Börsenparty trotz Corona-Ängsten: Was ist da los?
19. August 2020Die amerikanischen Börsen haben es vorgemacht, die asiatischen sind dem großen Vorbild in Amerika gefolgt - mit Höhenflügen. Die Technologiebörse Nasdaq eilt von einem Rekord zum Nächsten. Und in dieser Woche hat auch der breit aufgestellte S&P 500-Index in New York einen neuen historischen Rekord erreicht. Und das, inmitten einer Pandemie und einem historischen Wirtschafts-Crash weltweit.
"Man guckt nach vorne", erklärt der Marktexperte der Comdirect, Andreas Lipkow, diesen Widerspruch zwischen der aktuellen Lage der Realwirtschaft und der Partylaune an den Börsen. "Man geht davon aus, dass die größten Auswirkungen aus der Corona Pandemie vorbei sein könnten."
Börsenhype überall
Auch an manchen asiatischen Börsen wie in Japan sind die Börsenkurse dem amerikanischen Beispiel gefolgt. Der Nikkei-Index hat immerhin den höchsten Stand seit sieben Monaten erreicht. Damit befindet er sich auf einem höheren Niveau als vor Beginn der Krise. Der Deutsche Aktienindex DAX trippelt zwar ein wenig unentschlossener hinter den großen internationalen Börsen her. Und dennoch: Auch hier ist der Index nicht weit von der Marke von 13.000 Punkten entfernt. Damit hat er die tiefe Scharte nach Ausbruch der Corona-Pandemie fast wieder komplett ausgewetzt.
Irritierend dabei scheint, dass die Pandemie weiter grassiert - vor allem in den USA, der nach wie vor wichtigsten Volkswirtschaft der Welt. Und auch hierzulande steigen die Infektionszahlen wieder, sodass viele Beobachter für den Herbst eine "zweite Welle" auf Deutschland zurollen sehen. Allerdings hängt auch das eng zusammen mit der Hoffnung, dass die politisch Verantwortlichen wie bisher massiv gegensteuern werden, um die wirtschaftlichen Schäden gering zu halten.
Geld, Geld und nochmals Geld
Das ist ein zweiter Grund, warum Investoren optimistisch bleiben. "Momentan sind es natürlich die Konjunkturpakete, die von politischer Seite geschnürt worden sind, sowohl in Europa als auch in den USA", so Andreas Lipkow gegenüber der DW. Die Notenbanken täten ihr Übriges. So hat die Regierung in Berlin hunderte Milliarden Euro in die Hand genommen, um etwa über die Mehrwertsteuersenkung Bürgerinnen und Bürger zu entlasten. Unternehmen werden mit Hilfen, Krediten und Garantien unterstützt, Kommunen in vielen Bereichen gestärkt oder finanziell entlastet.
Die jüngsten Höhenflüge an den US-Börsen gründen zum Teil auch auf der Hoffnung, dass Republikaner und Demokraten sich auf weitere Konjunkturprogramme einigen werden. Diese Gelder, so das ökonomische Kalkül, können in Investitionen und in den Konsum fließen, was potenziell Rückenwind für die gebeutelten Wirtschaften darstellt.
Zeitgleich haben die Notenbanken in den wichtigsten Wirtschaftsregionen der Welt eindeutig signalisiert, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise zu mildern und die Kredit- und Finanzströme so gut es geht aufrecht zu erhalten. Allein die Europäische Zentralbank (EZB) hat ein Notfallprogramm gegen die Pandemie gestartet, dessen Volumen nach und nach auf unvorstellbare 1,35 Billionen Euro anwachsen dürfte. Die Geldflut, gepaart mit Null- und sogar Negativzinsen, treibt viele Investoren auf der Suche nach Profiten in risikoreichere Teile der Finanzmärkte. Und dazu gehören auch und vor allem Aktienmärkte - und das treibt die Kurse.
GAFA als Treiber
Und schließlich gibt es auch Branchen und Großunternehmen, die von der Pandemie sogar profitieren. Stellvertretend genannt seien die vier abgekürzt als GAFA zusammengefassten Aktien der Technologiekonzerne Google, Apple, Facebook und Amazon. Diese Vertreter der modernen digitalen Plattform-Ökonomie profitieren von der Krise, weil Menschen mehr und mehr auf digitalen Pfaden online ihren Geschäften, Einkäufen und Bestellungen nachgingen. Nicht umsonst hat die Rekordjagd an den Börsen - trotz Corona - an der Technologiebörse Nasdaq ihren Ausgang genommen.
Ob der Höhenflug allerdings weiter gehen kann oder wird, dazu bräuchte es der sprichwörtlichen Kristallkugel. Angesichts der weiter grassierenden wirtschaftlichen Probleme, die sich auch in vielen Unternehmensbilanzen zeigen oder in möglichen Insolvenzwellen, sehen manche Beobachter im Höhenflug der Börsen eine schlichte Blase, die bald zu platzen droht. Vermutlich wird vieles davon abhängen, wie die Pandemie weiter verläuft. Ob also eine zweite Welle Unternehmen und Wirtschaft womöglich ein zweites Mal lähmen wird.