Schulen bereiten sich auf den Herbst vor
25. Juni 2021In Deutschland haben in manchen Bundesländern die Sommerferien begonnen - der Ferienbeginn wird traditionell zeitlich gestaffelt. Doch schon jetzt steht die bange Frage im Raum, wie es nach den Ferien weitergehen soll. Die Kultusminister, also die in den Bundesländern zuständigen Minister für die Schulen, haben es sich zuletzt recht einfach gemacht. In ihrem Beschluss vom 11. Juni gaben sie die Devise aus: Die Schulen sollen wieder mit "vollständigem Präsenzunterricht" starten. Obwohl auch wegen der gefährlichen Virus-Mutanten unklar ist, wie die Infektionslage in ein paar Wochen oder Monaten sein wird.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn grätschte dazwischen und sagte, es könne sein, dass es auch nach den Ferien mit Wechselunterricht und Masken weitergehen werde. Zwar relativierte er seine Aussage später, löste aber dennoch eine Diskussion aus. Der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, hat sich für Schutzmaßnahmen in Schulen bis zum kommenden Frühjahr ausgesprochen.
Kein Impfstoff für Kinder
Handlungsbedarf ergibt sich vor allem, weil anders als in Büros oder Fabriken Schulen auch im Herbst Orte sein werden, an denen viele nicht geimpft sind und damit die Hauptwaffe gegen die Pandemie nicht wirkt. Während Erwachsene gute Aussichten haben, bis zum Herbst mindestens eine Impfung zu bekommen, gilt das nicht für Kinder. Es gibt derzeit schlichtweg noch keinen zugelassenen Impfstoff für Kinder unter zwölf Jahren. Und für Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren gibt es zwar einen Impfstoff, aber keine allgemeine Impfempfehlung.
Kanzleramtsminister Braun sagte, deshalb sei es wichtig, dass sich alle Erwachsenen um die Kinder herum - also die Pädagogen und Eltern - impfen lassen. Doch wie hoch ist der Anteil der Impfverweigerer? Wird das Modell "Schutzring" funktionieren?
Wie können Kinder und Jugendliche geschützt werden?
Der Kinderschutzbund, der größte Interessensverband für Kinder und Jugendliche in Deutschland, warnt: "Das Wichtigste jetzt ist, nicht auf das Prinzip Hoffnung zu setzen - die Zahlen gehen runter, da wird das nächste Schuljahr schon werden", sagte Geschäftsführer Daniel Grein im DW-Gespräch. Vielmehr sollten in den Sommerferien, wenn niemand in der Schule ist, Baumaßnahmen angegangen werden. "Wo was getan werden kann, sollte es jetzt getan werden, um Kindern nicht noch einmal so ein Schuljahr zuzumuten."
Mobile oder eingebaute Luftreiniger seien solche machbaren Maßnahmen. Experten empfehlen das schon länger, um Kinder und Jugendliche vor einer Infektion zu schützen. Auch gibt es bereits laufende Pilotprojekte. So sind in einer Münchener Schule seit einem halben Jahr mobile Luftreiniger in Betrieb - Preis rund 3000 Euro pro Stück. Das Geld kam von der Gemeinde. Mit Erfolg, wie Susanne Sieben, Rektorin der Grundschule Neubiberg, in einem TV-Bericht sagte: "Wir hatten nur zwei Infektionen durch Reiserückkehrer." Begleitet wird das Projekt von der Universität der Bundeswehr in München. Mit mobilen Luftreinigern ließe sich, so der Aerosolforscher Christian Kähler, bei richtiger Anwendung "das indirekte Infektionsrisiko in Schulen nahezu ausschließen". Indirekt meint eine Infektion durch im Raum schwebende Viren.
Noch versucht man, sich vor allem durch regelmäßiges Lüften zu helfen. So steht es in vielen Hygiene-Pläne von Schulen. In der kalten Jahreszeit aber bedeutet das, dass Kinder mit Mützen und Handschuhen im Unterricht sitzen.
"Maßnahmen der Bundesregierung kommen zu spät"
Technische Maßnahmen kosten Geld, das an vielen Schulen fehlt. Der Bund hat vor kurzem zugesagt, zumindest den Einbau von Luftfiltern finanziell zu fördern. Für die Sommerferien sei die Zusage für viele zu spät gekommen, da bauliche Maßnahmen einen zeitlichen Vorlauf bräuchten, sagt Daniel Grein vom Kinderschutzbund.
Das sei typisch: "Die Bundesregierung hängt mit ihren Maßnahmen deutlich hinterher, das macht die Programme nicht automatisch schlecht, aber wünschenswert wäre schon gewesen, das etwas rechtzeitiger auf den Markt zu werfen."
Ein anderes Beispiel dafür sei das beschlossene Nachhilfepaket der Bundesregierung, immerhin zwei Milliarden Euro schwer. "Auch das kommt spät und lässt sich wohl schwer umsetzen, wenn man es wenige Wochen vor den Sommerferien beschließt", so Grein.
Geld für Laptops
Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass der Bund die Schulen unterstützt, obwohl das eigentlich Sache der Bundesländer ist - Beispiel Digitalisierung. Weil es seit Jahren nicht voranging, hat sich der Bund sozusagen eingemischt und einen "Digital-Pakt" aufgelegt. Startschuss war schon vor der Pandemie, der Etat wurde wegen Corona aktuell auf fünf Milliarden Euro aufgestockt.
Vor Ort kann das wirklich helfen, wie ein Beispiel aus der Kleinstadt Calau im Bundesland Brandenburg zeigt. Hier kaufte die einzige Schule im Ort kurz vor den Sommerferien Laptops im Wert von fast 28.000 Euro. "Wir haben Familien, bei denen das Geld nicht so locker sitzt. Sie können sich daher nicht immer ein modernes Gerät für das Homeschooling leisten. Insbesondere wenn mehrere Geschwister gleichzeitig lernen müssen, stellte das bisher manche Familien vor echte Abstimmungsprobleme", berichtet die Schulleiterin. Nun bestehe die Chance, in den Ferien Schulstoff nachzuholen.
Modernere Unterrichtsformen?
Ferien und Schulstoff nachholen? Das wird wohl für viele kein Widerspruch sein. Viele Bundesländer haben eigens dafür vorgesehene Ferienprogramme aufgestellt, zum Beispiel Sprachkurse oder Schwimmschulen. Auch der Kinderschutzbund will nicht schwarzmalen; es gebe viele Schulen, die gut durch die Pandemie gekommen seien und sich für die Zukunft rüsteten. Doch das Bild insgesamt sei sehr uneinheitlich.
Selbst manche positive Aspekte der Pandemie werden diskutiert. Wie viel "normalen Unterricht" soll es zukünftig noch geben? Viel Geld und Energie wurde in neue, digitale Unterrichtsformen investiert - war das alles umsonst? In Berlin wird diese Diskussion bereits von Bildungspolitikern geführt. "Die Schulen sollten nach der Pandemie mehr ausprobieren dürfen", sagte die Grünen-Politikerin Stefanie Remlinger dem Sender RBB. Sie habe die Rückmeldung aus Schulen bekommen, dass sich viele eine Verbindung aus Präsenzunterricht und digitalem Lernangebot wünschten. 30 Prozent des Unterrichts in der Oberstufe digital durchzuführen, mit Videoschalten zu Lehrkräften auf der ganzen Welt oder im Sommer mit einem Laptop draußen, kann sich der CDU-Politiker Dirk Stettner vorstellen. So könnte Schule spannender werden - so denn die Ausstattung dann auch stimmt.