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Cannabis: Legalisierung in Deutschland - in zwei Schritten

12. April 2023

Die Bundesregierung will Cannabis legalisieren. Der Besitz von 25 Gramm Genuss-Cannabis soll erlaubt werden. In speziellen Vereinen soll der Anbau von Haschisch möglich sein.

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Frau hält sich Cannabisblätter vors Gesicht
Die Droge Cannabis wird legalisiertBild: Bea Vera/Addictive Stock/IMAGO

Weißer Rauch über dem Gesundheitsministerium. Eine Lösung ist gefunden, die überarbeiteten Eckpunkte für eine Legalisierung von Cannabis in Deutschland stehen fest und sollen schon bald Gesetz werden. Stolz hatte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) schon Stunden vor der Pressekonferenz per Tweet verkündet: "Die Legalisierung von Cannabis: sie kommt doch."

 

Bei der Pressekonferenz wirkt der Gesundheitsminister optimistisch: "Wir versuchen ein Problem zu lösen", verkündet Lauterbach selbstbewusst.  "Die bisherige Cannabis-Politik ist gescheitert", resümiert er. Seit 2011 sei die Anzahl der Drogendelikte in Deutschland kontinuierlich angestiegen. Diesen Trend wolle man stoppen, Haschisch legalisieren, saubere Produkte anbieten, den Schwarzmarkt trockenlegen und die Jugend schützen. Dazu habe sein Ministerium zusammen mit vier weiteren Ressorts ein Zwei-Stufen-Modell entwickelt.

Zwei-Stufen-Modell für Cannabis in Deutschland

Im ersten Schritt soll der Besitz von maximal 25 Gramm "Genusscannabis" zum Eigenkonsum ab 21 Jahren straffrei sein. Monatlich sind insgesamt 50 Gramm des Rauschmittels legal. Pro Person soll es außerdem erlaubt sein, drei Hanfpflanzen im Eigenanbau auf dem Balkon oder im Garten zu ziehen. Ein entsprechender Gesetzentwurf, ergänzt Agrarminister Cem Özdemir (Grüne), "kommt noch im April".

Für den Vertrieb von Marihuana sollen sogenannte Cannabis-Social-Clubs gegründet werden. Das sollen Vereine sein, die ihre Mitglieder mit Cannabis-Produkten aus eigenem Anbau versorgen. Die Vereine sollen, so Lauterbach, maximal 500 Mitglieder haben.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach und Agrarminister Cem Özdemir stehen nebeneinander
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (r.) und Agrarminister Cem Özdemir glauben an ihr neues KonzeptBild: AFP

Neu geregelt wird der Verkauf von Cannabis. Das ist die Säule zwei des Regierungsplans. Der ursprünglich Entwurf sah vor, dass der Vertrieb weitestgehend staatlich kontrolliert wird, um einer Kriminalisierung beim Verkauf vorzubeugen. Dazu sollten sogar Apotheken zum Verkauf an Kunden über 18 Jahren lizenziert werden. Der Plan einer staatlich kontrollierten Lieferkette vom Anbau bis zum Verkauf musste – offenbar auch auf Druck der EU-Kommission - aufgegeben werden. Den Verkauf in lizensierten Geschäften soll es nun lediglich in Modellregionen geben.

Özdemir: "Schwarzmarkt wird sich schwarzärgern"

Dieses Mal soll es klappen. Bereits im Oktober des vergangenen Jahres hatte Lauterbach als zuständiger Minister – der ursprünglich selbst gegen eine Cannabis-Legalisierung war – sogenannte Eckpunkte für ein Gesetz vorgelegt. Die waren aber offenbar zu liberal und widersprachen in einigen Punkten den Vorschriften der EU. Dieses Mal legt Lauterbach einen Vorschlag vor, den er für rechtlich umsetzbar und EU-kompatibel hält.

Frau zieht an einem Joint
Der Joint - bald vollkommen legalBild: Patrick Gorski/NurPhoto/picture alliance

Viel Lob für den Entwurf gab es natürlich von der Seite der Regierung aus SPD, Grünen und FDP. Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) sagte: "Die kriminellen Dealer werden sich nicht freuen. Der Schwarzmarkt wird sich schwarzärgern." Die drogenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Kristine Lütke, schrieb: "Endlich!". Aus der Opposition kommen jedoch kritische Stimmen. Auf Anfrage der DW antwortete der Gesundheitsexperte der CDU-Bundestagsfraktion, Erwin Rüddel: "Die Legalisierungspolitik der Ampel ist gescheitert." Bei Jugendlichen bis 25 Jahren müsse man bedenken, dass "Psychosen durch Cannabiskonsum auftreten können".

"Legalize it" ist Regierungsplan

Der erneute Vorstoß der Regierung zeigt: Es geht nicht mehr um das Ob einer Cannabis-Legalisierung, sondern lediglich um das Wie und Wann. Lauterbach setzt das um, was sich SPD, Grüne und FDP in ihr gemeinsames Regierungsprogramm geschrieben hatten: Legalize it! Als politisches Vorhaben ist im Koalitionsvertrag festgehalten: "Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein."

Legalisierung von Cannabis verspricht hohe Gewinne

Noch ist der Besitz von Cannabis, Haschisch oder Marihuana in Deutschland strafbar. Er gilt als Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz und kann verfolgt werden, genauso wie der Besitz härterer Drogen wie Heroin oder Ecstasy. Die von der Regierung angestrebte Reform könnte Polizei und Staatsanwaltschaften erheblich entlasten. Auch das war ein Ziel. Selbst in Justizkreisen hält man die Entkriminalisierung des Besitzes von Cannabis für eine gute Idee. So warb der Präsident des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, kürzlich für eine Herabstufung von Cannabis-Delikten von einer Straftat zu einer Ordnungswidrigkeit.

Cannabis-Legalisierung könnte deutsche Staatskasse füllen

Die Legalisierung von Cannabis könnte sogar zu einem großen Geschäft für den Staat werden. So sieht es der Düsseldorfer Wirtschaftswissenschaftler Justus Haucap, der sich schon seit Jahren für eine Legalisierung von Cannabis einsetzt - aus wirtschaftlichen Gründen. Gegenüber der DW hatte Haucap kürzlich erklärt, er gehe von rund vier Millionen Cannabiskonsumenten in Deutschland aus. "Wir haben versucht, einmal einzuschätzen, was das von der Menge her bedeutet. Wir gehen von einem Marktvolumen von rund 400 Tonnen aus, das sich zwischen vier und fünf Milliarden Euro bewegt." Mögliche Einnahmen aus der vorgesehen Cannabissteuer sowie Einsparungen bei Polizei und Justiz addiert der Wirtschaftsprofessor auf knapp fünf Milliarden Euro pro Jahr.

In vielen Ländern Europas gilt schon heute eine sehr liberale Drogenpolitik. Beispielsweise in den Niederlanden oder Portugal, wo Haschisch und Co. weitestgehend entkriminalisiert wurde. In Spanien gilt der Cannabiskonsum lediglich als Ordnungswidrigkeit. In Kanada ist der Konsum ebenfalls erlaubt; das Land hat sogar einen Cannabisminister. Auch in Uruguay und in 19 Bundesstaaten der USA sind Anbau, Handel und Vertrieb von Cannabis legalisiert.

Ob eine Legalisierung in Deutschland wirklich schon bald umgesetzt werden kann, ist allerdings noch offen. Bundestag und Bundesrat müssen zustimmen. Der überarbeitete Entwurf (Stufe zwei) muss erneut an die EU-Kommission zur Prüfung verschickt werden. Gesundheitspolitiker Erwin Rüddel (CDU) ist skeptisch. Der DW sagte er, er hätte sich gewünscht, "dass mit der EU ein gemeinsamer Weg gefunden wird". Doch Gesundheitsminister Karl Lauterbach hält seine Pläne, wie er sagte, sogar für ein echtes "Vorbild" in der EU-Drogenpolitik.

Volker Witting
Volker Witting Politischer Korrespondent für DW-TV und Online