Daichi Kamada - der Eintracht entwachsen?
25. Februar 2023Es war ein undankbares Spiel für Daichi Kamada. Bei der 1:2-Niederlage Eintracht Frankfurts bei RB Leipzig am 22. Spieltag der Bundesliga hatte der Japaner wenig Gelegenheit, sich in Szene zu setzen - zu gut stand die RB-Defensive. Trotzdem arbeitete Kamada viel, bot sich immer wieder in der gefährlichen Zone an und holte sich zahlreiche Bälle tief im eigenen Mittelfeld. Oftmals ging er sogar mit zurück an den eigenen Strafraum, um die Defensive zu unterstützen, lief die Leipziger Gegner an, um den Ball zu erobern und scheute auch keine Kopfballduelle. Was Einsatz und Laufbereitschaft betraf, war Kamada einer der aktivsten Frankfurter, die insgesamt aber auf verlorenem Posten kämpften. Immerhin den 1:2-Anschlusstreffer der Eintracht durch Djibril Sow leitete Kamada mit einem gefühlvollen Pass auf den Flügel ein.
Angesichts seiner aktuellen Leistungen ist es kaum zu glauben, dass Frankfurts ehemaliger Trainer Adi Hütter den Japaner einst aus dem Kader strich und in eine separate Trainingsgruppe "strafversetzte". Kamada, der seit 2017 beim Europa-League-Sieger unter Vertrag steht, wurde damals, im August 2018, sogar verliehen. Eine Saison lang spielte er für den Klub VV St. Truiden in der belgischen Liga - und zeigte dort die Leistungen, die er mittlerweile auch bei den Frankfurtern regelmäßig abruft. Kamada war in Belgien sogar so gut, dass er im März 2019 erstmals für die japanische Nationalmannschaft auflaufen durfte und seitdem zu deren festem Stamm gehört. Auch bei der WM in Katar beim Sieg der Japaner gegen das DFB-Team stand er auf dem Platz.
Offensive Klasse, fehlende Körpersprache
Dass er an Kamada nicht mehr vorbeikam, sah nach dessen Rückkehr nach Frankfurt auch Hütter ein. Er setzte nun auf den Japaner, der sich bald zu einer Konstante im Spiel der Eintracht und einer Art offensiven "Allzweckwaffe" entwickelte. "Daichi ist ein kreativer Spieler, der mit seiner Genialität den Unterschied ausmachen kann", lobte Hütter Kamada einst, nach einem Spiel, in dem der Frankfurts Nummer 15 einmal mehr den Unterschied ausgemacht hatte. Insgesamt stand der Japaner bislang in 163 Pflichtspielen für die Eintracht auf dem Platz. Dabei erzielte er 37 Tore und gab 31 Vorlagen.
Trotzdem gab es oft Kritik - vor allem von Seiten der enthusiastischen Eintracht-Fans. Die Körpersprache des Japaners gefiel ihnen nicht. Oft schien er unbeteiligt, lethargisch und nicht bereit, sich mit vollem Einsatz in die Zweikämpfe zu werfen. "Fußballerisch gesehen werde ich von den Fans nicht ganz so geliebt werde", sagte Kamada im Dezember 2021 in einem Interview mit dem Hessischen Rundfunk. "Ich weiß, dass meine Spielweise im Frankfurter Fanumfeld eher kritisch gesehen wird." Das sei zwar nicht unerheblich, wichtiger sei aber, was Trainer und Mitspieler sagen. "Solange sie mit mir zufrieden sind, bin ich auch zufrieden", so Kamada.
Mister Europa League
Vor allem in der Europa League hatten Teamkollegen und Trainer selten einen Grund, sich über Kamada zu beklagen. Oft war er der entscheidende Mann der Eintracht. In der Europa-League-Saison 2019/2020, bis zum Aus im Achtelfinale gegen den FC Basel, erzielte Kamada sechs Tore. Als die Frankfurter den Wettbewerb 2022 gewannen und sich dadurch erstmals für die Champions League qualifizierten, traf er fünfmal ins gegnerische Tor. Beim Finalsieg gegen die Glasgow Rangers durch Elfmeterschießen war er einer der erfolgreichen Schützen.
Kamadas gute Leistungen blieben nicht unbemerkt. 2019 zeigte der FC Genua großes Interesse am Japaner, doch ein Veto von Hütter verhinderte dessen Transfer in die italienische Serie A. Vergangenen Sommer war sich Kamada dann bereits mit Portugals Rekordmeister Benfica über einen Wechsel einig. Doch wieder war es der Trainer, der nicht einverstanden war: Hütter-Nachfolger Oliver Glasner wollte lieber seinen vielseitigen Offensivspieler behalten, als mit einer Ablösesumme, die sich wohl im Bereich um die 20 Millionen Euro bewegt hätte, das Konto des Klubs zu füllen. So blieb Kamada letztlich bei der Eintracht, seinen Vertrag, der nur noch bis zum Saisonende läuft, verlängerte er aber nicht.
Borussia Dortmund als nächster Schritt?
Offenbar ist der Japaner der Eintracht nun doch entwachsen und bereit für eine neue Aufgabe. Zwar ist der Klub drauf und dran sich erneut für den Europapokal zu qualifizieren. Sogar die Top-Vier in der Bundesliga sind trotz der Niederlage in Leipzig noch in Reichweite und damit die Möglichkeit, sich zum ersten Mal auf direktem Weg über den Tabellenplatz für die Champions League zu qualifizieren. Auch im DFB-Pokal ist Frankfurt noch dabei.
Trotzdem strebt Kamada offenbar einen Transfer zu Borussia Dortmund an. Ein Wechsel, den man wohl unter "den nächsten Schritt machen" verbuchen könnte. Laut "Bild"-Zeitung soll sich der BVB bereits auf einen Fünfjahresvertrag mit Kamada geeinigt haben. Mit dem Jahresgehalt von fünf bis sechs Millionen Euro und einem Handgeld von angeblich zwölf Millionen schnürt der BVB ein Gesamtpaket von rund 40 Millionen Euro - eine Summe, bei der die Eintracht - trotz allen Willens, den Spieler zu halten - nicht mithalten kann.
Mit der Verpflichtung eines offensiven Mittelfeldspielers aus Japan hat die Borussia bereits früher gute Erfahrungen gemacht. Von 2010 bis 2012 und - nach seiner Rückkehr von einem zweijährigen Intermezzo bei Manchester United - von 2014 bis 2019 trug Shinji Kagawa das BVB-Trikot. Kagawa lief 216 Mal für Dortmund auf. Er erzielte für die Schwarz-Gelben 60 Tore und legte seinen Mitspielern 55 Treffer auf. Große Fußstapfen für Daichi Kamada - aber er hat bei Eintracht Frankfurt bereits bewiesen, dass er sie ausfüllen kann.