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Kulturjahr 2014

Silke Wünsch27. Dezember 2014

Das Jahr stand im Zeichen des Gedenkens an den Ersten Weltkrieg und den Mauerfall. Aber auch Skandale in Sachen Kunstraub und -handel sorgten für Aufsehen. Dabei spielte ein Name eine besonders wichtige Rolle.

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Gouache-Arbeit "Löwenbändiger" von Max Beckmann (c) picture-alliance/dpa/VG Bildkunst (Ausschnitt)
Max Beckmanns "Der Löwenbändiger" aus dem Gurlitt-Fundus wurde Ende 2011 bei Lempertz versteigertBild: picture-alliance/dpa/VG Bildkunst (Ausschnitt)

Ein 80-jähriger Rentner namens Cornelius Gurlitt versteckt in seiner Wohnung mehr als tausend wertvolle Kunstwerke. Als das bekannt wird, gibt es einen Riesenaufschrei – nicht nur in der Kunstwelt. Viele der Werke stehen unter Raubkunstverdacht – Bilder von Künstlern wie Picasso, Monet oder Renoir, die vermutlich während der Nazizeit in Deutschland ihren Eigentümern, meist Juden, weggenommen worden sind.

Gurlitt hadert erst, erklärt sich dann aber bereit, viele der Bilder zurückzugeben. Im Mai stirbt er, doch der Kunstkrimi endet damit nicht. Gurlitt hat zwar seinen gesamten Besitz dem Kunstmuseum Bern in der Schweiz vermacht, doch zunächst mal müssen noch alle Bilder auf ihre Herkunft überprüft werden.

Währenddessen nehmen die Meldungen aus dem Familienkreis um Cornelius Gurlitt Züge einer Seifenoper an: Eine Cousine gibt ein psychologisches Gutachten über den verstorbenen Kunstsammler in Auftrag, in dem ihm eine "schizoide Persönlichkeitsstörung" sowie "paranoide Wahnideen" unterstellt werden. Dann erhebt die Cousine Anspruch auf das Erbe. Ein Schelm, wer da Böses denkt.

Das Berner Museum nimmt das Erbe an, wird aber alle Bilder, die unter dem Raubkunstverdacht stehen, in Deutschland belassen, damit sie weiterhin untersucht werden können.

Apropos Kunst

Bacon Gemälde Triptychon Freud
Bacons Triptychon "Drei Studien von Lucian Freud"Bild: picture-alliance/dpa

Schon der Maler Gerhard Richter hat sich mal gefragt, warum die Leute so verrückt sind, so viel Geld für Kunst (auch für seine) auszugeben. Ein Richter-Gemälde ist 2012 bei Sotheby's in London für 26 Millionen Euro unter den Hammer gekommen – das ist vergleichsweise wenig gegen die Summe, die in diesem Jahr für ein Bild von Francis Bacon gezahlt wurde: Das New Yorker Auktionshaus "Christie's" hat das Bacon-Triptychon "Drei Studien von Lucian Freud" für rund 106 Millionen Euro versteigert. Der Käufer ist unbekannt. Insider sagen, dass diese Summe zwar ein Auktionsrekord sei, dass aber unter der Hand weitaus höhere Summen für Kunstwerke bezahlt werden.

Um Kunstmillionen ging es 2014 auch in einem aufsehenerregenden Betrugsfall: Der Düsseldorfer Kunstberater Helge Achenbach hat ausgerechnet eine der reichsten Familien Deutschlands betrogen. Er hat bei einigen Kunstdeals, die er im Auftrag des Aldi-Erben Berthold Albrecht durchgeführt hatte, Rechnungen frisiert und sich so rund 23 Millionen Euro in die eigene Tasche gesteckt. Seit Dezember steht er vor Gericht.

Deutschland Kunstberater Helge Achenbach mit Bentley S1
Helge Achenbach machte auch Geschäfte mit OldtimernBild: picture-alliance/dpa/A. Endermann

Das Jahr des Gedenkens

Vor 100 Jahren hat der Erste Weltkrieg begonnen. Kunst und Kultur beschäftigen sich im Gedenkjahr 2014 in unterschiedlichster Weise mit dem Thema. Romane, Ausstellungen, Theaterstücke, sogar Computerspiele greifen die "Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts" auf. So zeigte etwa das Deutsche Historische Museum in Berlin sechs Monate lang in einer großen Ausstellung, wie es zu diesem grausamen Krieg kommen konnte und welche globalen Auswirkungen er hatte. Fast 170.000 Besucher haben die Ausstellung gesehen.

Bildergalerie Erster Weltkrieg Deutsches Historisches Museum
Ukrainische Flüchtlinge im Ersten WeltkriegBild: Österreichische Nationalbibliothek

Auch der Mauerfall vor 25 Jahren bot viel Gelegenheit zur kulturellen Aufbereitung. So sind 2014 mehr Bücher als sonst zum Thema "Leben in der DDR" erschienen - vor allem autobiografische Erzählungen, etwa vom heutigen Bundesbeauftragten für Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, oder der ehemaligen DDR-Sportlerin Ines Geipel.

Zum deutsch-deutschen Jubiläum hat sich auch die Gesellschaft für deutsche Sprache Gedanken gemacht: "Lichtgrenze" ist zum Wort des Jahres gewählt worden. Das Wort steht für die Installation aus Tausenden leuchtenden Ballons, die in der Nacht zum 9. November 2014 entlang der ehemaligen Berliner Mauer in den Himmel stiegen.

Lichtgrenze Mauerfall 25 Jahre
15 Kilometer lang, 8000 Ballons. Die "Lichtgrenze" wirkte am Boden imposanter als später im NachthimmelBild: imago

Terror als Bühnenstoff

In diesem Jahr haben sich Theaterbühnen in ganz Deutschland an den Morden des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) abgearbeitet. Stücke wie "Rechtsmaterial", "Urteile" oder "Die Lücke" beschäftigten sich in unterschiedlicher Weise mit der Terrorzelle, die 13 Jahre lang im Untergrund agiert und acht Deutsch-Türken, einen Griechen und eine deutsche Polizistin ermordet hat. Besondere Aufmerksamkeit bekam das Stück "Der weiße Wolf", in dem der Frage nachgegangen wird, ob das Trio Zschäpe/Böhnhardt/Mundlos auch dann gemordet hätte, wenn die drei nicht im Osten, sondern im Westen groß geworden wären. Damit hat das Schauspiel Frankfurt eine beklemmende Szenerie geschaffen, die parallel zum NSU-Prozess besonders brisant erschien.

Deutschland Theater Schauspielhaus Frankfurt Der weiße Wolf
Szene aus dem Theaterstück "Der weiße Wolf"Bild: Birgit Hupfeld

Die großen Filmpreise

Die großen europäischen Filmfeste sorgen immer für Glamour. Und dieses Jahr zeigten die Jurys Mut und zeichneten Filme aus, die garantiert keinen Blockbuster-Bonus mitbrachten. Den Anfang machte die Berlinale, wo der Goldene Bär nicht an den Favoriten "Boyhood" ging, sondern an den chinesischen Thriller "Feuerwerk bei Tageslicht". Die Filmfestspiele in Cannes zeichneten den türkischen Film "Winterschlaf" mit der Goldenen Palme aus. Der deutsche Regisseur Wim Wenders erhielt den Sonderpreis der Jury für seine atemberaubende Dokumentation "Das Salz der Erde", in der er den Fotografen Sebastião Salgado porträtiert.

Deutschland Filmszene Das Salz der Erde
Filmszene aus "Das Salz der Erde"Bild: Wim Wenders/NFP*

Und schließlich gab es den Goldenen Löwen von Venedig für die deutsch-schwedische Koproduktion "Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach". In den USA hat vor allem das Drama "12 Years a Slave" in den Hauptkategorien abgesahnt: drei Oscars, ein Golden Globe, dazu gab es zahlreiche Kritikerpreise. Der erfolgreichste Film in deutschen Kinos war indes die französische Komödie "Monsieur Claude und seine Töchter", die sich über Alltagsrassismus lustig macht.

Die besten Bücher des Jahres

Krimis, Fantasy- und Historienromane sind nach wie vor die erfolgreichsten Bücher in Deutschland. Und spiegeln – wie die Kinofilme – nicht unbedingt die Meinung der Kritiker wider. Daher ist es jedes Jahr spannend, welche Bücher auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises landen und welcher dieser Romane die Auszeichnung erhalten könnte. In diesem Jahr ging der Preis an Lutz Seiler für seinen Debütroman "Kruso". Die Geschichte einer außergewöhnlichen Männerfreundschaft auf einer kleinen Ostseeinsel katapultierte den literarischen Neuling direkt in die Bestsellerlisten.

Verleihung Deutscher Buchpreis 2014 Autor Lutz Seiler 6. Oktober
Senkrechtstarter in der deutschen Literaturszene: Lutz SeilerBild: picture-alliance/dpa/A. Dedert

Den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhielt der Informatiker, Schriftsteller und Internetpionier Jaron Lanier für seine analytische Sicht auf die digitale Welt und die gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen, die das Internet mit sich gebracht hat.

Und die wichtigste deutsche Literaturauszeichnung ging an den 81-Jährigen Lyriker und Schriftsteller Jürgen Becker. Er erhielt den Georg-Büchner-Preis vor allem für seine Gedichte, die laut Jury "unsere alltäglich erlebte Welt auf neue Weise sichtbar und unvergesslich machen".

Der französische Schriftsteller Patrick Modiano schließlich wurde mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet. Und zwar so überraschend, dass so mancher Buchmacher buchstäblich in die Röhre guckte – denn gewettet hatten alle auf den Kenianer Ngugi wa Thiong'o.

Abschied von großen Persönlichkeiten

Die Welt der Kultur trauerte 2014 um namhafte Journalisten und Schriftsteller. Mit nur 54 Jahren starb am 12. Juni der Journalist und Autor Frank Schirmmacher. Der Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeine Zeitung, der das Feuilleton weit voran gebracht hat, starb an den Folgen eines Herzinfarktes. Am 16. August erlag der Journalist und Publizist Peter Scholl-Latour 90-jährig einer schweren Krankheit. Posthum erschien sein letztes Buch "Der Fluch der Bösen Tat".

Auch von berühmten Schauspielern musste Abschied genommen werden. Am 11. September starb der Entertainer Joachim "Blacky" Fuchsberger mit 87 Jahren. Der Schauspieler und Synchronsprecher Peer Augustinski verstarb am 3. Oktober mit 74 Jahren. Er hatte unter anderem dem US-Schauspieler Robin Williams seine Stimme geliehen. Williams selber war zwei Monate zuvor überraschend tot in seiner Wohnung aufgefunden worden. Er hatte mit 63 Jahren Selbstmord begangen.

Und noch ein bedeutender Schriftsteller ging Ende des Jahres von uns. Am 10. Dezember ist der deutsche Journalist und Publizist Ralph Giordano im Alter von 91 Jahren gestorben. Als Autor und Journalist hatte er unermüdlich gegen Ungerechtigkeit, Unmenschlichkeit und gegen das Vergessen angeschrieben.

Ralph Giordano Schriftsteller Deutschland Archiv 2013 S/W
Ralph Giordano (* 20. März 1923 in Hamburg; † 10. Dezember 2014 in Köln)Bild: picture-alliance/dpa/A. Warmuth