicht. Schüler, Studenten, auch ein paar Touristen sitzen hier. Man kann in Ruhe stöbern, lesen, und einen Milchkaffee trinken. Und natürlich Bücher kaufen: deutsche, rumänische und sogar englische Titel. Das ist neu für Hermannstadt. Die Idee hatten vor knapp zwei Jahren Jens und Liana Kielhorn. Sie ist Rumänin, er stammt aus Bonn, in Hermannstadt haben sie beide keine Wurzeln. Aber sie haben hier mit ihrem Konzept einen Nerv getroffen.

Daten und Fakten zu Rumnänien

Das Café ist auch ein Treffpunkt der intellektuellen Deutschen hier geworden, der Siebenbürger Sachsen. Gerade ist Udo-Peter Wagner gekommen. Er ist Ende sechzig, wirkt lebenslustig und voller Energie, bequem gekleidet sitzt er an einem der kleinen Cafétische. Er ist fester Bestandteil der Hermannstädter Literaturszene. Der Literaturdozent hat miterlebt, wie über 90 Prozent seiner sächsischen Mitbürger nach dem Umsturz von 1989 das Land verlassen haben - da werden die eigenen Wurzeln immer wichtiger. Denn es ist die große Frage, ob die Kultur der Siebenbürger Sachsen, und damit auch ihre Literaturszene, noch eine Zukunft hat.

Notstand beendet

Die Perspektiven scheinen gering. Und doch gibt es Anzeichen dafür, dass hier nicht einfach etwas zu Ende geht. Das Büchercafé Erasmus zum Beispiel hat mit seinem Angebot einen Notstand beendet. Inzwischen ist der lang ersehnte Austausch mit dem Westen wieder da, und dank des Büchercafés Erasmus sind sogar die Bücher in Hermannstadt zu kaufen - zum gleichen Preis übrigens wie in Deutschland, die Transportkosten übernehmen die Buchhändler selbst.

Das Büchercafé Erasmus ist nicht der einzige Hoffnungsschimmer für die deutschsprachige Kultur in Siebenbürgen. Zwar sind die meisten Autoren weggegangen, aber einige kommen auch zurück. Andere kommen neu aus Deutschland, ohne hier familiär verwurzelt zu sein. Sich als Europäer oder Weltbürger zu verstehen, die Chance haben die Bücher-Menschen in Hermannstadt inzwischen mehr denn je. Das Büchercafé von Jens Kielhorn ist nur ein Beispiel dafür, wie die Zukunft der deutschsprachigen Kultur in Siebenbürgen aussehen könnte. Mit der Vergangenheit im Rücken etwas völlig Neues zu gestalten, das wird die Aufgabe für die kommenden Jahre sein.