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Seehofer prüft trotz Asyl-Kompromiss Klage

6. November 2015

Die SPD erklärt nach der Einigung auf deutsche Asylschnellverfahren, sie setze nun auf konstruktive Arbeit der Koalition. "Sehr gut", heißt es auch von der CSU. Trotzdem denkt sie weiter über eine Klage nach.

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Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/S. Stache

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer schwelgt zunächst genüßlich im Lob für den Asyl-Kompromiss der schwarz-roten Koalition. "Wir haben die schärfsten Regeln, die es jemals in unserem Lande gab - mit Zustimmung der SPD", kommentiert der CSU-Vorsitzende vor den Kameras der ARD. Die Ergebnisse seien "sehr, sehr gut."

Die Einrichtung von Transitzonen habe er zwar nicht durchsetzen können. Hauptziel sei aber gewesen, Menschen ohne Bleiberecht so schnell wie möglich wieder in ihre Heimatländer zurückzuschicken. Die beste Obergrenze sei jedoch, wenn die Flüchtlinge in ihrer Heimat bleiben würden. Mit den neuen Aufnahme-Einrichtungen schafften Union und SPD mehr Ordnung im Verfahren. Nur dort sollen künftig Asylbewerber mit geringer Aussicht auf Anerkennung einen Antrag stellen können. Die Stadt oder den Landkreis dürfen sie nicht verlassen.

Trotz des Kompromisses in der großen Koalition vom Donnerstag behält sich der CSU-Chef die Möglichkeit einer Klage gegen die Bundesregierung vor. "Wir haben uns zu vielen Alternativen und Handlungsmöglichkeiten vorbereitet", meinte Seehofer in dem Interview. "Im Moment" seien solche Wege nicht notwendig, es gehe aber darum, wie Bayern sich wehren könne gegen einen übermäßigen Zustrom von Flüchtlingen. "Ob wir dann mal klagen, werden wird sehen".

Bayern will mit Hilfe eines Gutachtens des früheren Verfassungsrichters Udo di Fabio prüfen lassen, ob gegen die Berliner Flüchtlingspolitik geklagt werden kann. Der Ministerpräsident hatte Kanzlerin Angela Merkel und ihrer Regierung immer wieder vorgeworfen, nichts Entscheidendes zur Begrenzung des Flüchtlingszustroms nach Deutschland zu tun. Sein Verhältnis zu Merkel sei nun "wieder gekittet", versicherte Seehofer jetzt. Es gehe nicht um einen Machtkampf mit ihr, sondern "um die Lösung eines riesigen historischen Problems."

"Seehofer hat Lektion gelernt"

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann erwartet nach der Einigung auf das neue Asyl-Paket eine Rückkehr zur Sacharbeit in der Koalition. "Die Transitzonen sind vom Tisch. Die Regierungskrise ist beendet", sagte Oppermann in Berlin. "Ich glaube, dass Herr Seehofer gelernt hat, dass eine solche konfrontative Debatte nicht unbedingt zu den gewünschten Ergebnissen führt", meinte der Sozialdemokrat.

Bayern müsse in den geplanten Einrichtungen in Bamberg und Manching nun zeigen, dass Asylverfahren innerhalb von 21 Tagen beendet werden könnten. "Wir wollen sehen, ob das auch wirklich funktioniert." Oppermann kündigte an, die vereinbarten Maßnahmen würden in ein Gesetzespaket münden, das noch in diesem Jahr beschlossen werden solle.

"Asylrecht weiter geschliffen"

Die Opposition aus Linkspartei und Grünen kritisierte den Asylkompromiss der schwarz-roten Regierung als unzureichend. "Auf Teufel komm raus soll abgeschoben werden, damit wird das Asylrecht weiter geschliffen", beklagte Linksparteichef Bernd Riexinger. "Es besteht die Gefahr, dass den Menschen kein faires Asylverfahren nach rechtsstaatlichen Prinzipien gewährt wird."

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann von den Grünen sieht noch viele offene Fragen. Für die schnellere Bearbeitung von Asylverfahren fehle immer noch Personal vom Bund, mahnte er in Stuttgart. Wichtig sei, wie im Paket vereinbart, dass die Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern erleichtert und Abschiebehindernisse aus dem Weg geräumt würden. "Sehr skeptisch" zeigte sich Kretschmann zu dem Plan, den Familiennachzug für bestimmte Flüchtlinge für zwei Jahre auszusetzen. "Diese Frage lässt sich nicht leichtfertig abhandeln."

Afghanische Flüchtlinge im Visier?

Auch die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl sprach von einem "gravierenden Einschnitt in das Asylrecht". Bayerns Ministerpräsident Seehofer habe sein "rechtsstaatlich fragwürdiges, die Menschenrechte beschneidendes Eilverfahren" durchgesetzt. Pro Asyl warf der Koalition vor, mit ihren Beschlüssen vor allem auf afghanische Flüchtlinge zu zielen. Nach den politischen Vorgaben solle es trotz der "zusehends schwierigeren Menschenrechts- und Sicherheitslage in Afghanistan" zu vermehrten Ablehnungen der Asylanträge und Abschiebungen kommen.

"Die Anerkennungsquoten sollen gedrückt, Menschen entrechtet werden, um sie abschiebungsreif zu machen", erklärte Geschäftsführer Günter Burkhardt. "Deutschland setzt auf Entrechtung und Abschreckung. Der Sommer des Mitfühlens ist einer Politik der Kälte gewichen."

SC/uh (afp, rtr, dpa)