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KlimaGlobal

China - neue Führungsrolle in der globalen Klimapolitik?

22. November 2024

Mit der Wiederwahl von Donald Trump verlassen die USA die Bühne der internationalen Klimapolitik. Könnte China diese Lücke füllen? Daheim setzt Peking zwar auf die Erneuerbaren, aber auch auf Kohlekraft.

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Solarpanele stehen vor den Abgastürmen von Kohlekraftwerken in China
Chinas Energieversorgung der Gegensätze: Kohlekraft und SolarenergieBild: Tingshu Wang/REUTERS

Der aktuelle UN-Klimagipfel, die COP29, im aserbaidschanischen Baku geht in die heiße Phase. Den Staaten bleibt nur noch wenig Zeit, um sich auf eine Abschlusserklärung zu einigen. Und dabei ruhen derzeit offenbar alle oder doch viel Hoffnungen auf China.

Die Volksrepublik könnte die Gunst der Stunde nutzen und die Lücke in der Klimapolitik schließen, die sich mit der Wiederwahl von Donald Trump derzeit abzeichnet, so die Idee. Der designierte US-Präsident hatte bereits angekündigt, dass er bei seinem Wiedereintritt ins Weiße Haus aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen will.

"Ich denke, es ist sicherlich ein wichtiger Moment und eine große Chance für China, diese Führungslücke zu schließen", sagt Yao Zhe, politischer Analyst bei Greenpeace Ostasien und verweist auf Chinas Fortschritte bei der Dekarbonisierung und die Fähigkeit des Landes, die Kapazität seiner Technologie auszuweiten.

Xi Jinping steht auf den Treppen eines Flugzeugs bei seiner Ankunft zum G20-Gipfel in Rio de Janeiro in Brasilien
Wie auch andere Staatoberhäupter ist Chinas Staatchef Xi Jinping dieses Jahr nicht beim UN-Klimagipfel dabeiBild: G20 Brazil Press Office/AFP

Kein Land produziert mehr Treibhausgase als China

Als weltweit größter Treibhausgasemittent und zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt müsse China ein positives Signal setzen, drängen die Verhandlungsführer. Die Volksrepublik solle ehrgeizigere Ziele bei der Treibhausgasreduktion festlegen - und Verantwortung in der internationalen Klimafinanzierung übernehmen.

Vorrangiges Ziel des diesjährigen UN-Klimagipfels ist es, ein neues Finanzierungsziel festzulegen - das so genannte New Collective Quantified Goal on Climate Finance (NCQG). Das Geld soll den Entwicklungsländern bei der Bewältigung des Klimawandels helfen.

Führende Wirtschaftswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler schätzen, dass die ärmeren Länder bis zum Ende des Jahrzehnts jährlich mindestens eine Billion Dollar benötigen, um ihre Emissionen zu reduzieren und die Auswirkungen extremer Wetterbedingungen bewältigen zu können.

Ausgetrocknete Erde mit großen Rissen vor dem Fluss Gan in China, dahinter der Blick auf eine Stadt
China leidet unter den Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels: Das Land wurde von schweren Dürren, Stürmen und Überflutungen heimgesuchtBild: Thomas Peter/REUTERS

Die Industrieländer sind für den größten Teil der historischen Emissionen verantwortlich, welche die Erde überhitzen und so den Klimawandel verursachen, daher sollen sie in den Fonds einzahlen. Delegierte aus den USA, der EU und einigen Entwicklungsländern fordern jedoch, dass auch reiche Schwellenländer wie China oder die Golfstaaten einen Beitrag leisten sollten. Obwohl China eine große Volkswirtschaft ist, wird es von den Vereinten Nationen formal noch immer als Entwicklungsland eingestuft.

Was trägt China schon zu Klimaschutz und Klimafinanzierung bei?

Entwicklungsländer, die zu den größten Verursachern von Emissionen gehören und in der Lage sind, sich an der Klimafinanzierung sollten dies tun, so Rizwana Hasan, Chef-Verhandlerin des Umweltministeriums der Übergangsregierung von Bangladesch. "China kann einen Beitrag leisten, andere können einen Beitrag leisten, auch Indien kann in gewissem Umfang einen Beitrag leisten", sagte Hasan gegenüber der DW.

Chinas Vertreter auf der COP29 machten jedoch deutlich, dass man sich weiterhin nur auf freiwilliger Basis an der Klimafinanzierung beteiligen wolle. So zahlen die Industriestaaten bereits gemeinsam jährlich 100 Milliarden Dollar für die internationale Klimafinanzierung. Dazu hatten sie sich bereits vor diesem Klimagipfel verpflichtet. China jedoch nicht.

Die Volksrepublik hat nach eigenen Angaben seit 2016 rund 24,5 Milliarden US-Dollar an Klima-Finanzmitteln bereitgestellt. Peking hat auch stark in Solar- und Windenergie sowie in Elektrofahrzeuge investiert, gleichzeitig aber auch die Kohlekraft ausgebaut.

Luftbild eines riesigen Solarfelds in der Ningxia Tengger Wüste in China
China investiert Milliarden in den Ausbau Erneuerbarer Energien wie PhotovoltaikBild: STR/AFP

Auf die Frage, ob Peking verpflichtet werden sollte, einen Beitrag zum NCQG zu leisten, sagte Adonia Ayebare, Vorsitzende der G77-Koalition der Entwicklungsländer und der China-Gruppe, zur DW: "Sie leisten bereits einen Beitrag. Sie sind Teil der G77. Sie haben die größten Solaranlagen der Welt. Sie produzieren sie und wir kaufen sie."

Ähnlich sieht es auch Niklas Höhne, Experte für Klimapolitik bei der gemeinnützigen Denkfabrik NewClimate Institute. China gelte zwar nicht offiziell als Beitragszahler der internationalen Klimafinanzierung, doch de facto sei das Land bereits ein solcher. "Sie finanzieren eine Menge Projekte außerhalb ihres Landes. Im Moment sind es mindestens drei Milliarden Dollar pro Jahr", so Höhne.

Würden solche Beiträge anerkannt, könnte dies für Länder wie China "eine starke Motivation sein, die Diskussionen [um die Abschlusskundgebung des Gipfels – Anm.d.Red.] zu lösen", vermutet Celine Kauffmann, vom IDDRI, einem unabhängigen Forschungsinstitut mit Schwerpunkt auf nachhaltiger Entwicklung.

Chinas Klimapolitik - ein widersprüchliches Bild

Ein weiterer wichtiger Grund für den Druck auf China, nun Führungsstärke zu zeigen und neue Emissionsziele festzulegen, sei die zentrale Rolle, die das Land bei den weltweiten Treibhausgasemissionen spiele, so Höhne. "China ist ist für ein Viertel der aller Treibhausgasemissionen verantwortlich. Wenn also die chinesischen Emissionen zurückgehen, dann erreichen damit die gesamten Treibhausgasemissionen ihren Höhepunkt und gehen zurück."

China produziert derzeit etwa doppelt so viele Emissionen wie die USA, die der zweitgrößte Verschmutzer sind, und ist für 90 Prozent der globalen CO2-Zunahme seit 2015 verantwortlich. 

Im Pariser Abkommen werden die Industrieländer aufgefordert, aufgrund ihrer unverhältnismäßig hohen Emissionen in der Vergangenheit die Führung bei den Klimaschutzmaßnahmen zu übernehmen. Laut einer Analyse der im Großbritannien ansässigen Plattform für Klimawissenschaft und -politik Carbon Brief, übertreffen Chinas eigene historische Emissionen jedoch inzwischen die der Europäischen Union.

China ist führend beim Ausbau von Ökostrom

Die Volksrepublik ist aber auch weltweit führend bei Investitionen in und den Ausbau von Ökostrom . Im Jahr 2023 investierte das Land 273 Milliarden Dollar in saubere Energie, gefolgt von Europa, das etwa halb soviel ausgab.

Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) stammt ein Drittel der weltweiten Investitionen in erneuerbare Energien aus China. Das Land habe im Jahr 2023 alleine so viele PV-Anlagen in Betrieb genommen hat wie die gesamte Welt im Jahr 2022 zusammen. Laut IEA steigerte China seine Windkraftkapazität im vergangenen Jahr um 66 Prozent. Und fast zwei Drittel aller Neuzulassungen von Elektroautos erfolgen demnach in China.

Im September 2020 erklärte der chinesische Präsident Xi Jinping, das Land wolle den Anstieg seiner Treibhausgasemission seiner CO2-Emissionen vor 2030 stoppen und bis 2060 klimaneutral werden.

Kohleproduktion in China auf Rekordniveau

Gemäß dem jüngst veröffentlichten Climate Change Performance Index (CCPI) rangiert China hinsichtlich seiner Fortschritte bei Klimaschutzmaßnahmen jedoch nur auf Platz 55 der 67 bewerteten Länder.

Riesige Mengen Kohle in der Lagerhalle einer Kohlefabrik in China
Chinas Energieversorgung ist weiterhin stark von der Kohlekraft abhängigBild: AFP

Zwar sei die Volksrepublik ein Zentrum für erneuerbare Energien und stehe kurz davor, den weiteren Anstieg seiner Treibhausgasemission zu stoppen. Dennoch habe China keine ausreichenden Klimaziele und sei weiterhin stark von fossilen Brennstoffen abhängig, so der CCPI-Bericht. Den größten Teil seiner Energieproduktion bestreite China mit dem Verbrennen von Kohle. Die Kohleproduktion erreichte laut IEA im Jahr 2023 ein Rekordhoch.

Um die Erderwärmung unter dem Schwellenwert von 1,5 Grad Celsius zu halten, müsse die Welt die globalen Treibhausgasemissionen bis 2030 drastisch senken, sagt Niklas Höhne.

"Deshalb hofft jeder, dass China ein Ziel für eine deutliche Reduzierung der Treibhausgasemissionen bis 2030 vorschlagen wird. Und das kann es auch, denn China baut die erneuerbaren Energien wirklich sehr, sehr schnell aus."

Redaktion: Jennifer Collins

Informationen vom UN-Klimagipfel: Tim Schauenberg

Adaption aus dem Englischen: Jeannette Cwienk

Klimakonferenz in Baku: Es geht um Billionen Dollar

Holly Young Holly Young ist Klimareporterin bei der DW Umweltredaktion in Berlin.@holly_young88