Chinesische Windräder vor deutscher Küste
29. Juli 2024Die Zusammenarbeit mit chinesischen Firmen, bei denen nie klar ist, wie unabhängig oder staatsnah sie tatsächlich sind, ist stets mit einem Grundverdacht behaftet. Besonders, wenn es um Hard- oder Software im Bereich kritischer Infrastruktur geht. Dabei sind gerade die Telekommunikationskonzerne Huawei und ZTE weltweit umstritten.
Darauf hat die Bundesregierung reagiert. Das Innenministerium (BMI) teilte am 11. Juli mit, dass in "5G-Kernnetzen bis spätestens Ende 2026 keine Komponenten von Huawei und ZTE mehr eingesetzt werden" dürfen. Sie seien "bis spätestens Ende 2029 zu ersetzen". Die Mobilfunknetze gehören laut BMI zur "kritischen Infrastruktur", weil sie "für Energie, Verkehr, Gesundheit und Finanzen" in Deutschland von entscheidender Bedeutung seien.
Wichtige Windkraft
Hohe Wellen schlägt auch die Ankündigung des Investmentfonds Luxcara, mit dem Unternehmen Ming Yang erstmals einen chinesischen Turbinenhersteller mit dem Aufbau eines Offshore-Windparks vor der deutschen Küste zu beauftragen. Auch die Energieversorgung gilt als kritische Infrastruktur, und durch Windkraft erzeugter Strom hat inzwischen einen beträchtlichen Anteil im deutschen Strommix.
Zahlen des Statistischen Bundesamtes vom Anfang Juli zeigen: In den ersten drei Monaten dieses Jahres stammten 38,5 Prozent des gesamten hier produzierten Stroms aus Windkraft. Keine andere erneuerbare Energiequelle hat so stark zugelegt wie Windkraft.
Warum gerade Yang Ming?
Auf die Frage, warum sich Luxcara gerade für Ming Yang entschieden hat, um einen Windpark vor der ostfriesischen Insel Borkum zu errichten, antwortete Lars Haugwitz, Senior Consultant bei Luxcara, der DW: "Entschieden haben wir uns für die leistungsstärkste Turbine. Grundlage war die eingehende Prüfung aller Angebote, die wir erhalten haben. Ming Yang war das einzige Unternehmen, das die Lieferzeit bis 2028 mit einer Anlage von 18,5 Megawatt angeboten hat und einhalten konnte."
Bislang geben in Europa vor allem Vesas aus Dänemark und der zu Siemens gehörende deutsch-spanischer Hersteller Gamesa bei der Offshore-Stromgewinnung den Ton an. Aber auch andere deutsche Windparkbetreiber führen nach Handelsblatt-Informationen inzwischen Gespräche mit chinesischen Anbietern. Darunter sei, so das Handelsblatt, auch der Energiekonzern RWE aus Essen. Der Grund: Die Nachfrage nach Windturbinen ist groß, das Angebot in Europa aber begrenzt.
Dazu beantwortete RWE eine DW-Anfrage mit der Feststellung, dass es im Offshore-Wind-Portfolio von RWE keine Windturbinen aus chinesischer Produktion gebe. Man wolle beim Bau von Offshore-Windparks weiterhin mit den etablierten Lieferanten zusammenarbeiten. Eine Unternehmenssprecherin fügte aber hinzu, die Offshore-Branche müsse verstehen, "welche Produkte asiatische Lieferanten anbieten können und ob diese technisch, aber auch mit Blick auf Qualität, Sicherheit und Wirtschaftlichkeit den Ansprüchen genügen könnten".
China subventioniert
Es gibt mehrere Gründe, warum Firmen aus Fernost bei neuen Technologien oft das Rennen machen, sagt Michael Tenten, Geschäftsführer von Pure ISM - ein Unternehmen, das sich mit Informationssicherheit im Bereich Erneuerbarer Energien befasst. Ein Grund sei "vor allem die schnellere Lieferbarkeit der Anlagen." Dennoch, so Tenten, seien die "Gründe, sich für chinesische Anbieter auszusprechen, eher wirtschaftlicher Natur".
China subventioniert Hersteller grüner Technologien in hohem Maße. Das Handelsblatt zitierte am 2. Juli eine Studie das Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), wonach 2022 mehr als 99 Prozent der börsennotierten Unternehmen direkte staatliche Subventionen erhalten hätten. Dazu kämen noch andere Hilfen: erleichterter Zugang zu kritischen Rohstoffen, erzwungener Technologietransfer in Joint Ventures und Unterstützung bei öffentlichen Vergabeverfahren.
So erhalte laut IfW etwa der Elektroautobauer BYD besonders hohe Subventionen. An diesem Beispiel zeige sich "das wahre Ausmaß und der Umfang der Subventionen für grüne Technologien", so IfW-Forschungsdirektor Dirk Dohse laut Handelsblatt. Denn BYD profitiere auch von Subventionen für Batteriehersteller, indem das Unternehmen billigere Komponenten beziehe.
Und auch bei Windkraftanlagen würden chinesische Anbieter wie Goldwing und Ming Yang Regierungssubventionen genießen. "Zwar ist die europäische Industrie gegen die Konkurrenz aus China preislich oftmals nicht mehr konkurrenzfähig", so Dohse weiter. Doch "ohne Chinas subventionierte Technik würden aber auch Produkte teurer und knapper, die Deutschland für die grüne Transformation benötigt".
Technische Unsicherheiten
Neben dem aus europäischer Sicht beinahe aussichtslosen Kampf gegen subventionierte Importe gibt es einen weiteren Grund für Misstrauen gegenüber chinesischen Anbietern: die Datensicherheit. Für den IT-Experten Tenten ist das keine Frage: "Die Hersteller betreiben in der Regel eigene Leitwarten, um die von ihnen errichteten Windparks zu überwachen. Solange sich diese Leitwarten nicht in Deutschland befinden, besteht hier immer die Gefahr, dass aus dem Ausland unerwünschter Einfluss auf den Betrieb genommen wird."
Für Luxcara ist das aber kein Hinderungsgrund: "Die Kontrolle, die Steuerung und der Service der Turbinen wird vollständig in Deutschland erfolgen", erklärt Lars Haugwirt der DW und er verspricht: "Es wird keine direkte Datenverbindung zum Hersteller geben."
Für Michael Tenten ist die Gefahr zwar real, aber noch nicht akut, wie er der DW sagte: "Mir ist aktuell kein chinesischer Hersteller bekannt, der eine solche Leitwarte bei uns plant oder beabsichtigt".
Für Deutschland sei es wichtig, bei Funktionsfähigkeit und Sicherheit Wert zu legen auf höchste Standards. "Ein stabiler und sicherer Betrieb der Windenergieanlagen ist aus meiner Sicht essentiell, um die kontinuierliche und zuverlässige Stromversorgung zu gewährleisten und Versorgungssicherheit sicherzustellen."