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Charlie Chaplin: Geschäfte mit einem verstorbenen Filmstar

19. Oktober 2024

Ein kleines Büro in Paris kümmert sich um die Filmlegende Charlie Chaplin. Hier wird das Vermächtnis des vor fast 50 Jahren verstorbenen Tramps gepflegt und die Erinnerung am Leben gehalten.

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Charlie Chaplin hinter der Kamera bei der Dreharbeit für "Modern Times"
Charlie Chaplin ist eine kulturelle Ikone. Obwohl er oft imitiert wurde, gibt es nur einen wirklichen Chaplin. Seine Familie möchte, dass es dabei bleibtBild: Roy Export Company Ltd.

Brauchen Ikonen Agenten? Wenn es um Charlie Chaplin geht, lautet die Antwort: ja!

Auch wenn die Filmlegende in England geboren wurde, seine wichtigsten Filme in Hollywood drehte und Chaplin seine letzten Jahrzehnte in der Schweiz lebte - das Chaplin-Büro liegt in einer ruhigen Straße in Paris, nicht weit vom Louvre entfernt.

Es ist ein kleiner Ort mit einer großen Aufgabe. Von hier aus kümmert sich ein engagiertes Team um das Erbe Charlie Chaplins, der vor fast 47 Jahren im Jahr 1977 gestorben ist. Obwohl das lange her ist, haben sie hier viel zu tun.

An der Chaplin-Vermarktung verdienen viele

Hinter dem Chaplin-Büro verbirgt sich nicht einfach nur ein Büro, es ist vielmehr eine Dachorganisation. Sie besteht aus mehreren Unternehmen, die verschiedene Rechte besitzen. Urheberrechts- und Lizenzangelegenheiten aus der ganzen Welt werden so an einem Ort gebündelt.

Ein Unternehmen besitzt und verwaltet die Charles-Chaplin-Archive mit privaten und professionellen Fotos, Heimvideos, Manuskripten und Musik. Ein anderes Unternehmen besitzt das Markenrecht für den Namen und die Abbildung von Charlie Chaplin und seiner Filmfigur "Little Tramp".

Ein weiteres Unternehmen hält die Urheberrechte an seinen Filmen und ist für die Rechte und die Lizenzierung in der ganzen Welt zuständig. All diese Unternehmen und Urheberrechte werden immer noch von der Familie Chaplin kontrolliert.

Charlie Chaplin Figur
Charlie Chaplin inspiriert heute noch Künstler wie Lady Gaga. Andere sehen universelle Botschaften in seiner ArbeitBild: T. Rooks/DW

Multitalent Chaplin besaß umfassende Urheberrechte

Zu seinen Lebzeiten verdiente Chaplin dank seines Talents und der strengen Kontrolle seiner geschäftlichen Angelegenheiten viele Millionen.

Anders als die meisten Hollywood-Stars war er nicht nur Schauspieler. Er hatte sein eigenes Studio, schrieb die Drehbücher, führte Regie und produzierte seine Filme selbst. Später komponierte er auch noch die Musik zu seinen Werken.

Mit der vollständigen Kontrolle des kreativen Prozesses besaß Chaplin das Urheberrecht an fast allen Filmen, die er nach 1918 gedreht hat, darunter "The Kid", "The Gold Rush" ("Goldrausch"), "City Lights" ("Lichter der Großstadt"), "Modern Times" ("Moderne Zeiten") und "The Great Dictator" ("Der große Diktator").

Drahtseilakt zwischen Vergangenheit und Gegenwart

Und genau wie Charlie Chaplin hat auch Arnold Lozano, der Leiter des Chaplin-Büros, eine Mission. Der 41-Jährige ist dafür verantwortlich, dass das Filmidol - und seine Tramp-Figur - auch im 21. Jahrhundert im Geschäft bleiben.

Direktor des Chaplin-Büros: Arnold Lozano
Direktor des Chaplin-Büros: Arnold LozanoBild: T. Rooks/DW

Sein Büro liegt an einer schmalen Straße und hat große Fenster. Nahezu jede Fläche ist mit Chaplin-Erinnerungsstücken gefüllt - Poster, gerahmte Fotos und Regale voll mit Büchern.

Es fällt schwer, nicht zu lächeln, wenn man sich hier umsieht: Aus jeder Ecke lächelt der Tramp zurück. Trotz des fröhlichen Ambientes ist dies ein Ort für ernsthafte Geschäfte.

Nachdem er den vorherigen Direktor zehn Jahre lang unterstützt hatte, übernahm Lozano vor zwei Jahren die Leitung des Chaplin-Büros. Der Sohn mexikanischer Einwanderer ist in Kalifornien geboren und aufgewachsen. Dort hat er Film und Medien studiert, bevor er nach Frankreich gezogen ist.

Durch Zufall fand er in einer englischsprachigen Zeitung eine Stellenanzeige, in der ein Mitarbeiter für ein Filmarchiv gesucht wurde. Chaplin wurde darin nicht erwähnt, und Lozano war überrascht, als er zum Vorstellungsgespräch erschien und erfuhr bei dieser Gelegenheit, dass eine solche Organisation überhaupt existierte.

Trotz seines Filmstudiums wusste er nicht viel über Chaplin. Jetzt, zwölf Jahre später, ist er ein Experte auf diesem Gebiet. Und genau wie Chaplin in "The Circus" muss Lozano einen Drahtseilakt vollführen, allerdings einen zwischen Vergangenheit und Gegenwart.

Seine wichtigste Aufgabe sei es, "die Wünsche der Familie Chaplin zu respektieren, um das Werk ihres Vaters zu schützen", sagt Lozano. Gleichzeitig müsse er "das richtige Gleichgewicht finden zwischen dem Schutz des Werkes und einer möglichst großen Verbreitung."

Auch heute noch weltweites Interesse an Chaplin

Seit der Gründung des Chaplin-Büros im Jahr 1953 hat es nur vier Direktoren gegeben. Die ersten drei, Rachel Ford, Pamela Paumier und Kate Guyonvarch, haben alle jahrzehntelang dort gearbeitet.

Diese Kontinuität sorgte für einen reibungslosen Ablauf. Das ist besonders wichtig für so ein einzigartiges Unternehmen. Denn es gibt keine Vorbilder, an denen er sich orientieren könnte.

Für Lozano und seine Vorgängerinnen besteht ein Großteil der Arbeit darin, Anfragen aus der ganzen Welt zu beantworten sowie Lizenzvereinbarungen und Verträge abzuschließen.

Die wichtigsten Kontakte bestehen mit Frankreich, Italien, der Schweiz und den USA. Aber da Chaplins Humor viele Grenzen überwindet, hat Lozano auch schon mit Unternehmen in Japan, Botswana und der Mongolei zusammengearbeitet.

Die Unterstützung der Familie Chaplin ist entscheidend

Unterstützung bekomme Lozano von seinem kleinen Team, der Familie Chaplin und durch enge Partnerschaften mit der professionellen Vertriebsfirma mk2 Films und der Cineteca di Bologna. Gemeinsam mit Familienmitgliedern genehmigt und fördert er Projekte wie Vorführungen mit Live-Orchester, Bücher, Ausstellungen, Dokumentarfilme und Bühnenshows.

Auch das Merchandising sorgt für Geschäfte. Im Laufe der Jahre wurde mit der Abbildung von Chaplin alles Mögliche von Puppen bis hin zu Tee verkauft. In den 1980er Jahren gab es sogar eine Werbekampagne zum Verkauf von IBM-Computern mit einem Abbild des Tramps.

Heute geht das Team nicht mehr aktiv auf die Suche nach Werbemöglichkeiten, die Anfragen kommen auch so zu ihnen. Lizenzen in Verbindung mit Tabak, Alkohol, Glücksspiel, Arzneimitteln oder politischen Parteien werden vermieden.

Der Filmvertrieb, seien es DVDs oder TV-Ausstrahlungen, wurde im Rahmen einer Lizenzvereinbarung an mk2 Films übertragen. Trotzdem liegt die endgültige Genehmigung für alle Geschäfte in der Hand des Chaplin Büros.

Das Chaplin Büro muss sich zudem auch um Urheberrechtsverletzungen kümmern. Meistens handelt es sich dabei um Fälle, in denen die Leute nicht wussten, dass die Filme urheberrechtlich geschützt sind, und die ohne Anwälte schnell geklärt werden können, sagt Lozano.

Kleine lesende Charlie Chaplin Figur auf einem Bücherregal sitzend
Chaplin-Puppen gab es schon vor mehr als 100 Jahren, und Bücher über ihn sind in vielen Sprachen erschienen.Bild: T. Rooks/DW

Charlie Chaplin als Geldmaschine

Wie viel das Chaplin-Büro jedes Jahr durch Chaplin einnimmt, will Lozano nicht sagen, aber es ist genug, um sein Team viel beschäftigt zu halten.

Der Tramp ist nach wie vor mehr als nur eine Figur. Er ist ein Symbol für die Verachtung von Autoritäten - ein Mann, der ein einfaches, glückliches Leben führen will. Es ist eine universelle Botschaft, die das Publikum auf der ganzen Welt berührt.

Obwohl Kinder immer die ersten sind, die kichern, sobald der Tramp mit wackelnden Schritten auf der Leinwand erscheint, "enthalten Chaplins Filme neben den lustigen Aspekten auch viele andere menschliche Emotionen", sagt Lozano. "Die besten seiner Filme sind einfach nicht gealtert."

Was dagegen altert, ist der Schutz durch das Urheberrecht. So endet 2047 der rechtliche Schutz für Chaplins Filme. Damit hat das Chaplin-Büro noch 23 Jahre Zeit, um den Nachlass zu verwalten und damit Geld zu verdienen.

Mit Produkten rund um Charlie Chaplin wird sich wahrscheinlich länger Geld verdienen lassen als mit den meisten anderen Produkten aus Hollywood-Filmen.

Timothy Rooks, Deutsche Welle
Timothy Rooks ist Reporter und leitender Redakteur der DW in Berlin.