Coronavirus-AHA-Regeln: Wie viel Abstand darf es bitte sein?
Abstand ist wichtig. Aber eine festgesetzte Abstandsregel wird der realen Ausbreitung von Viren nicht gerecht, sagen britische Forscher. Und die CDC warnt: Infektionen drohen schon nach wenigen Minuten.
Aber bitte mit Abstand!
Das sind die AHA-Regeln wie wir sie kennen: Abstand von 1,5 bis 2 Metern halten (in angelsächsischen Ländern: 6 Fuß), Hygiene beachten und Alltagsmaske tragen. Doch das werde der komplexen Realität, wie sich Aerosole ausbreiten, nicht gerecht, schrieben Forscher aus Oxford und London (UK) sowie aus Cambridge (USA) in einer Analyse, veröffentlicht im British Medical Journal Ende August.
Wie jetzt?
Der britische Premierminister Johnson führte die Abstandsregeln in einem Klassenzimmer vor. Aber was heißt das jetzt genau? Müssen zwischen seinen Fingerspitzen und denen eines potentiellen weiteren Menschen auch nochmal 1,50 Meter liegen? Eigentlich wäre das logisch. Wenn ein Mensch aber schon mit zwei Armlängen 1,50 Meter misst, da kommen schnell mal Strecken von gut 4,50 Meter zusammen.
Oder doch besser in Schaflängen rechnen?
Der isländische Verband der Schafzüchter hat eigene Regeln aufgestellt: Zwei Schafslängen sind sachgerecht zur Vermeidung einer Infektion. Ob die Alltagsmaske da wohl aus echter Schafswolle gestrickt ist? Dieser junge Schäfer im Senegal zieht dem Tier schon mal die Hammelbeine lang. Vielleicht will er herauszufinden, wie lang ein Schaf ist. Die Isländer wissen es schon: genau ein Meter.
Natürliche Abstandhalter
So geht es natürlich auch. Die Standardlänge einer Hundeleine entspricht ziemlich genau den geltenden Corona-Regeln. Kann es da Zufall sein, dass in der englischsprachigen Welt für Orte an denen Leinenpflicht herrscht meist eine "sechs-Fuß-Leine" vorgeschrieben wird?
Woher stammt eigentlich die 2-Meter-Regel?
Das Autorenteam um die Professorin für Strömungsdynamik Lydia Bourouiba schreibt, dass die Regel veraltet sei. Der deutsche Mediziner C. Flügge habe 1897 diesen Abstand empfohlen. Sichtbare Tröpfchen, die er in diesem Bereich aufgefangen hatte, waren noch ansteckend. Eine andere Studie von 1948 zeigte, dass 90 Prozent ausgehusteter Streptokokken in Tröpfchen nicht weiter flogen als 1,70 Meter.
Zwei Meter sind nicht genug
Die Studie von 1948 war im American Medical Journal erschienen. Sie zeigte auch, dass immerhin 10 Prozent der Streptokokken viel weiter flogen: Bis zu 2,90 Meter. Unter solchen Umständen wären vielleicht die Menschen auf dieser Wiese am Düsseldorfer Rheinufer sicher - wenn jeder zweite Kreis frei bleibt. Aber Moment mal! Es geht uns doch dar nicht um Streptokokken (Bakterien) sondern um Viren.
Viren verbreiten sich über Aerosole
Viren sind viel kleiner als Bakterien und können damit stundenlang herumschweben und sich auch besser in der Raumluft verbreiten. Deshalb empfehlen die Forscher, nicht nur den Abstand zwischen zwei Menschen zum Sicherheitskriterium zu machen sondern noch weitere Faktoren: die Belüftung des Raumes, ob die Menschen Masken tragen, ob sie schweigen, leise sprechen oder singen und rufen.
Bloß nicht singen oder husten
Zahlreiche Studien jüngeren Datums zeigen zudem, dass beim Husten regelrechte Virenpakete bis zu acht Meter weit geschleudert werden können. Auch lautes Sprechen oder Singen wirbelt einiges an Aerosolen und Tröpfchen in den Raum. Wird indes nur leise gesprochen, wie in einer Bibliothek und sitzen die Menschen dazu noch an der frischen Luft, können die Abstände wieder geringer sein.
Wie lange bleibe ich in dem Raum?
Entscheidend für die Gefahreneinschätzung ist auch die Dauer des Aufenthalts in dem kontaminierten Raum und wie viele Menschen sich darin aufhalten. Aus all diesen Faktoren haben die Forscher ein Ampelmodell entwickelt. Das klare Ergebnis: In Räumen mit vielen Menschen sollte man sich grundsätzlich nur kurz aufhalten, gut lüften, Alltagsmaske tragen und leise sprechen.
Auch eine Minute reicht, um sich zu infizieren
Auch sehr kurze Kontakte können reichen, um SARS-CoV-2 weiterzugeben. Die US-Gesundheitsbehörde CDC musste am 21. Oktober ihre Regeln verschärfen. Zuvor hatte sich ein Gefängniswärter bei Gefangenen angesteckt hatte, mit denen er niemals länger als wenige Minuten Kontakt hatte. Ab jetzt gilt als "enger Kontakt": unter zwei Meter, mindestens 15 Minuten aber kumuliert - über 24 Stunden.
Hier geht es auch ohne Maske
Hier zeigt die Ampel des britisch-amerikanischen Forscherteams indes grün: Ohne Maske ist es nämlich nur draußen auch über längere Zeit sicher, wenn wenige Menschen in der Nähe sind, alles gut belüftet ist und niemand viel spricht. Aber ob dann die 1,50 Meter reichen?