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BVG erlaubt Schächten

15. Januar 2002

Das rituelle Schlachten von Schafen und Rindern ohne vorherige Betäubung darf Muslimen in Deutschland nicht verboten werden. Das entschied jetzt das Bundesverfassungsgericht.

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Muslime beim SchächtenBild: AP
Bundesverfassungsgericht
Das Bundesverfassungsgericht hat seit September 1951 seinen Sitz in Karlsruhe.

Islamischen Metzgern darf das so genannte Schächten, also das Schlachten von Tieren ohne vorherige Betäubung, nicht generell untersagt werden. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts muss beachtet werden, dass bestimmten Religionsgemeinschaften innerhalb des Islams das Verzehren von geschächtetem Fleisch vorgeschrieben ist.

Gerichte hatten Ausnahmegenehmigung zu eng ausgelegt

Mit dem verkündeten Urteil hatte die Verfassungsbeschwerde eines muslimischen Metzgers aus dem Raum Gießen Erfolg, dem die Ausnahmegenehmigung für das Schächten nach Jahren wieder entzogen worden war. Das Bundesverfassungsgericht stellte fest, dass die Gerichte die Ausnahmegenehmigung nach dem Tierschutzgesetz zu eng ausgelegt und damit die Grundrechte des deutsch-türkischen Metzgers unverhältnismäßig eingeschränkt hätten.

Das Tierschutzgesetz verbietet das Schlachten von Tieren ohne vorherige Betäubung, lässt jedoch Ausnahmen zu, wenn eine Religionsgemeinschaft ihren Anhängern den Verzehr von geschächteten Tieren vorschreibt. Seit einer Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts von 1995 gingen deutsche Behörden und Verwaltungsgerichte jedoch davon aus, dass der Islam das Schächtgebot nicht zwingend vorschreibt. Ausnahmegenehmigungen für muslimische Metzger wurden seither wieder zurückgezogen.

Tierschutzgesetz mit Grundgesetz vereinbar

Betroffen war unter anderem der Metzger aus dem Raum Gießen, dessen Vater bereits eine Ausnahmegenehmigung zum Schächten von Tieren besessen hatte. Der Mann rief deshalb das Bundesverfassungsgericht an, das im November über den Fall mündliche verhandelt hatte.

In der am Dienstag verkündeten Entscheidung heißt es, das Tierschutzgesetz sei mit dem Grundgesetz vereinbar. Die dort getroffene Ausnahmeregelung trage den Belangen der Religionsfreiheit Rechnung. Die Gerichte hätten die Ausnahmeregelung aber zu eng ausgelegt. Da es innerhalb des Islams verschiedene Ausrichtungen gebe, dürfe die Frage nach der zwingenden Vorschrift des Schächtens nicht mit Blick auf den Islam insgesamt beantwortet werden. Vielmehr müsse die konkrete Glaubensrichtung innerhalb der bestehenden Religionsgemeinschaft beurteilt werden.

Schächten soll für alle Glaubensrichtungen erlaubt sein

Verlange die Glaubensüberzeugung zwingend, nur das Fleisch von Tieren zu verzehren, die ohne Betäubung geschlachtet wurden, hätten die Gerichte dieses Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft zu beachten. Einem Metzger, der die Ausnahmegenehmigung zur Versorgung der Religionsgemeinschaft benötige, dürfe sie nicht versagt werden. Weiter verweist der Erste Senat des höchsten deutschen Gerichts darauf, dass auch der Gesetzgeber die Ausnahmegenehmigung nicht auf Angehörige jüdischen Glaubens beschränken wollte, die in Deutschland schächten dürfen. Diese Möglichkeit sollte vielmehr auch islamischen Glaubensrichtungen eröffnet werden. (pg)

(Aktenzeichen: Bundesverfassungsgericht 1 BvR 1783/99)