Bushs Atompläne beunruhigen die Welt
11. März 2002Die Papiere enthalten eine Liste von mindestens sieben potenziellen Ziel-Ländern für atomare Angriffe. Dort werden neben China auch Russland, Iran, Irak, Nordkorea, Libyen und Syrien aufgeführt. Nach Zeitungsberichten werden verschiedene Szenarien skizziert: Washington müsse beispielsweise bereit sein, bei einem Angriff Iraks gegen Israel, Chinas gegen Taiwan oder Nordkoreas gegen Südkorea Atomwaffen gegen die Angreiferstaaten einzusetzen.
Atomangriff: Hemmschwelle sinkt
Auch die Voraussetzungen für den Einsatz von Atomwaffen werden neu geregelt. Bislang durften mit Atomwaffen nur atomare, biologische oder chemische Angriffe erwidert werden. Nun sollen nach dem Pentagon-Bericht auch Atomschläge möglich sein, wenn "Angriffsziele mit herkömmlichen Waffen nicht bekämpft werden können" oder wenn sich "eine überraschende militärische Lage" entwickelt.
Die neuen Regelungen ermöglichen somit einen atomaren Erstschlag. Kritiker werfen der Bush-Regierung vor, dass sie dadurch die Hemmschwelle für Atomwaffeneinsätze deutlich gesenkt und damit deutlich die Bereitschaft zu einem atomaren Angriff signalisiert habe. Das Geheimpapier soll außerdem die Entwicklung von vielseitig einsetzbaren Mini-Atomwaffen vorsehen.
Verletzung der Menschenrechte
Zahlreiche Staaten befürchten, dass die Atomwaffenpläne des US-Präsidenten zu einer Zuspitzung der weltpolitischen Situation führen. Ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums sagte, die Pläne böten Anlass für "Unbehagen und Sorge". Peking verurteilte die "weltweit wachsende US-Militärpräsenz" zudem als "Verletzung der Menschenrechte".
Der iranische Ex-Präsident Akbar Haschemi Rafsandschani warf den USA vor, eine Politik der Einschüchterung zu betreiben. Und auch in Russland werden die US-Pläne kritisiert: "Die US-Führung müsse die Weltgemeinschaft nun davon überzeugen, dass die USA keine konkreten Angriffspläne schmieden", verlangte der russische Außenminister Igor Iwanow in Moskau.
Bundesregierung: "Berichte überspitzt"
Die deutsche Bundesregierung äußerte sich dagegen zurückhaltend. Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye bezeichnete die Berichte über neue US-Angriffsziele als "überspitzt". Ansonsten befürworte die Bundesregierung nach wie vor die nukleare Abrüstung.
In Paris sprach sich ein Sprecher der französischen Regierung gegen den Einsatz von Atomwaffen aus. Unterdessen ruderte die US-Regierung direkt nach der Veröffentlichung der Papiere zurück und sprach von "reinen Vorsichtsmaßnahmen". Die Entwicklung neuer Atomwaffen wurde von US-Außenminister Colin Powell dementiert.