Bundeswehr in Mali: Aus für das "Prinzip Hoffnung"?
9. Februar 2022Politische Debatten über die Bundeswehr-Mission in Mali ziehen täglich neue Kreise, der Entscheidungsdruck steigt. Deutsche Soldaten sind seit neun Jahren in dem westafrikanischen Sahel-Staat stationiert, doch die Erfolge im Kampf gegen Terrorismus sind mäßig - die Risiken für die Sicherheit der Truppen dagegen groß.
Streitpunkt Wahlen
Die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Katja Keul (Grüne), forderte in dieser Woche nach ihrer Rückkehr aus Mali "akzeptable Vorschläge" und einen "Zeitplan für die Rückkehr zur Demokratie". Sonst könne Deutschland "seine Unterstützung nicht fortsetzen", sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Nach ähnlichen Aussagen von Außenministerin Annalena Baerbock sind das erneut klare Signale in Richtung der Militärjunta, die vergangenen Monat angekündigt hatte, für Februar geplante Wahlen um bis zu fünf Jahre zu verschieben.
Auch in Mali wird über den möglichen Abzug der Deutschen diskutiert. Doch im Vergleich zu anderen Militärkontingenten im Land kommt die Bundeswehr hier noch gut weg. Aboubacar und Bouba sind zwei junge Männer, die in Mopti leben, einer Stadt im Zentrum des Landes. Im Moment sei das, was Malier im Allgemeinen forderten, der Abzug von Frankreich, sagt Aboubacar der DW. "Die Deutschen haben das Recht, zu bleiben. Aber wenn sie mit Frankreich gehen wollen, weil sie unter Frankreichs Fuchtel stehen, dann sollen sie gehen."
Bewährungsprobe für eine historische Freundschaft
Bouba betrachtet die Deutschen als Freunde, auch wenn sie entscheiden sollten, zu gehen. "Wenn wir heute auch andere Verbündete haben, erinnern wir uns doch daran, dass Deutschland - schon lange vor Russland - das erste Land war, welches das unabhängige, freie und souveräne Mali anerkannt hat", sagt er zur DW.
Im politischen Berlin wachsen indes die Zweifel am Einsatz in Mali. Die Bundeswehr ist derzeit mit rund 300 Soldaten an der europäischen Ausbildungsmission EUTM beteiligt und mit rund 1000 Soldaten an der UN-Mission MINUSMA. Ende Mai laufen die Mandate für beide Einsätze ab. Nun mehrt sich die Skepsis, ob die Einsätze ihr Ziel der Friedenssicherung und Stabilisierung Malis nach den Putschen von 2020 und 2021 überhaupt erreichen können.
Kritik am Vorgehen der Junta
Da wären die politischen Spannungen zwischen der malischen Militärjunta und der früheren Kolonialmacht Frankreich und die allgemein ablehnende Haltung der Junta gegenüber der internationalen Präsenz: So wies die neue Führung jüngst den französischen Botschafter aus, lehnte dänische Truppen ab und erteilte der Bundeswehr ein zeitweiliges Überflugverbot. Sie habe "nicht den Eindruck, dass wir länger willkommen sind", folgerte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD): Deswegen sei es sehr schwer vorstellbar, dass dieses Engagement weitergeführt werden könne, sagte Lambrecht in Medienberichten.
Kassim Keita, Mitglied des Nationalen Übergangsrates (CNT), zeigt sich im DW-Interview hingegen zuversichtlich. Er begrüßt das deutsche Bemühen um gute Beziehungen beider Länder. Doch auch im Falle eines möglichen Abzugs der deutschen Streitkräfte müsse man sich keine Sorgen machen: "Mali hat gut ausgebildete Soldaten, die jetzt die Sicherheit aufrechterhalten könnten und die bereits mit der Arbeit begonnen haben", sagte er im DW-Interview.
Das "Prinzip Hoffnung" reicht nicht
Mit dem Training der Soldaten beginnt für Denis Tull, Mitarbeiter der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin, schon das Problem. Die Europäische Union wisse gar nicht, was und ob sie etwas mit EUTM erreicht habe - weil einfach die Instrumente für eine Beurteilung der erzielten Ergebnisse fehlten, sagt Tull im DW-Interview. "Das ist ein kritikwürdiger Zustand, weil man hier nur mit dem Prinzip Hoffnung operiert."
Ähnlich sieht das Ulf Laessing, Leiter des Regionalprogramms Sahel der Konrad Adenauer Stiftung (KAS) in Bamako: "Deutschland und andere westliche Staaten hatten wenig konkrete Vorstellungen, was sie hier vor Ort erreichen können mit dem Militäreinsatz im Rahmen der Blauhelm-Mission", sagt er im DW-Interview. "Es gab sehr optimistische Annahmen, man könne helfen, einen Staat zu bauen, so wie in Afghanistan." Dann habe sich schnell herausgestellt, dass es einige Hürden gebe. Doch es sei nicht nachjustiert worden.
Warnrufe sind gerechtfertigt
Demnach seien die Ergebnisse der Ausbildungsmission sehr bescheiden. "Zum Einen liegt es daran, dass die malische Armee nur bedingt ausbildungsfähig ist, andererseits ist das Produkt auch nicht so interessant für die Malier", sagt Laessing. Es handle sich um eine Ausbildungsakademie am Rande von Bamako, weit weg von der Front mit einer hohen Fluktuation von Trainern und insgesamt wenig Zusammenarbeit zwischen den EU-Mitgliedstaaten, kritisiert der KAS-Leiter.
Für den Sahel-Experten Denis Tull hat der komplette Interventionsansatz der internationalen Gemeinschaft seit 2013 sehr dürftige Ergebnisse vorzuweisen, die unzähligen Warnrufe seien also gerechtfertigt. Im letzten Jahr sei die Verlängerung der Mandate relativ umstandslos im Bundestag vollzogen worden. "In der Zwischenzeit ist das Afghanistan-Fiasko über Deutschland und die Welt hereingebrochen und deshalb wird die Wirksamkeit von Auslandseinsätzen jetzt viel stärker hinterfragt", sagt Tull.
Trotz scharfer Rhetorik: "Mali wird verhandeln"
Möglicherweise laufe es darauf hinaus, die Ausbildung von Soldaten zu beendeten, aber die UN-Mission weiterzuführen, analysiert Tull. Andererseits könne die Stabilisierung Malis nicht allein durch militärische Interventionen erfolgen. Tulls Prognose: "Die malische Regierung ist trotz ihrer scharfen Rhetorik verhandlungswillig und wird auf ihre Partner zugehen." Sie wisse, dass sie sich sonst in Abhängigkeit und Isolation begebe.
Mitarbeit: Mahamadou Kane, Mali