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Das grüne Powerpaar: Habeck und Baerbock

17. Mai 2022

Außenministerin Annalena Baerbock und Vizekanzler Robert Habeck von den Grünen sind im Moment die beliebtesten Politiker in Deutschland. Warum ist das so?

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Energy Transition Dialogue in Berlin
Bild: Janine Schmitz/photothek/picture alliance

Den Grünen geht es im Moment so richtig gut. Auf Bundesebene sind sie die zweitstärkste Kraft in ihrer Koalition mit SPD und FDP. Bei den Landtagswahlen seit der Bildung der Bundesregierung im Dezember 2021 konnten die Grünen durchweg Erfolge einsammeln. Zuletzt standen bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein vor zwei Wochen satte 18,3 Prozent zu Protokoll, nach zuvor 12,9 Prozent. Und am vergangenen Wochenende katapultierten sich die Grünen bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen von 6,4 Prozent auf nun 18,2 Prozent. Fast eine Verdreifachung. 

Baerbock und Habeck stark im Fokus

Das alles hat viele landespolitische Gründe, aber auch einen starken bundespolitischen Einfluss. Und das hat viel zu tun mit den beiden grünen Bundespolitikern und Ministern, die zurzeit stark im Fokus stehen: Mit Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und mit dem Vizekanzler und Wirtschafts-und Klimaschutzminister Robert Habeck. 

Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts "Insa" von Anfang Mai rangieren Habeck und danach Baerbock auf den Plätzen eins und zwei der Beliebtheits-Skala der Deutschen, weit vor Bundeskanzler Olaf Scholz von der SPD. Insa-Chef Hermann Binkert sagt dazu: "Die Grünen übertreffen die Erwartungen. Sie besetzen die Themen, die den Leuten derzeit unter den Nägeln brennen." Und diese Themen sind: klare Kante gegen Russland, klares Eintreten für die angegriffene Ukraine, klares Krisenmanagement, wenn durch den Krieg auch in Deutschland Öl und Gas knapp und teuer werden.

Deutschland | G7 Außenministertreffen | Annalena Baerbock
Sicher auf der internationalen Bühne: Annalena Baerbock beim G7-Treffen der Außenminister in Schleswig-HolsteinBild: Marcus Brandt/dpa/picture alliance

Baerbock und der Ukraine-Krieg

Tatsächlich ist Außenministerin Annalena Baerbock im Moment so etwas wie das gute Gewissen Europas. Unermüdlich warnt sie vor den Folgen des Krieges, fordert Waffenlieferungen an die angegriffene Ukraine, schon lange vor vielen Kabinettskollegen in Deutschland. Noch vor Kriegsausbruch ließ sie sich bei einem Besuch in Moskau Mitte Januar vom russischen Außenminister Lawrow nicht aus der Ruhe bringen und setzte sich dort auch öffentlich für die Ukraine ein.

Schließlich war sie auch das erste ranghohe Regierungsmitglied aus Deutschland, das die Ukraine mitten im Krieg besuchte - und zeigte sich vor den Kameras sichtlich bewegt: "Wir sind es diesen Opfern schuldig, dass wir hier nicht nur gedenken, sondern dass wir die Täter zur Verantwortung bringen und ziehen", sagte sie bei einem Besuch in dem Kiewer Vorort Butscha, in dem während des Krieges ein furchtbares Massaker an der Zivilbevölkerung stattgefunden hatte.

Am Montag dieser Woche verkündete die deutsche Außenministerin zum Streit um ein mögliches Ölembargo Europas gegen Russland: "In den nächsten Tagen werden wir zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen - da bin ich sehr zuversichtlich." Trotz der bisherigen Weigerung Ungarns, diesem Embargo zuzustimmen. Und weiter: "Es ist wichtig, dass alle Länder den Weg des Ausstiegs gemeinsam gehen können", so Baerbock.

Mehr als der Bundeskanzler symbolisiert die junge deutsche Außenministerin so den klaren Kurs gegen Russland, die Solidarität mit der Ukraine, also die "Zeitenwende", die eigentlich Scholz nach Beginn des Krieges im Bundestag ausgerufen hatte. Zuletzt nutzte Baerbock die Bühne der G7-Präsidentschaft der Deutschen, um beim Außenminister-Treffen mit ihren Kolleginnen und Kollegen im schleswig-holsteinischen Weißenhaus für ihren klaren Kurs für die Ukraine zu werben. 

Habeck: Der Energie-Krisen-Manager

Robert Habeck ist derweil vor allem als Krisenmanager in Sachen Energie unterwegs. Schon jetzt hat Deutschland die Abhängigkeit etwa von russischem Öl reduziert, nach Angaben Habecks von 35 Prozent vor dem Krieg auf nun 12 Prozent. Beim Thema Gasversorgung hat Habeck Vereinbarungen über Lieferungen mit Norwegen, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten getroffen, um das russische Gas zu ersetzen. Und er treibt durch diverse Gesetze den Ausbau der Erneuerbaren Energien massiv voran. Dass der Import von Flüssiggas etwa aus der Golf-Region eigentlich wenig mit den grünen Klimaschutzplänen zu tun hat, weiß Habeck.In Interviews gibt er das zu, und spricht auch auch sonst gern und oft über seine Zweifel am eingeschlagenen Weg. Ansonsten appelliert er an die Bürger, beim Energie-Sparen mitzumachen. Aktuell sagte er der Funke-Mediengruppe, Energie zu sparen und auf die Erneuerbaren Energien zu setzen, sei eine "gemeinsame nationale Aufgabe, bei der Politik, Industrie, Unternehmen, Verbraucherinnen und Verbraucher alle mithelfen können, damit es gelingt". Bei der Bevölkerung kommt diese Art der Kommunikation offenbar gut an.

Deutschland LNG Terminal Wilhelmshaven | Habeck
Habeck und das Gas: Besuch beim geplanten Flüssiggasterminal in WilhelmshafenBild: Sina Schuldt/dpa/picture alliance

Umfrage-Höhenflug trotz eines grünen Rücktritts

Habeck und Baerbock stehen auch deshalb so gut da, weil das für die anderen Regierungsmitglieder nicht unbedingt gilt. Kanzler Olaf Scholz wird oft vorgeworfen, sich nicht entschieden genug für die Ukraine einzusetzen, sich kaum öffentlich zu erklären, vor allem, was Waffenlieferungen angeht. Seine Verteidigungsministerin Christine Lambrecht steht zudem in der Kritik, weil sie ihren Sohn auf Dienstreisen im Hubschrauber mitgenommen hat, was rechtlich in Ordnung ist, weil sie die Kosten privat übernommen hat. Aber trotzdem zeigt das wenig Fingerspitzengefühl. Zwar sind es die Grünen, die schon einen Rücktritt innerhalb der Regierung verkraften mussten: Familienministerin Anne Spiegel trat Ende April nach nur wenigen Monaten im Amt zurück, weil sie noch als Landespolitikerin in Rheinland-Pfalz im vergangenen Jahr in den Urlaub fuhr, obwohl eine Hochwasserkatastrophe ihr Bundesland heimgesucht hatte. Aber mit Habeck und Baerbock wird dieser Rücktritt nicht verbunden, zumal beide recht schnell Druck auf Spiegel ausübten, die Konsequenzen aus ihrem Fehlverhalten zu ziehen.

Anne Spiegel (Bündnis 90/die Grünen), Bundesministerin
Musste Ende April zurücktreten: Familienministerin Anne Spiegel von den GrünenBild: picture alliance/dpa

Wie lange der Höhenflug des Vizekanzlers und der Außenministerin in den Umfragen noch andauern wird, bleibt abzuwarten. Ihr großes Problem ist langfristig, dass viele ihrer Maßnahmen - Lieferung auch schwerer Waffen an die Ukraine, Gasimporte aus der Golfregion - wenig mit den Positionen ihrer Partei, den Grünen, zu tun haben. Aber im Moment stehen die beiden aus der Sicht vieler in der Bevölkerung als diejenigen da, die in der Krise rund um den Krieg den richtigen Weg einschlagen.