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KatastropheSüdkorea

Das Flugzeugunglück in Südkorea wirft Fragen auf

Marco Müller
29. Dezember 2024

Nach dem Flugzeugunglück in Südkorea, bei dem von 181 Insassen nur zwei überlebten, beginnt die Suche nach den Ursachen. Dazu ein Interview mit Luftfahrtexperte Volker K. Thomalla.

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Viele Helfer am Wrack der Boeing 737-800
Den Helfern am Wrack der Boeing 737-800 bot sich ein Bild des GrauensBild: JUNG YEON-JE/AFP

Volker K. Thomalla berichtet seit 40 Jahren über das Thema Luftfahrt und ist Chefredakteur des Internetmagazins aerobuzz.de. Zuvor war er in leitender Funktion für andere Luftfahrtmagazine tätig. Die DW hat mit ihm über das Flugzeugunglück in Südkorea gesprochen.

Deutsche Welle: Von dem was bisher bekannt ist, was glauben Sie, könnte die Absturzursache gewesen sein?

Porträt des Luftfahrtexperten Volker K. Thomalla
Volker K. Thomalla Bild: U. Thomalla

Volker K. Thomalla: Die Absturzursache kann erst in einer aufwendigen Flugunfall-Untersuchung geklärt werden. Das dauert in der Regel mindestens ein Jahr. Das ist zwar frustrierend, aber nicht anders darstellbar, denn es müssen alle Umstände und Gegebenheiten analysiert werden, um daraus die richtigen Schlüsse für die Flugsicherheit zu ziehen und umzusetzen.

Auf Fotos und Videos ist zu sehen, dass das Flugzeug ohne Fahrwerk landet. Benötigt man denn ohne Fahrwerk eine längere Strecke bis man zum Stehen kommt? Eigentlich ist doch die Reibung größer und man müsste schneller zum Stehen kommen.

Das ist völlig richtig: Ohne Fahrwerk ist die Bremswirkung des Metalls auf dem Boden größer und man kommt schneller zum Stehen. Auf den Videos ist zu erkennen, dass das Flugzeug mit einer sehr hohen Geschwindigkeit anfliegt und erst spät auf der Startbahn aufsetzt. Die Landeklappen scheinen auch nicht ausgefahren zu sein, was die Geschwindigkeit beim Anflug deutlich reduziert hätte. Diese Punkte werden sich die Unfallforscher jetzt sehr genau ansehen.

Flugzeug ohne Fahrwerk rutscht über ein Feld am Ende der Landebahn
Das Flugzeug rutschte über die Landebahn des Muan International Airport hinwegBild: Lee Geun-young/UGC/REUTERS

Das Flugzeug ist über die 2800 Meter lange Landebahn des Flughafens Muan hinaus gerutscht. Ist die Landebahn zu kurz, wenn man mit einem beschädigten Flugzeug landen muss oder sind 2800 Meter normalerweise ausreichend?

Eine Piste mit 2800 Meter Länge reicht für den sicheren Betrieb eines Flugzeugs dieser Kategorie völlig aus. Der Flughafen Weeze am Niederrhein, wo regelmäßig Boeing 737 landen, hat nur eine 2440 Meter Start- und Landebahn, der Flughafen Dortmund sogar nur eine 2000 Meter lange Piste. Das ist unkritisch.

Auf dem Video ist zu sehen, dass das Flugzeug am Ende der Landebahn gegen eine Mauer prallt und in Flammen aufgeht. Gibt es nicht normalerweise am Ende einer Landebahn immer noch eine Freifläche, auf der ein Flugzeug im Notfall weiterrutschen kann, bis es zum Stehen kommt?

Eine Mauer am Ende einer Start- und Landebahn ist ungewöhnlich und unüblich, zumal man, wenn man sich Satellitenfotos vom Flughafen anschaut, erkennt, dass dahinter noch eine Freifläche zur Verfügung steht.

Auf einem Feld sieht man eine große Explosion
Die Boeing 737-800 prallte gegen eine Mauer am Ende der Landebahn und ging in Flammen aufBild: Lee Geun-young/UGC/REUTERS

Bei dem Flugzeug handelt es sich um eine 15 Jahre alte Boeing 737-800. Ist der Maschinentyp bekannt für Probleme oder könnte auch das Alter eine Rolle gespielt haben?

Bei entsprechender Wartung kann ein Flugzeug völlig problemlos auch noch mit einem sehr viel höheren Alter sicher betrieben werden. Die Boeing 737 gehört zu den am meisten gebauten Verkehrsflugzeugen, und die Version 737-800 ist nicht für eine besondere Häufung von Unfällen bekannt.

An Bord des Flugzeugs waren 181 Menschen. 179 sind ums Leben gekommen. Nur zwei Menschen haben überlebt, beides Mitglieder der Crew. Diese sollen sich ganz hinten in der Maschine aufgehalten haben. Wie kann es sein, dass sie überhaupt überlebt haben, wenn ansonsten alle ums Leben gekommen sind?

Die Überlebenden haben einfach Glück gehabt und saßen an der richtigen Stelle im Flugzeug. Die Überlebensrate bei einem Unfall mit einem zivilen Flugzeug ist statistisch gesehen viel größer als man denkt. Natürlich gibt es einige Abstürze, bei denen kein Insasse überlebt, aber es gibt viele Fälle, bei denen das Flugzeug komplett zerstört wird, aber alle überleben.

Welche Plätze sind bei Passagierflugzeugen die sichersten, also wo wäre die Chance am höchsten, einen Absturz zu überleben?

Das kommt auf den Unfall an. Grundsätzlich kann man aber sagen: Passagiere, die am Notausgang im hinteren Teil des Flugzeugs sitzen, haben bei einem Unfall eine statistisch deutlich höhere Überlebenswahrscheinlichkeit als Flugzeuginsassen im vorderen Abschnitt eines Flugzeugs.

Viele Menschen stehen und sitzen in einer Flughafenhalle und schauen auf Anzeigen
Bekannte und Verwandte der Opfer des Flugunglücks am Flughafen MuanBild: JUNG YEON-JE/AFP

Wenige Tage zuvor ist eine Passagiermaschine in Kasachstan abgestürzt. Dabei sind 38 der 67 Insassen ums Leben gekommen. Das sind zwei große Flugzeugkatastrophen in kurzer Zeit. Gibt es in diesem Jahr mehr Flugzeugunglücke als sonst und ist Fliegen trotzdem noch das sicherste Fortbewegungsmittel?

Das Fliegen gehört trotz der beiden Abstürze nach wie vor zu den sichersten Formen der Mobilität. Die Sicherheit hat sich – auch dank der international vorgeschriebenen Flugunfall-Untersuchungen – immer weiter erhöht. Gab es laut einer Untersuchung von Boeing zwischen 1984 und 1993 durchschnittlich noch rund 1,5 Flugunfälle pro einer Million Starts, lag diese Zahl 2023 bei 0,2. Trotz der beiden Unfälle in den letzten Tagen wird sie 2024 wahrscheinlich noch darunter liegen.

Das Interview führte Marco Müller.