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Mayer: "Man gibt immer sein Bestes"

Rick Fulker 9. August 2015

Die deutsche Mezzosopranistin gilt als "Entdeckung des Jahres" bei den Bayreuther Festspielen. Im DW-Interview sprach Christa Mayer über die Arbeit hinter den Kulissen und ihre Rolle als Brangäne.

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Christa Mayer als Brangäne
Bild: Bayreuther Festspiele

In den Wochen vor der Eröffnung der Bayreuther Festspiele sorgten Querelen, Gerüchte und kurzfristige Rollenumbesetzungen für Unruhe. Viele sahen die Neuinszenierung von "Tristan und Isolde" sogar gefährdet. Die Produktion der Regisseurin Katharina Wagner und des Dirigenten Christian Thielemann kam bei der Premiere am 25. Juli dann aber doch überwiegend gut an. In den Titelrollen lieferten Stephen Gould und Evelyn Herlitzius einen tadellosen Auftritt. Einen noch größeren Eindruck hinterließ allerdings Christa Mayer; Publikum und Kritiker waren gleichermaßen von ihrem Gesang begeistert. Im Interview erzählte die Mezzosopranistin der DW, dass in Bayreuth eigentlich mehr Ordnung als Chaos herrsche - auch wenn das von außen nicht immer so aussähe.

Deutsche Welle: Was können Sie von der Arbeit hinter den Kulissen erzählen? War die Spannung im Festspielhaus ähnlich groß wie in der Öffentlichkeit?

Christa Mayer: Es war eine sehr intensive Probenphase - wie in einem Trainingslager: acht Stunden täglich, Montag bis Samstag, sechs Wochen lang. An meinem Stammhaus, der Semperoper in Dresden, sind es nur sechs Stunden pro Tag. Ich bin sehr glücklich darüber, mit welcher Energie wir den Eröffnungsabend gestaltet haben. Wir hatten das Stück sehr verinnerlicht. Das Regieteam war wunderbar vorbereitet - allen voran Katharina Wagner. Sie fing mit der Vorbereitung bereits vor drei Jahren an und wusste genau, was sie sehen wollte.

Die Probenzeit war großzügig bemessen, wie Sie sagen. Doch andere Akteure monieren, dass die Zeit vorne und hinten nicht reichte. Woher diese Diskrepanz?

Bei dieser Aussage bezieht man sich meist auf die Endproben. Wir haben zwar genug Orchestermusiker, um zwei volle Orchester zusammenzustellen. Doch jede einzelne Oper muss auf der Bühne geprobt werden. Wir haben also einen Tag auf der Bühne, dann kommt die nächste Oper dran. Diese Bühnenproben sind aber auch wichtig, vor allem für Akustik und Balance, auch für das Gefühl des Dirigenten.

Arbeitet Katherina Wagner denn als Regisseurin sehr präzise?

An einzelnen Stellen sagt sie durchaus ganz genau, was sie möchte, aber man hat auch die Freiheit, die Figur für sich zu finden. Katharina ist auch sehr erfindungsreich, wenn sie die Menschen vor sich hat.

Christa Mayer als Brangäne (r.) kniet neben Evelyn Herlitzius als Isolde
Die oberpfälzische Sängerin Christa Mayer - hier mit Evelyn Herlitzius als Isolde (l.) - erhält viel Lob für ihre klare TextvermittlungBild: Bayreuther Festspiele

Andere mögen mit mir vielleicht über die nächste Frage streiten, aber: Wie ist es, die schönste Arie Wagners überhaupt zu singen?

Ich weiß natürlich, welche Sie meinen - den Wachruf im zweiten Akt. Ich liebe diese Stelle. Es war aber auch harte Arbeit, weil die Töne schier unendlich sind.

Werden Sie von den Klängen aus dem Orchestergraben getragen?

Auf jeden Fall, obwohl ich bei dieser Stelle unter dem Dach des Festpielhauses positioniert bin, unsichtbar für das Publikum. Das heißt, im Graben spielt das Orchester für das Publikum wunderbar hörbar, doch für mich dort oben wäre es schwierig, etwas ohne meinen kleinen Lautsprecher zu hören. Ich höre natürlich diese wunderbaren Geigen und dieses Geflirre und diese Nachtstimmung und das Schwebende der Musik - aber eben aus einer Lautsprecherbox.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit dem Dirigenten Christian Thielemann?

Ich muss ihm sehr dankbar sein, denn er hat Visionen, und er hört Stimmen. Seine Gedanken dazu möchte er realisieren. Diese Brangäne, die ich gesungen habe: Das war seine Vision schon vor fünf Jahren! Er führt das Stück, und man kann sich dieser Führung annehmen. Thielemann geht auch sehr ins Detail. Es dreht sich viel um Sprache und kleine Wörter, die "gezaubert" werden sollen, weil sie eine wichtige Botschaft enthalten. Er bringt uns auch dazu, über unseren Schatten zu springen, macht uns also besser, als wir anfangs waren. Ich kann mich nicht genug darüber freuen, dass er mir das anvertraut hat und dass es auch gut lief.

In der Handlung von "Tristan und Isolde" ist Brangäne eine schützende, fürsorgliche Person, die die Hauptpersonen durch Unachtsamkeit in Schwierigkeiten bringt. Sind Sie mit dieser Figur befreundet?

Oh ja! Brangäne verliert nie ihr Gefühl und ihre Empathie. Sie will alles richtig machen, sie will gut sein. Und sie ist immer empathisch. Vielleicht ist sie ein bisschen zu ängstlich, will sich selbst schützen und macht dann doch Fehler. Vielleicht sollte sie manchmal schneller sein, mehr Mut haben, schneller reden - aber dann wäre das Stück ja nicht mehr das Stück.

Christa Mayer als Brangäne (vorne.) wird von Evelyn Herlitzius als Isolde umarmtt
Stets um ihre Gebieterin besorgt: BrangäneBild: Bayreuther Festspiele

Wir reden immer noch vom Eröffnungstag. Manche sagen aber, dass die Stücke in den fünf Wochen danach richtig reifen, dass sie besser werden, die Sänger auch. Ist da etwas dran? Ihre Festspiel-Erfahrung reicht ja von Anfang Juni bis August.

So ist es. Aber wir sind auch nur Menschen. Man hat gute und weniger gute Tage. "An dem Tag, an dem ich am Besten disponiert war, hatte ich keine Vorstellung" - wie berühmte Musiker sagten. Man versucht aber, jedes Mal sein Bestes zu geben. Insofern glaube ich nicht, dass das Publikum in der letzten Vorstellung einer Festspielzeit sagen kann: "Heute waren die Sänger endlich auf Hochtouren."

Das Interview führte Rick Fulker.