COP16 - Wie kann die Desertifikation aufgehalten werden?
11. Dezember 2024Das Land ist nicht nur Lebensgrundlage - es ist die Seele der Menschen, es trägt ihre Geschichten, Träume und Hoffnungen in sich. Starke Worte, mit denen Ibrahim Thiaw, Exekutivdirektor der UN-Konvention zur Bekämpfung der Desertifikation (UNCCD), die diesjährige Konferenz in der saudischen Stadt Riad, die COP16, eröffnete.
Desertifikation - oft als Wüstenbildung übersetzt - bedeutet allgemein eine Verschlechterung der Bodenqualität. Der einst fruchtbare Boden wird unfruchtbar und taugt oft nicht mehr für den Getreideanbau. Nach Ansicht von Experten ist dieser Verlust nicht nur eine Umwelttragödie, sondern zwingt Millionen von Menschen, anderswo Zuflucht zu suchen.
Nach Angaben der UNCCD sind bis zu 40 Prozent der weltweiten landwirtschaftlichen Nutzflächen bereits degradiert, diese Zahl nimmt jedes Jahr zu.
Schwindende Ressourcen, vertriebene Bevölkerungsgruppen
Laut dem Präsidenten der COP16, Abdulrahman Al-Fadhli, dem saudischen Minister für Umwelt, Wasser und Landwirtschaft, führen Dürren und Bodendegradation nicht nur zu Landflucht und Migration, sondern fördern auch Konflikte.
"Ein großer Teil der Konflikte und politischen Instabilitäten steht im Zusammenhang mit Bodendegradation und Ressourcenverlust, die zu Migrationsbewegungen führen", sagt er. Diese Migration erfolge aus ländlichen Gebieten in die Städte oder über Landesgrenzen hinweg.
Im Norden Kenias verlassen Familien ihre Dörfer, lassen ihre baufälligen Häuser und kargen Felder zurück und ziehen in behelfsmäßige Lager oder überfüllte Städte.
Besonders deutlich wird diese Realität im kenianischen Bezirk Marsabit, wo die Soziologin und Wirtschaftswissenschaftlerin Julia Fuelscher, eine Expertin für Anpassungsmaßnahmen, gefährdete Menschen unterstützt.
"Viele Migrantionsbewegungen gehen von Marsabit und Turkana nach Nairobi. Einige verlassen sogar das Land in Richtung Riad, das für Kenianer attraktiv ist, weil die dortige Umgebung ihrem Glauben und ihren Bedürfnissen besser entspricht", erklärt die Kenianerin Fuelscher in Riad.
Das Tschadsee-Becken: eine Region in der Krise
Salimata, 33, ist Mitglied der Mbororo-Gemeinschaft im Tschad. Die Mutter von zwei Kindern nimmt ebenfalls an der COP16 in Riad teil.
"Als die Regenfälle aufhörten, versuchten wir zu bleiben. Wir gruben tiefere Brunnen, reduzierten unsere Mahlzeiten und verkauften unser Vieh. Aber nichts reichte aus", erzählt sie bei einem Treffen indigener Völker auf der COP16. Für Salimata und ihren Mann war die Entscheidung, ihr kleines Dorf zu verlassen, schnell getroffen.
Das Tschadsee-Becken ist eines der eindrucksvollsten Beispiele für die Folgen der Bodendegradation: Dort werden bald mehr als sechs Millionen Menschen aufgrund von Konflikten und den Auswirkungen des Klimawandels von Nahrungsmittelknappheit betroffen sein, schätzen humanitäre Organisationen.
Der einst riesige Tschadsee liegt im Grenzgebiet zwischen Niger, Tschad, Nigeria und Kamerun. Für Balarabe Abbas Lawal, der nigerianische Umweltminister, sind die Entwicklungen hier gravierend.
"Dieser See ist fast ausgetrocknet, und es sind weniger als neun Prozent seiner ursprünglichen Fläche übrig geblieben", so Lawal. Das führe das große Ausmaß der Desertifikation vor Augen, das Ökosystem sei völlig zerstört.
"Dies ist ein großes Problem in Nordnigeria, wo die Wüstenbildung zu Unruhen geführt hat, auch im Zusammenhang mit Boko Haram", fügt Lawal hinzu mit Blick auf die Extremistengruppe, die vor fast 15 Jahren einen bewaffneten Aufstand in der Region startete und zeitweise ganze Landstriche kontrollierte.
Nordnigeria war einst fruchtbar und ermöglichte es den Bewohnern, von Fischfang, Landwirtschaft und anderen Tätigkeiten zu leben. Heute haben wiederkehrende Dürren und Bodendegradation dazu geführt, dass sie nichts mehr haben.
Verwundbarkeit marginalisierter Gemeinschaften
Die Wüstenbildung ist eine der größten Herausforderungen, mit denen Nigeria im Norden konfrontiert ist, insbesondere in den Bundesstaaten Borno und Yobe.
Der Verlust der Lebensgrundlagen im Tschadsee-Becken hat Folgen. In einigen Fällen artet der Kampf um Ressourcen in kommunale Gewalt aus, die von bewaffneten Gruppen ausgenutzt wird, um neue Mitglieder zu rekrutieren, so die tschadische Aktivistin Hindou Oumarou Ibrahim.
"Angesichts der knappen Ressourcen konzentrieren sich die Gemeinschaften um diese Seen, insbesondere auf der tschadischen Seite. Dies schürt Konflikte zwischen den Gemeinden", so Ibrahim.
Gleichzeitig nutze Boko Haram, die in der gesamten Region aktiv ist, die Situation aus. Sie böten den Menschen manchmal an, sie zu bezahlen.
In vielen Kulturen tragen die Männer die Verantwortung für den Unterhalt ihrer Familien, so Ibrahim. "Wenn sie die Bedürfnisse ihrer Familien nicht mehr befriedigen können, sind sie bereit, alles zu tun, um ihre Würde zu retten."
Das könne sie dazu bringen, in andere Regionen auszuwandern, das Meer zu überqueren - wo viele umkommen - oder Wüsten zu durchqueren, wo manche verdursten. "Ich habe Cousins, die wegen Wassermangels in der Wüste gestorben sind", sagt sie.
Ein Aufruf zum globalen Handeln
"Wenn man Arzt ist und ein Patient blutend ankommt, muss man als erstes die Blutung stoppen. Wir müssen also die Landverödung stoppen. Dann müssen wir einen Druckverband anlegen und versuchen, die Wunde zu heilen".
Für Thiaw ist die Wiederherstellung von Land ein Weg, um die Wunden zu heilen, die dem Planeten über die Jahre zugefügt worden sind. Er fordert eine stärkere Mobilisierung finanzieller Mittel, um Land und landwirtschaftliche Produktion zu regenerieren und damit für Ernährungssicherheit zu sorgen und zur Verringerung von Migration und Konflikten beizutragen.
Initiativen wie die "Große Grüne Mauer", mit der Millionen von Hektar degradierten Landes in Afrika wiederhergestellt werden sollen, zeigen, dass es möglich ist, den Trend umzukehren und die Bevölkerung in ihrer Heimat zu halten.
Diese Projekte erfordern jedoch eine Aufstockung der Mittel, die nur langsam zur Verfügung gestellt werden.
Adaption aus dem Englischen von Martina Schwikowski