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COVID-19 erschwert Kampf gegen Spielmanipulation

John Duerden
23. Dezember 2021

Spielmanipulationen sind ein großes Problem im asiatischen Fußball. Zwar wurden in den letzten Jahren Fortschritte bei deren Bekämpfung erzielt, doch die Pandemie hat es der Wettmafia nun wieder leichter gemacht.

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Symbolbild Spielmanipulation
Bild: Hanno Bode/imago images

Asien gilt weltweit seit Jahren als Paradies für Spielmanipulationen im Fußball. Vor allem in Südostasien, einer Region mit rund 650 Millionen Einwohnern, die sich vom Westen Indiens bis ins östliche China erstreckt, gibt es nur wenige Ligen, in denen es noch keinen Manipulations-Skandal gegeben hat.

Seit der Fußball in den frühen 1990er Jahren von einem großen Skandal erschüttert wurde, kämpft Malaysia gegen kriminelle Spielabsprachen. Doch nicht nur dort, auch in Laos wurden Spiele verschoben. Im Jahr 2017 belegte die Asiatische Fußballkonföderation (AFC) 22 Spieler und Offizielle mit lebenslangen Sperren. Und erst vor wenigen Wochen bestätigte der malaysische Fußballverband, dass aktuell zwei Spiele aus dem Oktober dieses Jahres untersucht werden würden.

Leichter Zugang für die Wettmafia

Niedrige Gehälter, die zudem nicht immer zuverlässig gezahlt werden, bilden einen fruchtbaren Boden für die Wettmafia in Südostasien. So ist es oft leicht Spieler, Trainer oder Offizielle zu überreden bestimmte Spiele zu verschieben. "Sobald die Klubs ihre Spieler nicht mehr bezahlen, werden die Betrüger aktiv", erklärt Steve Darby, der in Südostasien als Trainer tätig war und unter anderem in Vietnam, Laos, Malaysia und Singapur gearbeitet hat. "Du hast drei Monate kein Geld bekommen, musst deine Miete bezahlen und zwei Kinder ernähren. Und dann bietet dir jemand sechs Monatsgehälter für ein Spiel an. Ich glaube, das ist der häufigste Grund für eine Spielmanipulation."

Fußball Spielmanipulation in Asien
Vor Gericht: Spieler Tran Manh Dung soll Spiele des AFC-Cups manipuliert habenBild: Vietnam News Agency/AFP

Laut des Enthüllungsjournalisten und Wissenschaftlers Declan Hill, Autor von "The Fix" und "The Insider's Guide to Match-Fixing", sind die Umstände in den beschriebenen Regionen wie geschaffen für Spielmanipulationen. "In Ländern wie Thailand, Indonesien, Kambodscha und Vietnam gibt es Korruption in den Fußballligen, genauso wie in den Mannschaften", sagt Hill gegenüber der DW. "Dann bezahlen die Vereine die Spieler nicht und die Hierarchie in den Teams, wo ältere die jüngeren Spieler dazu zwingen mitzumachen, sorgt für den Rest."

Schiedsrichter muss zehn Jahre ins Gefängnis

Doch so etwas geschieht nicht nur in Südostasien. Bei einem Skandal im Jahr 2011 in der südkoreanischen K-Liga, die als eine der stärksten und professionellsten Ligen Asiens gilt, waren mehr als 50 Spieler und Trainer verwickelt. Es fiel auf, dass viele Spieler nur geringe Summen - bis zu 2.000 Euro - für Spielabsprachen akzeptierten. Ältere Spieler, die für die Betrüger arbeiteten, waren geschickt darin, entweder Mannschaftskameraden zu rekrutieren oder andere zum Schweigen zu zwingen. "Um eine profitable Lösung zu finden, müssen die besten Spieler beteiligt sein", sagt Darby im Interview mit der DW. "Es sind in der Regel die älteren Spieler, die in Spielmanipulationen verwickelt sind, so dass die jungen Spieler kaum eine Chance haben, sich zu wehren."

Der ehemalige Trainer berichtet ebenfalls, dass er selbst auf Kollegen gestoßen ist, die Geld angenommen haben. Zudem gibt es zahlreiche Beispiele, wo Schiedsrichter an Spielmanipulationen beteiligt gewesen waren. So wie der chinesische Spitzenschiedsrichter Gong Jianping, der 2003 zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt wurde, nachdem er Manipulationen gestanden hatte.

COVID-19 verändert das Spiel

Der AFC versucht die Probleme in den Griff zu bekommen und arbeitet seit 2013 mit dem in der Schweiz ansässigen Sportdatenunternehmen "Sportradar" zusammen. Die internationale Organisation verfügt über eine große Abteilung für Integritätsdienste, die den internationalen Sport analysiert, um Anzeichen für Spielmanipulationen zu erkennen. "Ich war zutiefst beeindruckt, wie ernst der AFC dieses Thema nimmt", sagt Andreas Krannich, Geschäftsführer für Integritätsdienste bei "Sportradar". "Der Verband ist weltweit führend in Sachen Sportintegrität. Sie haben eine Null-Toleranz-Haltung eingenommen und die Zahlen sind gesunken." Im Februar 2020 meldete "Sportradar" einen Rückgang von 21 Prozent bei Spielmanipulationen gegenüber 2013.

Doch dann kam die weltweite Pandemie und wirbelte alles durcheinander. In der Anfangszeit führte es dazu, dass Spieltage abgesagt oder terminiert werden oder Spiele in leeren Stadien stattfinden mussten. "COVID-19 war ein Wendepunkt", erklärt Krannich. "Die Pandemie hat wieder Öl ins Feuer gegossen."

Shift vom 10.04.2021
Im Fokus der Wettmafia: E-Sports in AsienBild: DW

Ein Grund dafür ist wirtschaftlicher Natur. Als sich das Virus ausbreitete, sahen sich die Klubs überall mit sinkenden Einnahmen konfrontiert. Viele versuchten, die Kosten zu senken und ihre größten Ausgaben zu reduzieren: die Spielergehälter. Die Stars der großen europäischen Vereine stimmten während der ersten Welle 2020 einer vorübergehenden Gehaltskürzung zu. Die Spieler weiter unten auf der Gehaltsliste waren aber von den geringeren Gehältern stärker betroffen als andere. "Die Drahtzieher haben schnell begriffen, dass viele Sportarten in der Folge von Covid-19 finanziell angeschlagen sind", berichtet Hill. "Und wo es viel weniger Geld gibt, sind Spieler, Schiedsrichter, Trainer, Präsidenten zunehmend verwundbar.

Krannich erklärt, dass Kriminelle sich einen weiteren "COVID-19-Effekt" zunutze gemacht hätten: das mobile Arbeiten. "In der Vergangenheit mussten organisierte Verbrechergruppen oder auch Einzelpersonen physisch mit den Spielern in Kontakt treten. Doch jetzt, mit der digitalen Reichweite, versuchen sie es tausendmal und werden immer einen treffen - zudem sind die Nachrichten auch noch verschlüsselt." Eine Rückverfolgung wird so extrem erschwert. Zu Beginn des Jahres 2021 meldete "Sportradar", dass 40 Prozent der verdächtigen Aktivitäten im Fußball in drittklassigen Ligen und darunter - einschließlich Jugendspielen - stattfanden.

E-Sport gerät in den Fokus

"Anfang 2020 wurde kein Fußball gespielt", sagt Krannich. "Für die Buchmacher war das eine bizarre Situation. Sie waren verzweifelt auf der Suche nach neuen Sportarten. Mit den Betrügern ist es dasselbe. Wenn es keinen Sport gibt, gibt es auch keine Absprachen. So begannen sie sich mit Sportarten zu befassen, an die sie vorher nicht gedacht hatten."

E-Sport ist ein Bereich, der relativ unempfindlich gegenüber den Auswirkungen der Pandemie ist, da Fernwettkämpfe möglich sind. Im Juni wurden sechs Profispieler zwischen sechs Monaten und fünf Jahren gesperrt, weil ein Spieler gegen sein eigenes Team wettete und dann seine eigenen Teamkollegen bestochen hat.

Krannich: "Es ist eine internationale Bedrohung"

In solch einem schwierigeren Umfeld würde Hill es begrüßen, wenn sich die Polizeikräfte so weit wie möglich einbringen würden. "Korruption ist in Asien immer noch weit verbreitet. Und wenn die asiatischen Polizeikräfte in der Vergangenheit ermittelt haben, kam es fast immer zu Verhaftungen und Verurteilungen." Ligen, Verbände und Polizeikräfte in aller Welt müssen stärker zusammenarbeiten.

"Spielmanipulationen sind ein internationales Problem", sagt Krannich. "Bei Sportradar sind wir ein Warn- und Ermittlungssystem, aber wir sind nicht die Polizei. Wenn die Behörden nicht handeln, können wir so viel aufdecken, wie wir wollen, es wird nichts passieren. Wir müssen weitermachen, denn es ist eine globale Bedrohung."