1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Clubsterben in Berlin – ist die Party bald vorbei?

Andreas Kirchhoff
27. September 2024

Ende des Jahres wird das Watergate, eine der bekanntesten Party-Locations in der Hauptstadt, schließen. Zuvor hatte schon der Techno-Club die Wilde Renate ihr Aus verkündet. Wird die Partyhochburg Berlin zu einer Ruine?

https://p.dw.com/p/4l6Lh
Blick über die Spree auf den Nachtclub Watergate in Berlin-Kreuzberg
Tanzen mit Aussicht - der Club Watergate an der SpreeBild: Christian Behring/POP-EYE/picture alliance

In regelmäßigen Abständen rattert eine U-Bahn über die markante Oberbaumbrücke, vereinzelte Ausflugsschiffe schippern darunter auf der Spree. Am Ufer auf der Kreuzberger Seite: ein gläsernes Bürogebäude mit einer vorgelagerten Terrasse auf dem Wasser. Eine tagsüber eher unscheinbare Adresse.

Doch an Wochenenden bilden sich kurz vor Mitternacht lange Schlangen vor dem Eingang des Gebäudes. Das Watergate gehört seit 22 Jahren zu den angesagtesten Clubs in der Stadt. Eine Hochburg für Elektromusik auf zwei Ebenen, Feiern und Tanzen mit Ausblick auf die Spree. Damit hat das Watergate in einer eher kurzlebigen Clubszene ziemlich lange durchgehalten. Aber jetzt ist Schluss.

Blick von der Oberbaumbrücke auf die Terrasse des Watergate-Clubs in Berlin-Kreuzberg
Außenterrasse des Clubs Watergate mit Blick auf die SpreeBild: Jens Kalaene/dpa/picture alliance

Watergate: Ende nach 22 Jahren

"Man muss einfach verstehen, dass Kultur, insbesondere Clubkultur, auch eine klare wirtschaftliche Komponente hat. Vor lauter Lob für unsere vielfältige Berliner Clubkultur wird das leider oft übersehen", lässt sich Uli Wombacher, einer der Gründer des Watergate in einer Presseerklärung zur Schließung zitieren.

Hohe Mieten, die Inflation und allgemeine Kostensteigerungen hätten diesen Schritt unumgänglich gemacht. Nach der COVID-Krise habe das Geschäft nicht mehr richtig Fahrt aufgenommen.

Die goldenen Jahre der Berliner Clubs (sind vorbei)

In den 1990er und 2000er Jahren hatte sich Berlin zu einer Partyhochburg entwickelt. Nach dem Fall der Mauer gab es viele leerstehende Gebäude, die mit wenig Aufwand und viel Enthusiasmus in hedonistische Tempel verwandelt wurden.

Nachrichten über die Attraktivität von Techno-Clubs wie dem Tresor, dem WMF oder dem Berghain in Kellergewölben und ehemaligen Industriegebäuden verbreiteten sich weit über Berlin hinaus. Jahrelang hat auch der Berlin-Tourismus ganz wesentlich von den Partytouristen profitiert. In der Hochzeit der Billigflieger kamen sie aus ganz Europa, nur um ein Wochenende in Berlin durchzufeiern.

Blick auf die hölzerne Fassade des Clubs Wilde Renate in Berlin
Auch der Club Wilde Renate in Berlin Friedrichshain kann sich die gestiegenen Mieten nicht mehr leisten und schließt Ende 2025Bild: dts-Agentur/picture alliance

COVID, Klima und Kostensteigerung

Das Ende einiger Billigflieger wie Air Berlin, steigende Flugscham im Angesicht des Klimawandels und die Coronakrise haben ihre Spuren in der Clublandschaft Berlins hinterlassen. Außerdem natürlich die Spekulation mit Immobilien. Als Zwischennutzung in leerstehenden Gebäuden waren Clubs gerne gesehen. Mittlerweile laufen viele der alten, günstigen Mietverträge aus, die neuen Mietforderungen können die meisten nicht mehr erwirtschaften.

Im August erst hatte ein ebenfalls bekannter Berliner Techno-Club, die Wilde Renate, mitgeteilt, wegen auslaufenden Mietvertrages seinen Standort Ende 2025 aufgeben zu müssen. Anders als das Watergate will die Wilde Renate versuchen, den Club an einem anderem Ort weiterzuführen.

Die Clubszene als DNA von Berlin

Dass die Clubkultur in Berlin vor großen Herausforderungen steht, das sieht auch Christian Tänzler von Visit Berlin, der Tourismusmarketing Gesellschaft der Hauptstadt. Neben den bekannten Ursachen wie steigenden Kosten und Mieten habe sich aber auch das Ausgehverhalten verändert.

Blick auf die Admiralsbrücke in Berlin-Kreuzberg, auf der sich junge Menschen treffen
Zum Ausgehen reicht vielen jungen Menschen auch ein Getränk aus dem Späti und ein Treffpunkt im Freien wie hier auf der Admiralsbrücke in Berlin-KreuzbergBild: Jürgen Held/Global Travel Images/picture alliance

"Die Jüngeren treffen sich heute in der Nähe eines Spätis, bringen einen Lautsprecher mit und bespielen ihn mit ihrem Spotify-Account. Zum Feiern müssen sie nicht unbedingt in den Club gehen", sagt Tänzler der DW.

Für den Berlin-Tourismus sei die Clubkultur trotzdem ein wichtiger Faktor. Berlin sei international immer noch bekannt als Hauptstadt des Techno und spiele mit seinen Clubs weltweit in der ersten Liga. "Die Clubkultur gehört zur DNA von Berlin", betont Tänzler.

Er sieht die Zukunft der Berliner Clubs auch in der Fähigkeit ihre Angebote anzupassen. Weltweit bekannte Institutionen wie das Berghain würden nicht nur den Dancefloor bespielen, sondern ihre Räume auch für andere Veranstaltungen öffnen.

Die Karawane zieht weiter

Die Clubkommission, ein 2000 gegründeter Verein der Club- und Eventbetreiber, sieht die größte Herausforderung darin, die Standorte für die Berliner Clubs zu sichern. Deren Sprecherin Emiko Gojic schlägt eine Regulierung der Gewerbemieten vor, für Clubs, die nicht auf landeseigenen Flächen liegen.

Insgesamt aber gehören Veränderungen und Flexibilität zur Berliner Clubkultur. Dass das Watergate so lange habe bestehen können, sei eher die Ausnahme. "Die Clubs werden wieder mehr in die Außenbezirke ziehen, wenn die Standorte in der Innenstadt wegfallen. Es wird wieder andere Formen der Zwischennutzungen geben", sagt Goijc der DW, in Zukunft "wird es wieder eine etwas flexiblere Szene sein."

Blick auf eine Warteschlange vor dem Berliner Club Berghain
Was wäre Berlin ohne seine Clubs? Sogar am Sonntagmorgen bilden sich lange Schlangen vor dem Eingang des BerghainBild: dts-Agentur/picture alliance

Berlin: Lang lebe die Party

"Die Berliner Clubs sind die Herzkammern dieser Stadt – und Berlin bleibt die Hauptstadt der Clubkultur. Sie bringen darüber hinaus rund drei Millionen Touristen jährlich nach Berlin“, betont Christopher Suss, Pressesprecher des Berliner Kultursenators Joe Chialo. Vor dem Hintergrund des Clubsterbens plane der Kultursenator einen runden Tisch und setze sich für die Anerkennung von Clubs als Kulturstätten ein.

Die Party ist zu Ende – lang lebe die Party. So steht es auf der Homepage des Watergate. Zum Jahresende wird der Club, der stolze 22 Jahre lang für Partytouristen und Berliner Nachtschwärmer ein wichtiger Anziehungspunkt war, seine Türen für immer schließen. Und will vorher nochmal richtig feiern.