Das chinesische Jahr der Schlange
28. Januar 2025In Deutschland und in vielen Teilen der Welt ist der erste Januar der erste Tag des neuen Jahres. Nicht so in China und einigen weiteren ostasiatischen Ländern: Hier kann der Neujahrstag zwischen dem 21. Januar und dem 20. Februar liegen - das hängt ganz vom Mond ab. In diesem Jahr fällt das chinesische Neujahrsfest, auch Frühlingsfest oder "Neues Mondjahr" genannt, auf den 29. Januar. Und damit geht das Jahr des Drachen zu Ende.
Mehrere Tage lang wird gefeiert, Familien kommen zusammen, es wird üppig gespeist, und für die Kinder gibt's "Hong Bao", das sind kleine Geldgeschenke in roten Umschlägen.
Der traditionelle chinesische Kalender reicht fast 5 000 Jahre zurück. Zu Beginn eines jeden neuen Mondjahres wechselt auch das Tierkreiszeichen. Ein Zyklus dauert zwölf Jahre - und jedes Jahr wird von einem anderen Tier vertreten.
Es gibt mehrere Geschichten über den Ursprung der Tierkreiszeichen: Eine dieser Legenden besagt, dass der Jadekaiser - eine wichtige chinesische Gottheit - alle Tiere zu einem "großen Rennen" eingeladen hatte, bei dem die ersten zwölf seine Gunst gewannen.
Die zwölf, die es in der Reihenfolge ihres Erscheinens geschafft haben, sind die Ratte, der Ochse, der Tiger, der Hase, der Drache, die Schlange, das Pferd, die Ziege, der Affe, der Hahn, der Hund und das Schwein.
Berühmte Schlangen
Jedes Tierjahr wird außerdem mit einem von fünf Elementen in Verbindung gebracht - Holz, Feuer, Erde, Metall oder Wasser. 2025 ist das Jahr der Holzschlange.
Zu den prominenten Schlangen gehören der chinesische Premierminister Xi Jinping, die US-amerikanischen Sängerinnen Taylor Swift und Billie Eilish, der britische Physiker Stephen Hawking, der südkoreanische Sänger und Schöpfer des "Gangnam Style"-Tanzes Psy sowie die amerikanische Talkshow-Moderatorin Oprah Winfrey.
Auch die britische Autorin und Schöpferin der Harry-Potter-Reihe, J.K. Rowling, wurde im Jahr der Schlange geboren. Harry Potters schlimmster Gegenspieler ist Lord Voldemort, der dem Haus Slytherin angehörte. Das Wappentier von Slytherin ist die Schlange - und Voldemorts Sidekick ist ebenfalls eine Schlange namens Nagini.
Im chinesischen Tierkreis wird die Schlange mit Weisheit, Eleganz und Flexibilität in Verbindung gebracht. Diejenigen, die unter diesem Zeichen geboren sind, gelten als sehr gelassen, intuitiv und charmant. Das Element Holz verstärkt einige dieser Eigenschaften noch - so gelten Holzschlangen als besonders prinzipientreu, offen, kooperativ, konsequent und geschmackvoll.
Verehrt und gefürchtet zugleich
Egal, wo auf der Welt, und egal, ob in der Mythologie, Religion oder Folklore: Schlangen wurden entweder als göttliche Boten verehrt oder als Vorboten des Untergangs gefürchtet.
Im alten Ägypten zierte oft eine sich aufbäumende Kobra, ein wichtiges Symbol königlicher Macht, den Kopfschmuck der Pharaonen. Die Uräusschlange repräsentierte Wadjet, die Kobragöttin des alten Ägypten, die als Beschützerin des Landes und seiner Könige galt.
Umgekehrt stand die Riesenschlange Apophis, auch Apep genannt, für Chaos und Unordnung. Nach der ägyptischen Kosmologie versuchte Apophis jede Nacht, den Sonnengott Ra zu verschlingen, während er durch die Unterwelt reiste. Jeder Morgen symbolisierte Ras Triumph über das Chaos, den Sieg des Lichts über die Dunkelheit.
Symbole der Weisheit und Verwandlung
In der griechischen Mythologie symbolisiert der Stab des Äskulap, der von einer Schlange umschlungen ist, Medizin und Heilung - dieses Zeichen steht auch heute für den Arztberuf. Dies rührt von der Fähigkeit der Schlange her, sich zu häuten, was für Erneuerung und Verjüngung steht.
Der Stab des Äskulap ist nicht zu verwechseln mit dem Stab des griechischen Götterboten Hermes. Das ist ein Stab mit zwei Flügeln, der von zwei Schlangen mit einander zugewandten Köpfen umschlungen wird. Nach einer Legende trennte Hermes zwei kämpfende Schlangen mit einem Olivenzweig. Aus Dankbarkeit umschlangen sie den Zweig und wandten sich liebevoll einander zu. So gilt der Hermesstab auch als Friedenssymbol.
In der chinesischen Legende von der weißen Schlange verwandelt sich der Schlangengeist Bai Suzhen in eine wunderschöne Frau, die sich in einen Menschen verliebt. Die beiden heiraten, doch ihre übernatürliche Herkunft bleibt nicht verborgen. Es kommt zu einer Tragödie - doch letzten Endes siegt die Liebe.
Zwischen dem Göttlichen und dem Irdischen
In der hinduistischen Mythologie werden Schlangengötter oder Nagas oft als Beschützer von Schätzen und Gewässern dargestellt, als Hüter lebenserhaltender Kräfte.
Einer der bekanntesten Nagas ist Shesha, auch bekannt als Ananta ("der Endlose"). Shesha stützt das Universum auf seinem riesigen, zusammengerollten Körper und bietet dem Gott Vishnu eine Ruhestätte. Er symbolisiert die Ewigkeit und die unendlichen Zyklen von Schöpfung und Zerstörung, die der hinduistischen Kosmologie zugrunde liegen.
In den Traditionen der nord- und mittelamerikanischen Ureinwohner stehen Schlangen oft für Fruchtbarkeit und die zyklischen Muster der Natur. Die Hopi zum Beispiel führen den Schlangentanz auf, um für Regen und reiche Ernten zu beten.
Die Regenbogenschlange ist eine zentrale Figur in der Mythologie der australischen Aborigines. Als Schöpfungsgestalt formte sie Berge und Täler, und sie ist die Hüterin des Wassers - das wichtigste Gut in der Wüste. Auch steht sie für den Beginn des Lebens.
Versuchung und Erlösung
In der christlichen Tradition spielt die Schlange eine zentrale Rolle in der Schöpfungsgeschichte von Adam und Eva. Nachdem sie Eva dazu verführt hatte, die verbotene Frucht zu essen, vertrieb Gott Adam und Eva aus dem Paradies. Die Schlange wurde zum Synonym für Sünde und moralischen Verfall. Gleichzeitig steht sie für Erkenntnis, Erlösung und Heilung - zentrale Themen der christlichen Theologie.
Und heute? Schlangengifte können tödlich sein, aber sie können auch eine große Heilkraft haben. In der zeitgenössischen Wissenschaft wird Schlangengift verwendet, um Medikamente zu entwickeln, die unter anderem Bluthochdruck und Herzbeschwerden bekämpfen. So hat sich das Reptil mit den heilenden Kräften weltweit längst in die Forschungslabore geschlängelt - so geschmeidig wie die Schlange, die an diesem 29. Januar auf die Startnummer 1 der chinesischen Tierkreiszeichen gleiten wird.
Adaption aus dem Englischen: Silke Wünsch