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"Colonia-Dignidad"-Opfer fordern Entschädigung

21. Mai 2016

5000 Euro pro Person verlangt Opfer-Sprecherin Schnellenkamp. Sie lebte selbst als Kind in der deutschen Siedlung in Chile. Eine Äußerung von Außenminister Steinmeier könnte der Forderung Gewicht verleihen.

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Eingang der deutschen Siedlung Colonia Dignidad in Chile (Foto: dpa)
Eingang der deutschen Siedlung Colonia Dignidad in Chile (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/M. Hernandez

Nach der Freigabe der Akten über die deutsche Sektensiedlung "Colonia Dignidad" in Chile durch das Auswärtige Amt haben Opfer erneut Entschädigungszahlungen vom deutschen Staat gefordert. "Für die, die damals Kinder waren, muss es wenigstens eine einmalige Entschädigung geben. 5000 Euro pro Person wären angemessen", sagte die ehemalige "Colonia-Dignidad"-Bewohnerin Anna Schnellenkamp der "Berliner Zeitung". Betroffen seien etwa 150 Personen. Sie hätten entsetzliches Leid erlebt, seien misshandelt und von ihren Eltern getrennt worden und hätten nur eine schlechte Schulbildung erhalten.

Steinmeier: Diplomaten reagierten falsch

Der deutsche Staat müsse dafür einstehen, weil er von den Zuständen in der Siedlung gewusst und nicht reagiert habe, sagte Schnellenkamp. "So viele Jahre mussten vergehen, so viele Menschen haben ihr Leben dahingelebt, haben keine Familien gründen können, können es nicht mehr zurückdrehen." Die Freigabe der Akten des Auswärtigen Amtes begrüßte Schnellenkamp als einen "sehr positiven und unerwarteten Schritt". Dies könne aber nicht alles gewesen sein. Schnellenkamp wurde 1976 selbst in der "Colonia" in Chile geboren.

Anna Schnellenberger, Sprecherin der Colonia-Dignidad-Opfer (Foto: dpa)
Die Sprecherin der Colonia-Dignidad-Opfer, Anna SchnellenbergerBild: picture-alliance/dpa/J.Carstensen

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hatte Ende April unter dem Eindruck des Kinofilms "Colonia Dignidad" das Verhalten der deutschen Diplomaten als zu zaghaft bezeichnet und die Akten seines Ministeriums über die deutsche Kolonie vorzeitig freigegeben. Deutsche Diplomaten hätten bei den Vorgängen in der "Colonia Dignidad" weggeschaut , geflohenen Bewohnern Schutz verweigert und sogar Ehrenerklärungen für die Siedlung abgegeben. Der Umgang mit der Siedlung sei kein Ruhmesblatt in der Geschichte des Auswärtigen Amtes, sagte Steinmeier. Nur mutigen Einzelpersonen sei zu verdanken, dass die Wahrheit langsam ans Licht gekommen sei.

Zwangsarbeit, sexueller Missbrauch und Folter

Die "Colonia Dignidad" wurde 1961 in Chile von deutschen Auswanderern unter ihrem Anführer Paul Schäfer gegründet. Schon früh gab es Vorwürfe wegen Zwangsarbeit, sexuellem Missbrauch, physischer und psychischer Gewalt - die aber zunächst nicht ernst genommen wurden.

Unter der Pinochet-Diktatur (1973-1990) befand sich dort auch ein Folterzentrum des chilenischen Militärs. Schäfer tauchte 1995 unter, die "Colonia Dignidad" bestand noch bis zu seiner Festnahme im Jahr 2005 weiter. In Chile wurde der "Colonia Dignidad"-Gründer zu 20 Jahren Haft verurteilt. 2010 starb er in einem Gefängniskrankenhaus. Die Siedlung heißt mittlerweile "Villa Baviera".

cw/jj (afp, epd, dpa)