Corona-Krise in Afrika: Stresstest für die Pressefreiheit
6. April 2020"Ich war gerade dabei, ein Interview auf der Straße zu führen, da sah ich ein Militärfahrzeug anrollen, aus dem eine Soldatin ausstieg. Sie kam auf mich zu und sagte: Du bist doch der, der diese Berichte über uns macht. Das finden wir gar nicht gut!" So erzählt es Yussif Abdul Ganiyu, DW-Korrespondent im ghanaischen Kumasi. Dann habe er einen Schlag mit dem Schlagstock bekommen - "aus dem Nichts, von hinten in den Nacken". Der Schlag sei heftig gewesen, so Ganiyu: "Ich war eine Zeit lang komplett außer Gefecht gesetzt."
Ghana: Tabuthema militärische Gewalt
Die Soldaten nahmen ihn fest und beschlagnahmten kurzzeitig sein technisches Equipment. Erst später erfuhr Ganiyu den Anlass für den Angriff: Er habe falsche Tatsachen über militärische Brutalität in Ghana gemeldet. Ganiyu ist Chef des DW-Partnerradios Zuria FM in Kumasi. Drei Tage zuvor hatte der Sender eine Geschichte und ein Bild von einem 71-jährigen Mann veröffentlicht, der berichtete, von Soldaten angegriffen worden zu sein, als das Militär eine Operation zur Durchsetzung der Corona-Ausgangssperre durchgeführt habe. Der Bericht stützte sich auf Opfer- und Zeugenaussagen, erinnert sich Ganiyu: "Das Militär hatte abgelehnt, sich zu den Vorwürfen zu äußern."
Ganiyu wurde später wieder freigelassen. Der Vorfall zeigt: Die Situation für Journalisten im Land ist sehr angespannt. Auch Reporter, die über die Ausbreitung des Coronavirus berichten wollen, laufen Gefahr, wie Ganiyu handfeste Gewalt zu erfahren. "Sie tun das, um uns an unserer normalen Arbeit zu hindern, um uns einzuschüchtern, sodass wir bestimmte, kritische Berichte nicht mehr verfassen", so das Fazit des Senderchefs.
Guinea-Bissau: Privatsender unter Druck
2000 Kilometer weiter nordwestlich berichtet Serifo Tawel Camará von ähnlichen Erlebnissen: "Ich wollte gerade den Radiosender verlassen, in dem ich arbeite, und plötzlich waren sie da: Männer in Uniform. Sie griffen mich an, schlugen mich brutal zusammen", so der Journalist des Privatsenders Rádio Capital in Guinea-Bissau. Der Überfall geschah in der Nacht des 24. März in der Hauptstadt Bissau. Wie in den meisten Ländern Afrikas herrscht auch in Guinea-Bissau der Ausnahmezustand, offiziell um die Corona-Pandemie einzudämmen. Seit dem 18. März sind alle Grenzen geschlossen, sämtliche Flugverbindungen sind bis auf weiteres ausgesetzt. Umaro Sissoco Embaló, der von der Nationalen Wahlkommission zum Gewinner der Präsidentschaftswahlen erklärt wurde, verhängte den nationalen Notstand in Guinea-Bissau. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt. Es gibt keine öffentlichen Verkehrsmittel und die Märkte dürfen nur von sieben bis elf Uhr morgens geöffnet sein. Versammlungen oder gar Demonstrationen sind bis auf weiteres verboten.
"Ich bin nicht der einzige Journalist in Bissau, der angegriffen oder unter Druck gesetzt wird", betont Serifo Tawel Camará. Einige Tage zuvor hätten zwei weitere Kollegen von Rádio Capital eine Vorladung von der Staatsanwaltschaft bekommen. Ein Kollege des Senders Cidade FM habe seine tägliche Sendung "Bom dia cidade" ("Guten Morgen, Stadt") erst einmal suspendiert, nachdem ihm physische Gewalt angedroht worden sei.
"Die Pressefreiheit und das Recht der Journalisten auf freie Ausübung ihres Berufs sind in sehr großer Gefahr. Die Pressefreiheit darf nicht zum nächsten Opfer der Corona-Pandemie werden", sagt Indira Correia Baldé, Vorsitzende der Bissau-guineischen Journalistengewerkschaft SINJOTECS, und kündigt scharfen Protest bei der Regierung sowie eine Klage bei der Staatsanwaltschaft an.
Südafrika: Willkürliche Gewalt gegen Menschen auf der Straße
Seit zehn Tagen herrscht auch in Südafrika eine landesweite Ausgangssperre, um die Ausbreitung der Corona-Pandemie einzudämmen. Seitdem wurden unzählige Beschwerden gegen die Polizei- und Sicherheitskräfte wegen übermäßiger Gewalt eingereicht. Azarrah Karrim, Newsreporterin beim südafrikanischen Nachrichtensender News 24, wurde eine der ersten Zeuginnen der Gewalt: "Am 27. März, dem ersten Tag der Ausgangssperre, bin ich hier in Johannesburg, in der Nähe meiner Wohnung, auf die Straße gegangen", so Karrim.
"Ich wollte einfach die Atmosphäre auf den Straßen aufschnappen und darüber berichten. Und da bemerkte ich, dass viele Polizisten auf der Straße waren, die Leute einfach so über die Straßen jagten und sogar Gummigeschosse auf sie abfeuerten." Dabei habe es keine Zusammenrottungen gegeben, es seien nur ein paar Leute auf der Straße gewesen, die wichtige Besorgungen gemacht hätten. Sie sei in ein nahegelegenes Restaurant geflüchtet, so Journalistin Karrim weiter. "Ich habe geschrien, dass ich von der Presse bin, und ihnen meinen meinen Presseausweis hingehalten. Erst dann haben sie aufgehört, ihre Waffen auf mich zu richten."
"Autoritäre Systeme wollen Fakten unterdrücken"
Ähnliche Vorfälle wurden aus vielen anderen Ländern Afrikas gemeldet. So berichtet die Pressefreiheits-Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF), in der Demokratischen Republik Kongo hätten Polizeibeamte den Reporter Tholi Totali Glody vom Sender Alfajari TV von einem Motorrad gestoßen, als er über die Ausgangssperre in seiner Provinz berichten wollte. Im Senegal sei eine Crew des Senders Touba TV von einem Polizisten mit einem Schlagstock attackiert worden, obwohl sie eine Genehmigung der Präfektur hatte, über die Einschränkungen zu berichten. In Uganda hätten Polizisten den Direktor des Uganda Radio Network, Julius Ocungi, angegriffen, während er über die Schließung einer Bar berichtete. In Äthiopien seien zwei ausländische Journalisten (Tom Gardner, der für The Economist und The Guardian schreibt, sowie Robbie Corey-Boulet von AFP) von einem Internet-Troll mit gut 30.000 Followern bezichtigt worden, mit dem Virus infiziert zu sein.
"Informationen werden unterdrückt, sie werden manipuliert. Kritische Journalisten, Bürgerjournalisten, Blogger werden verfolgt, sie werden schikaniert, sie werden inhaftiert, sie verschwinden, ohne dass wir wissen, wohin. Auslandskorrespondenten werden des Landes verwiesen", sagt Katja Gloger, ehemaliges Vorstandsmitglied von Reporter ohne Grenzen. Gerade autoritäre Systeme und Dikaturen würden jetzt - in Zeiten der Corona-Pandemie - alle möglichen Werkzeuge "hervorzaubern", um Kritik, Transparenz und Fakten zu unterdrücken oder in ihrem Interesse zu manipulieren. So würden Diktaturen am Ende gar dazu beitragen, dass sich das Virus mangels freier und qualifizierter Information weiter in der Bevölkerung verbreitet.
Mitarbeit: Abdullahi Tanko Bala, Iancuba Dansó