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Politik

Namibias vergessene Flüchtlinge wollen nicht zurück

Daniel Pelz
23. August 2018

Tausende Namibier aus der Caprivi-Region flohen Ende der neunziger Jahre nach blutigen Unruhen ins Nachbarland Botswana. Gut 700 leben immer noch dort. Nun sollen sie zurück in die Heimat - doch davor haben viele Angst.

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Eine Familie im Caprivi-Streifen
Eine Familie im Caprivi-Streifen. Die Region gehört zu den ärmsten Gegenden NamibiasBild: picture-alliance/dpa/T. Schulze

Einst waren es rund 3000. Nun leben noch etwas über 700 Flüchtlinge aus Namibia in Botswana. Aber nicht mehr lange, wenn es nach den Regierungen beider Länder geht. "Sie sind Namibier und sie sind ihrem Heimatland herzlich willkommen. Wir werden sie mit offenen Armen empfangen", sagt Namibias Flüchtlingsbeauftragter Likius Valombola im DW-Interview.

Im Mai hatte Botswanas Regierung die Flüchtlinge aufgefordert, bis zum 11. Juli freiwillig auszureisen. Danach würden sie zu unterwünschten Ausländern erklärt und abgeschoben. Namibia billigt den Plan. Die Argumentation beider Regierungen: Die Krise in Caprivi ist vorüber, Namibia ist sicher. "Wir werden sie in Würde und Sicherheit hier empfangen, wie wir schon die früheren Heimkehrer empfangen haben. Sie leben gut integriert in ihrer früheren Heimat", sagt Flüchtlingskommissar Valombola.

Angst vor der Rückkehr

Die Flüchtlinge sehen das nicht so rosig. Auf ihren Antrag hat das Oberste Gericht Botswanas ihre Abschiebung vorerst verboten. Auch Amnesty International (AI) ist besorgt. "Die Gefahr ist sehr real, dass ihnen im Fall einer Rückkehr in die Caprivi-Region Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen drohen könnten, auch wenn die Regierung Namibias ihre Sicherheit garantiert hat", sagt AI-Expertin Shireen Mukadam. "Man kann Menschen nicht einfach so auf die Straße werfen und sie zwingen, nach Namibia zurückzukehren, wenn sie davor Angst haben", sagt Mukadam der DW.

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Denn: Die Gewaltwelle der späten neunziger Jahre ist zwar vorbei, aber noch lange nicht vergessen. Nach der Unabhängigkeit Namibias 1990 hatte eine Separatistenbewegung in der Caprivi-Region Aufwind bekommen. Der schmale Streifen im Nordosten gehörte zu den ärmsten Gegenden im Land, viele Einwohner fühlten sich von der Zentralregierung im Stich gelassen.

Dass die Region zu Namibia gehört, ist ohnehin nur eine Folge der Kolonial-Ära: 1890 hatte Großbritannien den Streifen (und die Insel Helgoland) an das damalige Deutsche Reich abgetreten, das bereits das Gebiet des heutigen Namibias besetzt hatte. Kulturell fühlen sich die Bewohner den Menschen im Nachbarland Botswana viel näher. 1999 erreichte der Kampf um die Unabhängigkeit Caprivis einen blutigen Höhepunkt: Kämpfer besetzten Polizeiwachen, den Radiosender und den Flugplatz der Regionalhaupstadt Katima Mulilo. Namibias Regierung rief den Ausnahmezustand aus, die Armee rückte an. Nach Angaben von Amnesty International wurden mehr als 300 Menschen festgenommen.

2006 verbot Namibias Regierung die Vereinigte Demokratische Partei UDP, den politischen Arm der Befreiungsbewegung. Die Pateiführung lebt im dänischen Exil, einige der Flüchtlinge gehören  der UDP noch heute an. Entsprechend groß ist die Angst vor der Heimkehr. "Einige der bisherigen Heimkehrer hat man im Gefängnis weggesperrt", sagt Letseweletse Martin Dingake, Anwalt der namibischen Flüchtlinge in Botswana.

Ein Regierungssoldat, der bei der Niederschlagung des Aufstands verwundet wurde, wird auf einer Trage abtransportiert. (Archivbild)
1999 eskalierte die Gewalt im Caprivi-StreifenBild: picture-alliance/dpa/H. Van Rooi

Reine Angstmache, kontert Namibias Regierung. Wer beim Aufstand 1999 eine Rolle gespielt habe, müsse sich dafür verantworten, sagt Flüchtlingskommissar Valombola. Das betreffe aber nur eine Minderheit unter den Flüchtlingen, die noch in Botswana seien. Deren Rolle beim Aufstand werde genau untersucht. "Unser Rechtssystem ist unabhängig und keinen politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Einflüssen unterworfen", sagt er. Flüchtlinge, die in den letzten Jahren heimgekehrt seien, hätten keine Verfolgung erlitten.

Der Druck auf die Flüchtlinge wächst

Doch auch in Botswana wächst der Druck, sagen die Flüchtlinge. In einer E-Mail, die der DW vorliegt, listet einer von ihnen zahlreiche Einschränkungen auf: Beschäftigungsprogramme, durch die sich die Flüchtlinge ein zusätzliches Einkommen verdienen konnten, seien gestrichen worden - ebenso bestimmte medizinische Angebote und Programme für die Jugendlichen. Nach Angaben ihres Anwalts werden sie bald auch keine Essensrationen mehr erhalten. "Das ist eine brutale Teile-und-herrsche-Taktik, mit der man das Durchhaltevermögen und die Einigkeit der Flüchtlinge brechen will", klagt Anwalt Dingake im DW-Interview. "Die Verzweiflung wird wachsen und einige werden dann aus Verzweiflung zurückgehen." Eine Interviewanfrage der DW an das UN-Flüchtlingskommissariat blieb unbeantwortet.

Dingake, der die Flüchtlinge seit 2015 ehrenamtlich vertritt, will trotzdem weiterkämpfen. Per Gerichtsbeschluss will er erzwingen, dass die Namibier wieder als Flüchtlinge anerkannt werden. Mit einer baldigen Entscheidung  ist aber nicht zu rechnen: Das Verfahren könne drei bis vier Jahre dauern, sagt er der DW. Für Namibias vergessene Flüchtlinge könnte die Unsicherheit also noch lange weitergehen.