Cindy Sherman: Die wahre Selfie-Queen
12. Februar 2019Man ist nie zu alt für ein Selfie - oder für Instagram. Zumindest nicht, wenn man Cindy Sherman heißt: Die US-amerikanische Fotografin ist bekannt für ihre ungewöhnlichen Selbstporträts. Obwohl sie 2017 dem "W Magazine" sagte, dass sie "die Idee des Selfies eigentlich hasst", ist die Künstlerin, die am 19. Januar ihren 65. Geburtstag feierte, auf Instagram geradezu in ihrem Element. 2016 sagte sie noch dem "New York Times Magazine", dass sie soziale Medien "vulgär" finde. Nach anfänglicher Zurückhaltung im Umgang mit sozialen Medien eröffnete Sherman Ende 2016 dann aber ein öffentliches Profil auf Instagram, einer Plattform, die bei Teenagern, Modefans und Prominenten sehr beliebt ist.
Das Ergebnis ist eine Fotosammlung, die zu ihrer Persönlichkeit passt: lebendige Landschaftsbilder, eine Serie mit ihren Hinterhofhühnern, Aufnahmen aus dem Flugzeug von Wolken - und dazwischen Bilder von Cindy Sherman selbst.
Bei ihren Selbstporträts handelt es sich allerdings nicht um gewöhnliche Selfies, wie man sie sonst auf Instagram zu sehen bekommt: Sherman bearbeitet die Fotos mit mehreren Apps, darunter Facetune, Perfect365 und YouCam Makeup. Damit lassen sich auch Schminke und Accessoires hinzufügen.
In einer Serie aus drei Bildern etwa sieht man die Künstlerin in einem roten Seidenkimono posieren, wobei der Hintergrund bei jedem Foto ein anderer ist. Ihre Lippen sind überdimensional groß und leuchten rosa. Auf einem anderen Bild hat sie ihre typisch blonde Frisur gegen eine braune Lockenperücke getauscht.
Sherman verwendet moderne Technologie, um die Bilder neu zu gestalten und als gesellschaftskritischen Kommentar zu inszenieren.
Gesellschaftskritik und Protest
Mit Verzerrungen arbeitet Sherman auch bei ihren Fotos, die sie nicht für Instagram erstellt: Sie kostümiert und schminkt sich - mal als Clown, dann als Fashionista - und nutzt Bildbearbeitungsprogramme wie Photoshop, um ihr Erscheinungsbild anschließend zu verändern.
Die Fotografin ist bekannt dafür, ihren eigenen Körper als eine Plattform für gesellschaftliche Debatten zu inszenieren. Sie präsentiert sich als das Hauptobjekt ihrer eigenen Bilder. Kurzum: Sie ist Fotografin und Modell zugleich.
Sherman selbst bezeichnet ihre Bilder im Übrigen nicht als Selbstporträts, denn sie schlüpfe in jenem Moment in eine Rolle. Ihr geht es nicht um sich, sondern vielmehr möchte sie zeigen, wie Frauen generell dargestellt werden.
Mit ihrer berühmten Serie "Untitled Film Stills" (1977-1980), bestehend aus insgesamt 69 Bildern, kritisiert Sherman beispielsweise die stereotype Darstellung von Frauen in den Hollywood-Filmen der 1950er und 60er Jahre oder der Werbung: Die Schwarz-Weiß-Fotografien zeigen die Künstlerin in der Rolle des unschuldigen Mädchens, der einsamen Hausfrau oder der Verführerin.Modeikone und Kritikerin der Popkultur
Trotz ihrer Kritik an der Darstellung von Frauen haben Arbeiten wie diese Sherman in der Mode- und Kulturindustrie beliebt gemacht. In den 1980er Jahren gestaltete sie Modewerbung, die in der US-amerikanischen Lifestyle-Zeitschrift "Interview Magazine" erschien. In den 1990er Jahren begann sie außerdem mit Designern zusammenzuarbeiten, darunter die Japanerin Rei Kawakubo.
1993 und 2016 fertigte sie Porträtserien für "Harper's Bazaar" an. Ihre letzte befasst sich mit der Streetstyle-Modefotografie und zeigt, wie absurd es ist, dass sich Social-Media-Stars mit professionellen Fotografen umgeben und sogenannte "plandids", gestellte Schnappschüsse, machen lassen.
2011 stach Cindy Sherman mit einem Rekord hervor: Ihre Arbeit "Untitled #96" brachte bei einer Auktion 3,89 Millionen US-Dollar ein, die bis dato höchste Summe für ein Foto. Und auch heute verkaufen sich ihre Werke für Millionen, sodass Sherman vom Kunstkompass neben Richter (1), Naumann (2), Baselitz (3) und Trockel (4) zu den wichtigsten Künstlern der Gegenwart gezählt wird.Für ihr Werk erhielt Sherman bereits zahlreiche Auszeichnungen, darunter das MacArthur-Genie-Stipendium oder den renommierten Goslarer Kaiserring. Am 12. Februar erhält sie zudem den mit 50.000 Euro dotierten Max-Beckmann-Preis der Stadt Frankfurt. Die Frankfurter Kulturdezernentin Ina Hartwig erklärte dazu, Sherman gehöre mit ihrer schillernden, gebrochenen Bildsprache "längst zum kulturellen Gedächtnis des frühen 21. Jahrhunderts".