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Immobilien-Riese Country Garden schwankt

Nik Martin
17. August 2023

Chinas größter Immobilienkonzern Country Garden kämpft ums Überleben. Eine mögliche Pleite würde nicht nur die Krise im Immobiliensektor verschärfen, sondern die schwächelnde Gesamtwirtschaft hart treffen.

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Bauarbeiter vor Rohbauten mit Baukränen eines Country Garden-Projekts in Peking
Baustelle eines Country Garden-Projekts in Peking Bild: Ichiro Ohara/Yomiuri Shimbun/AP/picture alliance

Der Druck auf die chinesische Politik, mehr zur Stabilisierung des kriselnden Immobilienmarkts zu tun, steigt immer mehr. Besonders, seit der größte Immobilienentwickler Country Garden vor Milliardenverlusten und Zahlungsausfällen bei seinen Unternehmensanleihen gewarnt hat.

Country Garden, nach dem Ranking des Wirtschaftsmagazin Fortune die Nummer 138 der weltgrößten Unternehmen, warnte letzte Woche, dass es aufgrund eines "Umsatzrückgangs in der Immobilienbranche" in den sechs Monaten bis Juni mit einem Verlust zwischen 6 und 7 Milliarden US-Dollar (5,5 und 6,4 Milliarden Euro) rechnet.

Bis vor kurzem schien Country Garden von der Immobilienkrise in China verschont geblieben zu sein. Die Folgen der Pandemie und Verschärfungen bei der Schuldenaufnahme für Bauträger durch die Regierung unter Xi Jinping haben die jahrelange Krise im Immobiliensektor des Landes erheblich verschärft.

In den vorangegangenen zwei Jahrzehnten, als die chinesische Bevölkerung immer wohlhabender wurde, hatte ein beispielloser Bauboom zu einer Vervierfachung der Immobilienpreise geführt. Hunderte Millionen Menschen wetteten darauf, dass Immobilienspekulationen sicherer für ihre Ersparnisse sind als die volatilen Aktienmärkte des Landes.

Wohnhochhäuser des Country Garden-Konzerns in Fuyang, in Chinas Provinz Anhui
Country Garden verkaufte im vergangenen Jahr fast zwei Drittel seiner Immobilien in kleineren chinesischen StädtenBild: Sheldon Cooper/SOPA Images/ZUMA/picture alliance

Zuerst Evergrande, jetzt Country Garden

Doch nach vielen Jahren mit einem hohen, zeitweise zweistelligen Wirtschaftswachstum führten die neuen Schuldenbeschränkungen der Regierung zu einem Einbruch der Immobilienverkäufe und -preise. Einen der Riesen unter den chinesischen Bauträgern, China Evergrande, traf es besonders hart.

Evergrande, das zweitgrößte Bauunternehmen des Landes, hatte sich daran gewöhnt, Einlagen von Investoren für künftige Projekte zur Finanzierung laufender Bauvorhaben zu verwenden. Im Jahr 2021 räumte Evergrande einen Schuldenberg in Höhe von 300 Milliarden Dollar ein und konnte später - wie viele Konkurrenten - einen Teil seiner Schulden nicht bezahlen konnte.

"Als die Krise von China Evergrande ausbrach, befürchtete man, dass andere folgen würden, aber sicherlich nicht Country Garden. Country Garden war viel weniger fremdfinanziert als Evergrande", sagte Alicia Garcia-Herrero, Chefvolkswirtin für den asiatisch-pazifischen Raum bei der französischen Investmentbank NATIXIS, der DW.

"Ohne einen kontinuierlichen Anstieg der Immobilienpreise ist das gesamte Immobilienmodell nicht tragfähig und das kann dann selbst ein Unternehmen wie Country Garden nicht mehr stemmen", fügte Garcia-Herrero hinzu, die in Hongkong tätig ist.

Das Logo von Evergrande prangt an der Spitze eines Hochhauses, davor weht die chinesische Flagge
Auslöser und Symbol für die Immobilienkrise in China: Der Baukonzern EvergrandeBild: picture alliance/Kyodo

Die Gerüchte über die Schwierigkeiten von Country Garden häufen sich jedoch schon seit Monaten. Die Aktien des Unternehmens sind seit Januar um mehr als 75 Prozent gefallen. Am Mittwoch wurden die Aktien von Country Garden mit 0,83 Hongkong-Dollar (0,093 Euro oder 0,10 Dollar) gehandelt.

Treuhandgesellschaft versäumt Zahlungen

Zu allem Überfluss hat ein großes Unternehmen des 2,9 Billionen Dollar schweren chinesischen Treuhandsektors, Zhongrong International Trust, diese Woche eingeräumt, dass es Dutzende von Zahlungen für Anlageprodukte versäumt hat, was ein Eingreifen der Regierung wahrscheinlicher macht.

Treuhandgesellschaften sind ein wichtiger Bestandteil des chinesischen Schattenbankensystems, da sie die Ersparnisse der Haushalte bündeln, um in Immobilien, Aktien und Rohstoffe zu investieren. Sie sind in der Regel überdurchschnittlich stark im Immobiliensektor des Landes engagiert.

Nachdem die chinesische Führung bereits Bauträger unterstützt und Anreize für Erstkäufer und Modernisierer geschaffen hat, ist es "sehr wahrscheinlich", dass sie Country Garden aus der Patsche hilft, sagte Pushan Dutt, Wirtschaftsprofessor an der Insead Business School in Singapur, gegenüber der DW.

"China kämpft seit mehr als einem Jahrzehnt mit dem Problem eines unausgewogenen Wachstums, das durch Investitionen angetrieben wird. Und der Immobiliensektor spielt dabei die zentrale Rolle", so Dutt. "Jedes Mal, wenn sie versuchen, dieses Problem anzugehen, verlangsamt sich das Wachstum, und sie kehren zur gleichen Lösung zurück: Rettungsaktionen, Liquiditätsspritzen und Zinssenkungen.

Pleite würde Gesamtwirtschaft hart treffen

Da der chinesische Immobiliensektor bis zu 30 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Landes beiträgt, hätte ein Zusammenbruch von Country Garden schwerwiegende Auswirkungen auf das gesamte Finanzsystem.

Chinesische Jugendliche auf Jobsuche sitzen nebeneinander und lesen Info-Broschüren auf einer Job-Börse in Xiamen in der Provinz Fujian
Jeder fünfte junge Chinese hat keine Arbeit und die Immobilienkrise drückt weiter auf das Wirtschaftswachstum des LandesBild: Xiang Yang/picture-alliance/dpa

Die Erholung Chinas nach der Pandemie ist bereits viel schwächer als erwartet, da die weltweite Nachfrage nach chinesischen Exporten sinkt und die Binnennachfrage schwächelt. Die Erholung ist so schwach, dass mehrere Wirtschaftswissenschaftler im vergangenen Monat die BIP-Prognosen für das Jahr von 5,5 Prozent auf 5 Prozent herabgestuft haben. Die Entscheidungsträger in Peking haben in dieser Woche beschlossen, die Veröffentlichung von Zahlen zur Jugendarbeitslosigkeit vorerst einzustellen. Mehr als jeder fünfte junge Chinese fand zuletzt keinen Job. Ein Sprecher der Statistikbehörde sagte, die Erhebungen würden überarbeitet.

Pushan Dutt warnte vor Ansteckungs-Gefahren, falls der Immobilienmarkt nicht gestützt wird. Der Insead-Professor wies darauf hin, dass China die gleichen "Jahre anämischen Wachstums" bevorstehen könnten wie Japan in den frühen 1990er Jahren. Er bezog sich dabei auf Japans so genanntes verlorenes Jahrzehnt, nachdem eine gigantische Immobilienblase geplatzt war. Auf ihrem Höhepunkt wurde ein durchschnittliches Haus in Tokio mit dem 15-fachen des durchschnittlichen japanischen Jahresgehalts bewertet.

"Um negative Auswirkungen des Immobiliensektors einzudämmen, sind deutlich stärkere fiskalische Anreize erforderlich, als die Behörden bisher in Erwägung gezogen haben", erklärte Gerwin Bell, leitender Ökonom für festverzinsliche Wertpapiere bei PGIM in Asien, in dieser Woche gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. "Wir erwarten, dass die chinesischen Behörden bald zu demselben Schluss kommen werden.

Andere sind jedoch weniger von einer direkten Intervention überzeugt, darunter Maggie Hu. Die Assistenzprofessorin für Immobilien und Finanzen an der Chinesischen Universität Hongkong, sagte der DW, die Wahrscheinlichkeit einer staatlichen Rettungsaktion sei "ziemlich gering". "Wenn es dringend wird, werden Maßnahmen ergriffen, um den Bau von bereits verkauften Immobilien zu sichern und das Wohlergehen der Hauskäufer und der beteiligten Banken zu gewährleisten", sagte Hu der DW.

Steht Chinesen Immobiliencrash bevor?

Unabhängig davon, ob und wie die Politik eingreift, erwarten die meisten Ökonomen, dass der Immobilienabschwung anhalten wird, insbesondere außerhalb der Megastädte Peking und Shanghai. Die durchschnittlichen Preise für neue Immobilienpreise  in den 35 kleinsten Städten, die vom Nationalen Statistikamt erfasst wurden, sind im Juni im Jahresvergleich den 17. Monat in Folge gesunken.

"Die nachteiligen Auswirkungen [des Zusammenbruchs] werden in Städten der zweiten oder dritten Reihe besonders ausgeprägt sein", prognostizierte Hu. "Vor allem in den Städten, die eine rückläufige Wirtschaft, eine alternde Bevölkerung und eine Abwanderung zu verzeichnen haben."

Peking ist bestrebt, ein Überangebot unfertiger Häusern zu vermeiden, vor allem in kleineren Städten, in denen Country Garden am aktivsten war und schätzungsweise eine Million Häuser im Bau sind. Das Unternehmen versprach den Massen die Chance auf ein "Fünf-Sterne-Leben", doch viele werden zusehen müssen, wie sich ihre Träume in Rauch auflösen.

Der Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.