Corona schrumpft Rücküberweisungen nach Afrika
22. Mai 2020Die Bitten kommen immer wieder. Von seiner Frau, den drei Kindern, den vier Schwestern. Ibrahima Bah würde ihnen Geld schicken – wenn er denn welches hätte. Vor der Corona-Krise arbeitete er in Hotels und Restaurants in Paris. Die mussten schließen, aber die Verwandten in Guinea brauchen seine Hilfe trotzdem. "Die Familie ruft uns immer wieder an", klagt er im DW-Interview. "Doch ohne Arbeit und mit der Ausgangssperre ist das sehr kompliziert. Aber die Familie verlässt sich einfach auf uns."
Viele Migranten stecken in der gleichen Klemme. Mit ihren Überweisungen in die Heimat ernähren sie dort im Schnitt drei bis vier Menschen. Die Geldtransfers - im Fachjargon Remittances - sind in den letzten Jahren stark gestiegen. Weltweit waren diese privaten Hilfen für Familie und Freunde fast dreimal so hoch wie die offizielle Entwicklungshilfe.
Afrika trifft es besonders hart
Doch das war einmal. Nach Schätzungen der Weltbank werden die Überweisungen durch die Corona-Krise dieses Jahr so stark einbrechen wie noch nie zuvor. Weltweit um zwanzig Prozent. "Das ist in der Geschichte der Rücküberweisungen beispiellos, seit wir in den 80er-Jahren mit den Messungen begonnen haben", sagt Dilip Ratha von der Weltbank. Afrika trifft es dabei besonders hart. Hier rechnet die Weltbank sogar mit einem Rückgang um 23,1 Prozent. Statt wie bisher 48 Milliarden US-Dollar (rund 42 Milliarden Euro) könnten am Ende nur 37 Milliarden US-Dollar (rund 34 Milliarden Euro) überwiesen werden.
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Am fehlenden Willen liegt das nicht. "Viele Migranten sind weniger qualifiziert. Sie arbeiten oft im informellen Sektor oder als Saisonkräfte", sagt Weltbank-Experte Ratha der DW. Etwa in der Gastronomie, Fabriken, im Tourismus oder in der Landwirtschaft. Branchen, in denen viele Betriebe auf Anweisung der Behörden geschlossen bleiben müssen - oder die Kunden wegbleiben. "Migranten sind besonders gefährdet. Sie werden oft als erste entlassen oder müssen mit empfindlichen Gehaltskürzungen rechnen", so Ratha.
Verschlungene Pfade
Zweites Problem: Ohne eigenes Bankkonto müssen viele der Migranten und ihrer Verwandten die Transfers über Finanzdienstleister wie Western Union, Moneygram oder Ria abwickeln. Die Branchenriesen nehmen dafür hohe Gebühren, haben aber nur wenige eigene Filialen. Stattdessen dienen ihnen lokale Geschäfte, oft Afroshops oder Friseure, als Agenturen. Doch auch die müssen in der Krise in manchen Ländern schließen. Dann erreicht das Geld die Verwandten in Afrika manchmal nur noch auf verschlungenen Pfaden. Djibo in Niger hat es erlebt. "Meine Schwester, die in Frankreich lebt, wollte Geld an unsere Mutter schicken", erzählt er im DW-Interview. "Sie gab es einem Spediteur, der in Marseille lebt. Er kontaktierte mich und gab mir Anweisungen. Ich ging, um das Geld im Haus seines Cousins hier in Niamey abzuholen. Es ist wirklich kompliziert mit Covid-19".
Wer wie Ousmanes Mutter noch Geld erhält, kann sich glücklich schätzen. "Die Überweisungen sind eine wichtige Einkommensquelle in Afrika. Familien können sich dadurch Lebensmittel oder eine Gesundheitsversorgung leisten ", sagt der kenianische Wirtschaftswissenschaftler Jacob Omolo zur DW. Wenn die Transfers durch die Krise sinken, hätte das fatale Folgen. Da die Wirtschaft auch in vielen afrikanischen Ländern zusammengebrochen ist, sind die Überweisungen manchmal das einzige Einkommen, das viele arme Familien noch haben. "Man muss jetzt dringend über Bargeld-Zahlungen, Lebensmittelsubventionen und Lohnzuschüsse nachdenken, um die Armen zu schützen", sagt Omolo.
Afrika fehlt das Geld
Doch dafür ist nicht genug Geld in Sicht: 105 Milliarden Euro wären nötig, damit Afrika mit den Folgen der Corona-Krise fertig wird. So schätzt es die Weltbank. Ausländische Geber haben bislang gut 65 Milliarden zugesagt. Es bleibt also eine Lücke von 40 Milliarden Euro. Geld, das viele Regierungen nicht so einfach auftreiben können: Durch die Krise soll die Wirtschaft dieses Jahr geschätzt um mehr als fünf Prozent schrumpfen. Dem Kontinent droht die erste Rezession seit 25 Jahren.
Mitarbeit: Bob Barry
Hinweis: Dieser Artikel wurde zuerst am 01.05.2020 veröffentlicht.